Musik als Klangrede: Rheinauer Konzerte 2024 starten mit dem Rapperswiler «Coro Canto»

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Frank Mehlfeld leitete Chor und Orchester mit grosser Ausstrahlungskraft. Bild: Matthias Zweifel

Die Rheinauer Konzerte 2024 sind noch jung; am Sonntag fand das erste Chorkonzert dieser Saison statt. Zu Gast: der Rapperswiler «Coro Canto».

von Gisela Zweifel-Fehlmann

Ein mustergültig geschulter Chor, der den lebendigen Sprachduktus von betonten und unbetonten Textsilben ganz verinnerlicht hatte und mit Begeisterung, doch ohne zu forcieren sang – ein hochqualifiziertes Orchester mit Spezialisten der historisch informierten Aufführungspraxis, welche mit barocken Instrumenten begeistert der inspirierenden Zeichengebung des Dirigenten Frank Mehlfeld folgten – sowie vier stimmlich und stilistisch perfekt aufeinander abgestimmte junge Vokalsolisten bildeten am Sonntag die tragenden Stützen der denkwürdigen Aufführung mit geistlicher Barockmusik in der Klosterkirche Rheinau.

Der stimmlich ausgewogene «Coro Canto» aus Rapperswil, wo auch junge Gesichter in den Reihen der 20 Sängerinnen und Sänger zu sehen sind, wurde vom deutschen, katholischen Kirchenmusiker Frank Mehlfeld erst vor drei Jahren gegründet. In der kurzen Zeit haben sie schon beachtlich Hochstehendes vorzuweisen, wie hier arbeiten sie oft mit dem Zürcher Orchester «La Compagna» zusammen.

Bach, Vater und Sohn

Die prachtvolle und emotional berührende Pfingstkantate «Erschallet, ihr Lieder» BWV 172 von Johann Sebastian Bach (1685–1750) machte den Anfang. Anhand etlicher Umarbeitungen und Aufführungen von 1714 bis 1731 ist die spezielle Vorliebe des Komponisten für diese innerhalb seiner zahlreichen Kantaten ersichtlich. Frank Mehlfelds Gespür für die musikalische Affektenlehre jener Zeit brachte sie zu einer farbigen, wortausdeutenden Interpretation von hoher Ausdruckskraft. Auf die instrumentale, zügig frisch musizierte Einleitung mit prunkvollen Pauken und Trompeten setzte strahlend der Lobgesang des Chors ein.

Die klangvolle, schlanke Bassstimme von Michael Schwarze beschwor in seinem Rezitativ mit Arie die Ankunft des Heiligen Geistes, gefolgt von der Tenorarie durch Zacharie Fogal, der mit lieblicher Gesanglichkeit und sanfter Orchesterbegleitung das Seelenparadies von Gottes Schöpfergeist beschrieb. Ergreifend schloss eine «Unio Mystica» an, die mystische Hochzeit zwischen Heiligem Geist und der menschlichen Seele als Liebesdialog von Sybille Diethelm, Sopran, und der Mezzosopranistin Geneviève Tschumi, gefolgt vom schlichten Schlusschoral des Chors mit den Worten «… Nimm mich freundlich in dein’ Arme».

Mit seinem Magnificat steht Carl Philipp Emanuel Bach (1714–1788) seinem berühmten Vater in nichts nach. Es ist ein Frühwerk des 35-jährigen Sohnes und ist noch dem väterlichen polyphonen Stil verhaftet, bevor er sich als musikalischer Neuerer dem empfindsamen Stil des «Sturm und Drang» zuwandte. Auch hier machten Pauken und Trompeten den virtuosen, glanzvollen Anfang, welcher an das Weihnachtsoratorium Johann Sebastians erinnerte. Ihre textausdeutenden Arien interpretierten die Sopranistin als Jungfrau Maria mit Demut, der Tenor mit sieghaft überlegenen Koloraturen, wo sich der Chor in einem tröstlichen, sanft getragenen chromatischen Satz einbrachte.

Der Bass sang als strahlender Sieger, und der Alt berührte mit der Aussage des Vertrauens, Erbarmens und der Geborgenheit. Das ausdrucksvolle Duett zwischen der Mezzosopranistin mit dem Stimmtimbre eines Altus und dem Tenor, die miteinander verschmelzend den Sturz und die Erhebung der Mächtigen und Hungernden heraufbeschworen, wurde zu einem Höhepunkt.

Mit prächtigem Orchester, das zuvor in vielen Klangfarben der Blasinstrumente, Streicher und Generalbassgruppe mit Orgel (Balázs Szabó) zu hören war, schloss der Chor jubelnd mit einer grossen Fuge, die auch Vater Bach grösste Ehre gemacht hätte. Als Zugabe zeigte «Erschallet, ihr Lieder» noch einmal barocke Lebensfreude.

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