«Was kriegen die Wähler für eine Politik, wenn sie Sie wählen?» Wir haben den Kandidaten von der Parteilosen-Liste auf den Zahn gefühlt

Mark Liebenberg | 
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Zwölf Parteien und Gruppierungen treten zur Wahl für den Grossen Stadtrat am 24. November an. In unserer Serie kommen Zugpferde und Newcomer zu Wort. Was motiviert sie, mit welchen Konzepten wollen sie die Geschicke der Stadt beeinflussen? Heute: «PUSH», Liste 17.

Als «Parteiunabhängige Schaffhausen (PUSH)» tritt eine noch neue Gruppierung als Liste 17 erstmals zu den Erneuerungswahlen ins Schaffhauser Stadtparlament an. Nachdem sich Ende 2022 drei Ratspolitiker um den damaligen Fraktionschef Urs Tanner von der Sozialdemokratischen Partei abgespaltet hatten und seither ohne Fraktion politisiert hatten, ist einer der Abtrünnigen, Marco Planas, im August als Parteiloser neu in die Stadtregierung eingezogen. Mit einer Siebnerliste will Tanner selbstbewusst auf zehn Prozent kommen, wie er sagt. Sekundiert wird er dabei von Shendrit Sadiku, der seit zwei Jahren im Rat politisiert.

Herr Tanner, Sie treten als dienstältester Stadtparlamentarier wieder an, aber zum ersten Mal ohne Partei im Rücken. Wie fühlt sich das an?

Urs Tanner: Sehen Sie, 95 Prozent der Leute sind parteilos, die wollen wir vertreten. Wir haben heute einen starken Stadtrat, da braucht es auch starke Leute im Parlament, die etwas kritisieren können. Zum Beispiel eine wohlfeile Aktion, wie Sitzbänke zersägen und meinen, dass das etwas zur Kommunikation beiträgt. Da braucht es Leute, die Brücken bauen, das ist uns als neue unabhängige Gruppierung und mir mit meinen 25 Jahren Ratserfahrung in den letzten zwei Jahren, glaube ich, auch gelungen. 

Wirklich? Der Eindruck ist doch eher, dass man als Splittergruppe ohne Fraktion und ohne Kommissionssitze wenig erreichen kann …

Tanner: Bei der Volksmotion für Wärmeverbünde haben wir als Unabhängige durchaus ein wenig Zünglein an der Waage gespielt, während die Linke fast geschlossen dagegen gestimmt hat. Als Liste sind wir jetzt so breit aufgestellt wie früher die SP: Bei uns gibt es einen Wirtschaftsfachmann, einen Juristen, einen Polizisten, einen Juwelier, einen Unternehmer, einen Künstler, einen Busfahrer und einen Ökologen. Mit dieser Auswahl streben wir jetzt ein paar Sitze an. 

Bei Ihrer Stadtratskandidatur haben Sie gesagt, Sie seien nach wie vor etwa 90 Prozent SP. Wieso sollte man dann Sie wählen und nicht gleich das Original?

Tanner: Vielleicht bin ja ich das Original und die anderen sind eine schlechte Kopie (lacht). Spass beiseite, wie ich ticke, kann man an meinen Vorstössen im Parlament ja ablesen. Ich bin so was wie der linksliberale Daniel-Jositsch-Flügel in Schaffhausen. Aber wenn Sie einen geschlossenen Block möchten, wo alle der gleichen Meinung sind, rate ich dringend ab, uns zu wählen. Unsere Stärke ist ja gerade, dass wir unterschiedliche Köpfe mit individuellen Meinungen haben, die keine Rücksicht nehmen müssen.

Herr Sadiku, Sie sind vor zwei Jahren für die JUSO nachgerutscht und traten dann aus der Partei aus. Was reizt Sie an einer neuerlichen Kandidatur, diesmal als Parteiloser?

Shendrit Sadiku: Ich habe in zwei Jahren den Rat von innen kennengelernt und diese Zeit braucht es meiner Ansicht nach auch, um sich zurechtzufinden. Jetzt würde ich gern meine Erfahrung für die Stadtbevölkerung einbringen, und das, ohne eine vorgefertigte Parteimeinung zu haben. 

PUSH ist ja nicht nur parteiunabhängig, sondern gewissermassen programmunabhängig. Kernpunkte oder gar ein Parteiprogramm findet sich bei Ihnen keins. Was kriegen die Wählerinnen und Wähler denn genau für eine Politik, wenn sie Sie wählen, wo soll man Sie einordnen?

Sadiku: Ich bin aus der Juso ausgetreten, weil die sozialliberale Linie, für die ich stehe, immer weniger Platz hatte, das zeigt sich auch national. Ich glaube, die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Schaffhausen haben am meisten davon, wenn ihre Vertreter das Richtige für die Stadt wollen, nicht wenn wir eine Parteiräson vertreten. Ich sehe uns in erster Linie als Volksvertreter und nicht als Parteienvertreter. 

Doch welche Schwerpunkte setzen Sie beide sich?

Sadiku: Ich gehöre nach wie vor zu den Jüngsten im Rat und möchte gerne eine Stimme für die Jungen sein. Und dadurch, dass ich selber studiere als Werkstudent, liegen mir Bildungsthemen am Herzen. 

Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

Sadiku: Vor wenigen Monaten habe ich mich eingesetzt, dass in der Stadt besser kontrolliert werden soll, dass Jugendliche unter 18 nicht so leicht an E-Zigaretten kommen, wie das heute der Fall ist. Das Anliegen wurde dann auch im Kantonsrat aufgenommen. Das freut mich. 

Tanner: Shendrit war, als ich in den Rat kam, noch nicht einmal auf der Welt. Ich selber bin thematisch breit aufgestellt, das weiss man. Was sich vielleicht verändert hat: Ich glaube nicht mehr an Verbote. Wenn man etwas erreichen will, muss man die Leute überzeugen und belohnen, auch wenn das etwas kostet. Zum Beispiel: Wieso nicht jedem, der einen Monat aufs Autofahren verzichtet, ein GA schenken?

Sie treten zu siebt an, alles Männer. Ein Grünes Ratsmitglied sprach gegenüber den SN von einem «Boys Klub», ärgert Sie das?

Tanner: Es ist, wie es ist. Unsere einzige Kandidatin Irina Zehnder hat sich leider zurückgezogen, weil sie den Wohnort wechseln wird. Sie liess sich wenigstens nicht erst wählen, um dann zugunsten von anderen zu verzichten, wie ich das bei SP-Juso oft erlebt habe. Irina war also den Wählerinnen und Wählern gegenüber voll transparent.

Das sagen die Kandidaten zu ​​​​​​​…

Stadtentwicklung: Je grösser, je besser oder 40'000 Einwohnende sind genug?

Urs Tanner: «Ich will keine Mauer um das Land wie die SVP, aber die Wachstumsfantasien im linken Lager teile ich nicht. Als ich Kind war, hatten wir eine Fünfmillionen-Schweiz, jetzt geht es auf die zehn Millionen zu. Das hat Folgen für Ressourcen und Infrastruktur. Eine Begrenzung fände ich sinnvoll.» 

Tempo 30: Blödsinn oder möglichst flächendeckend einführen?

Shendrit Sadiku: «Ich bin im Gegensatz zu Urs Autofahrer und mir gefällt die Polarisierung der Parteien dazu gar nicht: Die einen wollen es überall, die anderen nirgends. Man soll jede Strasse einzeln anschauen. Für die Bachstrasse zum Beispiel braucht es das wirklich nicht.»

Die Fragen wurden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt.  

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