Kritik vom Land am Volkswirtschaftsdirektor: «Die Gemeinden gehen noch nicht Konkurs»

Dario Muffler | 
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Dino Tamagni steht seit vier Jahren dem Volkswirtschaftsdepartement vor. Seine Amtszeit startete wegen Coronahilfszahlungen fulminant, dann wurde es ruhig um ihn. Zuletzt stand er in der Kritik der Landgemeinden und des Kantonsrats. Im Gespräch nimmt er Stellung.

Herr Tamagni, warum wollen Sie Regierungsrat bleiben und wieso sollten die Wahlberechtigten gerade Sie wählen​?

Dino Tamagni: Es gibt viele Themen, bei denen wir mit den Arbeiten losgelegt haben, diese möchte ich zu Ende führen und keine Baustellen übergeben. Wenn ich mich mal in etwas verbissen habe, dann will ich es richtig machen. Ich will weiterhin Verantwortung übernehmen.

Was würden Sie als grösste Niederlage in den vergangenen vier Jahren bezeichnen?

Tamagni: Niederlagen im eigentlichen Sinne gibt es in der Politik nicht. Ich akzeptiere demokratische Entscheide. Es gibt vielleicht Projekte oder Vorlagen, die nicht so umgesetzt werden, wie man sich das vorgestellt hat. Doch wenn sie am Schluss anders umgesetzt werden, bin ich zufrieden.

Und was würden Sie als grössten Erfolg oder Sieg benennen?

Tamagni: Ich würde es nicht als Erfolg für mich, sondern für den Kanton bezeichnen, da ich für die Mitbürgerinnen und Mitbürger arbeite. Das Wichtigste, das wir umsetzen konnten, ist das Coronahilfsgesetz. Wir mussten es innerhalb von zwei Monaten durch das Parlament bringen. Wenige Wochen nach dem Inkrafttreten haben wir die ersten Zahlungen an die Unternehmen getätigt. Am Schluss konnten wir so rund 500 Unternehmen und weit über 1000 Arbeitsplätze im Kanton sichern.

Inwiefern trägt dieses Gesetz Ihre Handschrift? Es wurde unter Ihrem Vorgänger Ernst Landolt aufgegleist.

Tamagni: Das ist richtig, wir hatten zu Beginn ein Behelfsgesetz, das sehr hilfreich war. Es gab aber so viele Anpassungen auf Bundesebene, sodass wir das Gesetz im Januar 2021 nochmals neu schreiben mussten.

Blicken wir auf ein erfreuliches Thema: Die Steuereinnahmen des Kantons sprudeln. Nun gibt es aber Landgemeinden, die sich immer lauter beklagen, dass das Zentrum um Schaffhausen profitiert, während sie auf dem Trockenen sitzen. Wann gehen Sie auf die Hilferufe der Gemeinden ein?

Tamagni: Dieser Hilferuf traf im August 2023 erstmals bei uns ein, diesen April hat sich der Gemeindeverband nochmals an die Regierung gewandt. Wir haben bereits im letzten August gesagt, dass wir das Finanzausgleichsgesetz überarbeiten werden. Wir haben auch angekündigt, dass wir es so schnell wie möglich angehen möchten.

Sie sagen «schnell», aber es liegt noch nichts auf dem Tisch. Können Sie konkrete Massnahmen nennen, wie Sie den Gemeinden unter die Arme greifen möchten?

Tamagni: Der Regierungsrat hat Ende letztes Jahr einen Exekutivkredit gesprochen, um die Situation wissenschaftlich analysieren zu lassen. Die Resultate liegen seit einem Monat vor und wir erarbeiten aktuell die Vorlage. Sie soll im dritten Quartal dieses Jahres in die Vernehmlassung gehen. Mögliche Sofortmassnahmen sind ebenfalls Teil der Vorlage, die Anfang 2025 in den Kantonsrat kommen soll. Aber wir müssen immer das Ganze betrachten: Es zwar Probleme in den Gemeinden, aber sie gehen im nächsten Jahr noch nicht Konkurs.

Sie versprechen den Gemeinden also eine Perspektive. Dem gesamten Kanton wollten Sie mit der Entwicklungsstrategie 2030 ebenfalls eine Perspektive geben. Nun hat das Parlament die Vorlage zerzaust. Was ist schiefgelaufen?

Tamagni: Ich glaube nicht, dass die Strategie zerzaust wurde. Es ist gut, dass sich das Parlament die Materie genau angeschaut hat und seine Schwergewichte bekanntgegeben hat. Neben dem Kantonsrat haben auch die Industrie-Vereinigung und die Regierung ihre Präferenzen abgegeben.

Und was passiert denn jetzt als nächstes?

Tamagni: Es ist eine Strategie der ganzen Gesellschaft. Es sind nicht nur die Verwaltung und die Politik, die daran arbeiten müssen. Die Hauptaufgabe des Volkswirtschaftsdepartements wird es sein, die Fortschritte zu monitoren. Wir werden zudem uns an jene wenden, die ersten Schritte machen müssen.

Verlassen wir den Kanton Schaffhausen und blicken auf innenpolitische Themen. Ihre Partei, die SVP, bezeichnet die «masslose Zuwanderung» als Ursache aller Probleme in der Schweiz. Teilen Sie diese Auffassung?

Tamagni: Eine masslose Zuwanderung muss man eingrenzen. Wir brauchen zwar eine gewisse Zuwanderung, aber sie muss qualitativ sein. Wir brauchen Fachkräfte, die entsprechend auch Familien mitbringen. Das ist gut so, denn wir brauchen eine Altersdurchmischung, alleine schaffen wir das gar nicht mehr. Das andere Thema sind Personen, die Hilfe brauchen. Diese müssen wir vorübergehend aufnehmen, aber sie müssen auch wieder zurück, wenn es wieder möglich ist.

Im Kanton Schaffhausen hat die Zuwanderung Ihrer Meinung nach noch keinen besorgniserregenden Zustand erreicht?

Tamagni: Besorgniserregend ist er noch nicht, aber die Fläche im Kanton Schaffhausen ist begrenzt. Wir haben zu wenig Bauland für Gewerbe- und Industriezonen. Das Wachstum stellt uns also auch vor Probleme.

Bleiben wir bei der Migration. Die SVP hat das Tötungsdelikt in der Schaffhauser Altstadt im Wahlkampf instrumentalisiert und gesagt «Wählt SVP, dann passiert so etwas nicht.» Hat Schaffhausen ein Problem mit Ausländerkriminalität und muss man etwas dagegen unternehmen?

Tamagni: Grundsätzlich bin ich für Prävention. Wir müssen aber auch sofort handeln können. Mit der Aufstockung der Polizei konnten wir einen wichtigen Schritt machen, auch die Aufstockung der Staatsanwaltschaft war wichtig. Wir müssen nur aufpassen, dass der Formalismus nicht Überhand gewinnt und die Leute auch wirklich arbeiten können.

Ein letztes Thema: die Energieversorgung. Ist der Rheinfall für Sie ein mögliches Kraftwerk?

Tamagni: Am Rheinfall existiert bereits ein Kraftwerk und ich sehe die Möglichkeit, dort noch mehr Strom zu produzieren. Ob es schon in den nächsten Jahren wichtig wird, dieses Projekt anzugehen, lasse ich mal offen. Für mich ist die Atomenergie nicht vom Tisch. Wir sind auf sie angewiesen und werden sie nicht so schnell ersetzen können. Bei der Windenergie müssen wir genau hinschauen, wo es Sinn macht. Denn die Schneisen, die für die Windräder gebaut werden, sind grosse Eingriffe in die Natur.

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