Warum sie verhungerten, bleibt unklar
Die Jungschwäne auf dem Schaffhauser Rhein starben an Unterernährung – das belegt die Untersuchung des Berner Zentrums für Fisch- und Wildtiermedizin jetzt definitiv.
Wo der Stadtökologe das Hauptproblem der Schwäne sieht
Für den Schaffhauser Stadtökologen Urs Capaul ist das Hauptproblem der Schwanenpopulation in Schaffhausen klar: «Der Nutzungsdruck ist sehr gross.» Spaziergänger mit Hunden, Schiffe, Schwimmer, Gummiboote – alles auf kleinem Raum. Das bedeute Stress für die Tiere, auch in der Brutzeit. «Aber die Schwäne haben sich nicht nur an den Menschen, sondern auch an die Gegebenheiten gewöhnt.» Erst kürzlich habe er oberhalb des Salzstadels Schwaneneltern beobachtet, die mit ihrem Jungen problemlos ans Ufer gelangt seien.
In Schaffhausen sei die Population relativ gross. «Das bedeutet, dass sich schwächere oder weniger erfahrene Tiere unattraktivere Lebensräume und Brutplätze suchen müssten.» Deutlich mehr Ruhe fänden sie an renaturierten Uferstellen, wie sie etwa kürzlich bei Büsingen oder beim Schaaren realisiert wurden. «Davon gibt es viele am Rhein.» Verbaute Ufer allein seien kaum der Grund, warum Schwäne sterben. «Das zu behaupten, wäre spekulativ.» Handlungsbedarf, um die Lebensbedingungen für Schwäne auf Stadtgebiet zu verbessern, sieht Capaul deshalb nicht prioritär. Und er betont: «Verglichen mit der grossen Schwanenpopulation in der Region ist auch dieses Jahr nur ein kleiner Teil der Jungtiere gestorben.» (heu)
Zahlreiche Jungschwäne auf dem Schaffhauser Rhein sind im Frühling gestorben. Es waren so viele, dass der Kanton zwei tote Tiere zur Untersuchung ans Zentrum für Fisch- und Wildtiermedizin (Fiwi) mit Sitz in Bern einschickte. Tierschützer hatten zuvor vermutet, dass die Jungschwäne an Erschöpfung starben, gestresst durch die vielen Spaziergänger und Gummibootfahrer (die SN berichteten). Ausserdem, so der Vorwurf, sei das Flussufer zu stark verbaut. Jetzt liegen die definitiven Untersuchungsergebnisse des Fiwi vor. «Die beiden eingeschickten Jungtiere starben an Unterernährung», sagt der kantonale Jagd- und Fischereiverwalter Andreas Vögeli. Die Tiere hätten leere Mägen gehabt, was unüblich sei.
Keine Massnahmen geplant
Ob die Jungschwäne verhungerten, weil sie es nicht regelmässig zum Fressen – sie ernähren sich mehrheitlich von Wasser- und Uferpflanzen – in Ufernähe schafften, lasse sich im Nachhinein allerdings nicht nachweisen. Insofern könne der Vorwurf von Tierschützern, das Rheinufer sei nicht genügend tiergerecht, nicht bestätigt werden, so Vögeli. Der Kanton sieht deshalb davon ab, Massnahmen zur Umgestaltung des Ufers zu empfehlen. Die Schwanenpopulation habe sich in den letzten Jahren jeweils normal entwickelt. «Dieses Jahr war es schon früh warm und sonnig, deshalb hielten sich im Frühling mehr Menschen als üblich am Rheinufer auf.» Das bedeute Stress für Wildtiere. «Es ist aber nicht klar, ob eine weitere Rampe am Ufer den Schwänen tatsächlich helfen würde, an Land zu kommen», sagt Vögeli. «Das Lindli ist nun mal städtisches Gebiet und damit stark frequentiert, man kann den Leuten nicht verbieten, dieses Gebiet zu besuchen.» Richtung Bodensee gebe es genügend Nistplätze.
«Es ist nicht klar, ob eine weitere Rampe den Schwänen helfen würde, ans Ufer zu kommen.»
Andreas Vögeli, Kantonaler Fischerei- , und Jagdverwalter
Sollten auch im nächsten Frühling wieder ungewöhnlich viele Jungschwäne verenden, könne man über allfällige Massnahmen nachdenken. «Aber auch dann muss man sich gut überlegen, ob es nicht mehr Sinn machen würde, Geld in andere Renaturierungsprojekte zu investieren.»
«Am Geld liegt es nicht»
Zuständig für die Ufergestaltung ist Kraftwerkbetreiberin SH Power. «Nach Rücksprache mit den kantonalen Stellen, dem Stadtökologen und weiteren Fachleuten sehen wir keine sinnvollen und nötigen baulichen Massnahmen und verzichten daher darauf», sagt Mediensprecher Marco Nart. Am guten Willen oder am Geld liege es nicht, sagt Nart und verweist auf den Ökofonds von SH Power zur Renaturierung des Rheinufers. Die Möglichkeiten, in dicht besiedeltem Gebiet beispielsweise neue Rampen zu bauen, seien aber begrenzt. «Dass dieses Jahr so viele Tiere gestorben sind, kann nicht allein auf die Ufergestaltung zurückzuführen sein.» Das sieht auch der Schaffhauser Stadtökologe Urs Capaul so (siehe Box).
«Wir werden nächsten Frühling beobachten, wie sich die Situation entwickelt», sagt Nart von SH Power. In den letzten 30 Jahren habe es nie ein Schwanensterben wie im vergangenen Frühling gegeben. «Das bestätigten uns langjährige Mitarbeiter mit einem grossen Erfahrungsschatz.» Auch die baulichen Gegebenheiten am Rheinufer hätten sich kaum verändert.