Mütter ab 45 sind die besseren Manager
In den Ferien bleibt meist etwas mehr Zeit, sich Gedanken über grosse gesellschaftspolitische Fragen zu machen. So beschlossen wir, uns dem in den letzten Monaten immer wieder einmal aufpoppenden Thema Frauen – und dabei insbesondere Mütter – über 40 Jahre am Arbeitsplatz zu widmen (siehe auch Box). Dass das Thema medial so präsent ist, hat vor allem mit der Auszeichnung der Forschungen von Claudia Goldin mit dem Wirtschaftsnobelpreis sowie weiteren kürzlich erschienenen Forschungs- und Umfrageergebnissen zu tun. Auch der renommierte deutsche Führungsexperte Dr. Reinhard K. Sprenger hat in mehreren seiner Kolumnen seine Gedanken zum Thema präsentiert. Ein Streifzug durch die Theorieansätze bringt Erstaunliches ans Licht.
Und nächste Woche wird es dann praktisch. Im zweiten Teil unserer Mini-Serie präsentieren wir Antworten von Schaffhauser Unternehmen, die sich unseren Fragen zum Thema gestellt haben.
«Mutterschaft ist der Karrierekiller.» Diese Aussage stammt nicht etwa von einer links-feministischen Agitatorin, sondern von Dr. Reinhard K. Sprenger, einem der profiliertesten Führungsexperten Deutschlands. Sprenger hat gemäss eigenen Aussagen Beratungsmandate in sämtlichen DAX-Unternehmen inne, ist Seminarveranstalter und verkaufte bereits über 1,8 Millionen Management-Bücher. Die Aussage, dass der eigene Nachwuchs einer Mutter die Karriere «killt», hört sich ziemlich düster an, ganz besonders für arbeitstätige Mütter. Da gefällt der Titel einer weiteren seiner Kolumnen, die er ab und an unter dem Titel «Sprengers Spitzen» in der deutschen Zeitschrift «Wirtschaftswoche» publiziert, deutlich besser: «Mütter ab 45 sind die besten Führungskräfte» . Ganz besonderes Wohlwollen erntet er damit bei der hier schreibenden Mutter, die dieses Jahr 45 wurde...
«Mütter ab 45 sind die besten Führungskräfte.»
Forschungsergebnisse über Arbeitstätigkeit von Frauen
Doch ernsthaft. Was läuft laut Management-Guru Sprenger falsch auf dem Arbeitsmarkt? Sprengers Aussagen beruhen nicht auf einem sentimentalen Mutterbild. Als Begründung zieht er vielmehr die Forschungen von Harvard-Professorin Claudia Goldin heran. Goldin wurde im Oktober mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet, den sie für die Entkräftung verschiedener Mythen über die Arbeitssituation von Frauen erhalten hat. Das wichtigste Resultat ihrer Forschung: Die Lohnunterschiede zwischen Mann und Frau lassen sich dadurch erklären, dass Frauen Kinder kriegen, Männer allenfalls Kinder haben.
Grösster Lohnunterschied zwischen Männern und Müttern
Mit dem Begriff der «greedy jobs» (siehe Box) erklärt Goldin den Fakt, dass in vielen Jobs der Lohn mit steigendem Arbeitseinsatz nicht nur linear, sondern überproportional ansteigt. Darunter leiden vor allem Mütter, denn da diese oft Teilzeit arbeiten, schrumpft nicht nur ihr Verdienst, sondern auch ihre Chance auf eine steile Karriere. Denn auch wenn sie später ihr Arbeitspensum wieder hochschrauben, lässt sich die «Kinderstrafe» nicht mehr beseitigen. Und dies, obwohl Goldin in ihren Studien nachweist, dass Frauen, die Vollzeit arbeiten, bessere Karrierechancen haben als Männer. So liegt der grösste Einkommensunterschied also nicht zwischen Männern und Frauen, sondern zwischen Männern und Müttern. Dazu tragen laut Sprenger auch Vorurteile bei, beispielsweise, dass sich Mütter häufiger krankmelden und sich Betriebsprozesse durch Teilzeitmitarbeiterinnen verkomplizierten.
Mythen entlarvt
Um diese Vorurteile zu entkräften, führte Sprenger selber eine kleine – nicht repräsentative – Umfrage bei Personalleitern durch. Übereinstimmendes Fazit: Tatsächlich gibt es bei der Anstellung von Teilzeit arbeitenden Müttern zunächst einen höheren Koordinationsaufwand. Allerdings kommen Mütter im Durchschnitt nicht auf mehr, sondern auf bis zu 40 Prozent weniger Krankheitstage als Mitarbeiterinnen ohne Kinder. Zudem seien Mütter und Teilzeitmitarbeiterinnen in besonderem Masse engagiert und pro Stunde produktiver als Vollzeitangestellte. Es scheine fast so, als wollten sie einen Makel tilgen, als fühlten sie sich stärker verpflichtet. Weiter ist Sprenger überzeugt, dass Frauen zumeist dankbar sind, Teilzeit arbeiten und dennoch Familie oder Hobbys leben zu können. Dies erhöhe die Mitarbeiterbindung, was unter den zu erwartenden demografischen Bedingungen an Wichtigkeit zunehmen werde.
«Mütter weisen bis zu 40 Prozent weniger Krankheitstage auf als Mitarbeiterinnen ohne Kinder. Zudem sind Mütter und Teilzeitmitarbeiterinnen in besonderem Masse engagiert und pro Stunde produktiver als Vollzeitangestellte.»
Frauen über 45 als Topführungskräfte
Und genau aus diesen Überlegungen heraus kommt Sprenger zum Schluss, dass er als Unternehmer sein Geld vorrangig Müttern anvertrauen – sprich Mütter als Führungskräfte anstellen – würde. Denn «insbesondere jene ab 45 Jahren, sind dazu geboren, Regie zu führen. Sie können das Spiel mit den chinesischen Tellern, beherrschen das Multitasking, können priorisieren, sind pragmatisch und ausdauernd.» Zudem brächten sie natürlicherweise die Fähigkeit mit, die Leistung anderer zu organisieren. Oder ganz einfach: «Männer können Planwirtschaft, Mütter Management.» Denn das täten sie schon seit Generationen. Zudem seien sie, was Belastbarkeit und Willensstärke angeht, unschlagbar. Auch Tandemlösungen gelingen gemäss Sprenger mit Männern nur in Ausnahmefällen, mit Frauen fast immer. Der grössere Aufwand werde auch da durch höheren Einsatz überkompensiert.
Ökonomische Überlegungen sprechen für stärkeren Einbezug von Müttern
Sprengers Fazit: «Wenn Ihnen das plausibel scheint, sollten Sie die institutionellen Voraussetzungen schaffen, die es Müttern erleichtern, ein Berufsleben und gleichzeitig ein Familienleben zu haben. Mitarbeiterinnen dürfen nach ihrer Rückkehr aus der Mutterschaft nicht auf dem Abstellgleis landen. Keineswegs aus Gründen politisch korrekter Diversitätsforderungen, sondern ganz nüchtern aus rational-betriebswirtschaftlichen Erwägungen. Nicht nur Mütter werden es Ihnen danken - Sie werden es den Müttern danken.»
Frauen trifft Mitschuld
Falls Sie sich als Mann nun etwas brüskiert fühlen, keine Sorge. Dass die momentan unbefriedigende Situation nicht nur an den Männern liegt, ist Sprenger auch klar. Denn Goldins Forschungen deuten auch darauf hin, dass beispielsweise selbst ein günstiges Kita-Angebot die Berufstätigkeit von Müttern kaum erhöht, wenn Mütter das Zusammensein mit dem Kind dem Job vorziehen. Spannend ist auch, dass sich in Deutschland bei dieser Frage ein merklicher Unterschied zwischen Müttern aus den neuen und den alten Bundesländern zeigt. Erstere finden Vollzeitarbeit ab dem vierten Lebensjahr des Kindes meist in Ordnung, während dieser Wert bei «westdeutschen» Müttern bei zwölf Jahren liegt. Das Problem liegt also zum Teil auch an den Frauen, die dankend auf eine angebotene Führungsaufgabe oder eben einen «greedy job» verzichten.
Institutionelle Voraussetzungen schaffen
Nun aber einfach die Hände in den Schoss zu legen, wäre fatal. Gerade in Zeiten eines den Wohlstand bedrohenden Fach- und Arbeitskräftemangel darf ökonomisch gesehen eine solch wichtige Leistungsressource wie Frauen über 45 Jahre nicht einfach brachliegen. Vielmehr gilt es, wie Sprenger betont, institutionelle Rahmenbedingungen zu schaffen, die es Müttern erleichtern, sowohl ein Beruf- als auch ein Familienleben führen zu können. Um hier einen Weg zu finden, ist Kompromissbereitschaft von beiden Seiten gefordert.