Das Schwänchensterben geht weiter
Einige Jungschwäne wurden vom Wasser mitgerissen und das Wehr des Kraftwerks heruntergeschwemmt. Nur eine von drei Schwanenfamilien zwischen Lindli und Rheinfall hat alle ihre Jungen noch.
Daniel Zinser und Elena Stojkova
Fünf kleine Schwänchen, die letzte Woche gegenüber der Rhybadi noch für Jö-Rufe bei Spaziergängern sorgten, sind nun tot: Sie wurden über das Wehr des Kraftwerks heruntergeschwemmt, weil sie im Gegensatz zu ihren Eltern nicht genug Kraft hatten, gegen die starke Strömung anzuschwimmen. «Der Wasserpegel ist seit der letzten Woche rapide angestiegen», sagt Marco Nart, Mediensprecher bei SH Power. Konkret ist der Abfluss innerhalb einer Woche von 365 auf 582 Kubikmeter pro Sekunde geklettert. Dass bei diesen Wassermassen Jungvögel am Kraftwerk sterben können, lasse sich nicht zu 100 Prozent vermeiden, so Nart.
«Unserer Meinung nach würde eine einfache Barriere beim Kraftwerk helfen», sagt Ricky Meyer von Animal Rescue Schaffhausen-Thurgau. Sein Vorwurf: Dem Kanton und der Stadt Schaffhausen seien die Schwäne nicht wichtig, und die Tragweite des Problems werde nicht erkannt.
Im Wasser einen Hag vors Kraftwerk zu stellen, damit die Jungvögel nicht ans Kraftwerk kommen, sei nicht möglich, so Nart dagegen. «Wir müssen jederzeit in der Lage sein, grosse Wassermassen durch die Schleusen abzulassen – das ist ein Hochwasserschutz und in unserer Konzession so vorgeschrieben.» Wenn ein Zaun davorstehe, in dem sich Schwemmgut verfangen würde, könne das Wasser nicht mehr ungehindert abfliessen.
Hag schützte Schwäne vor Hunden
SH Power wolle dort etwas tun, wo es wirklich etwas nütze, sagt Nart. Beispielsweise renaturieren die Städtischen Werke Ufer oberhalb des Kraftwerks. Auch der Rhybadi-Schwanenfamilie versuchte man zu helfen: SH Power zog grossflächig einen Hag um das Schwanennest, um die brütenden Schwäne vor frei laufenden Hunden zu schützen. «Wir hatten Hinweise bekommen, dass immer wieder Hunde nah ans Nest hingingen.» Im Raum Schaffhausen leben zwischen dem Lindli und dem Rheinfall drei Schwanenfamilien, wovon die Rhybadi-Familie eine ist, sagt Meyer von Animal Rescue. Auch die Familie, die in Neuhausen/Flurlingen wohnt, habe kürzlich zwei von acht Jungen verloren. Die Stromschnellen direkt unterhalb der Flurlinger Brücke führen dazu, dass die Schwänchen zu der Röti-Kläranlage getrieben werden und viel Kraft aufwenden müssen, um wieder zurückzuschwimmen. Momentan kämpfen auch die sechs anderen Jungen ums Überleben, da sie das jeweilige Zurückschwimmen zunehmend erschöpft.
«In Schaffhausen ist die Schwanenpopulation durch das Jungvogelsterben nicht bedroht.»
Andreas Vögeli, Jagdverwalter
Lediglich der Schwanenfamilie am Lindli gehe es gut: Alle drei Jungen sind munter. Grün Schaffhausen hatte die Blumenrabatte, in denen die Schwäne letztes Jahr genistet hatten, mit Drähten versperrt. Diese seien zum Nisten keine günstigen Orte, da das Publikum den Schwänen dort zu nahe käme, sagt Daniel Böhringer von Grün Schaffhausen. «Auf Wunsch von Animal Rescue haben wir auch die Blumenrabatte vor der Sommerlust abgesperrt.» Mehrfach hätten die Schwäne die Strasse bereits überquert, weswegen die Gefahr bestand, dass sie auf die Idee kämen, ihr Nest auf der anderen Strassenseite zu bauen. Nun, da alle Blumenrabatte in der Nähe umzäunt sind, haben die Schwäne auf der anderen Seite des Rheins gebrütet. Dieser Ort eignet sich aufgrund weniger Publikums und besseren Möglichkeiten, um ans Ufer zu gelangen, eher für die Schwäne. Um Schwäne zu schützen, werden kleinere Massnahmen also getroffen. Schweizweit gebe es immer mehr dieser Tiere, wie Jagdverwalter Andreas Vögeli sagt. «Auch in Schaffhausen ist die Schwanenpopulation durch das Jungvogelsterben nicht bedroht.» Meyer von Animal Rescue sieht jedoch durchaus ein Problem. «Wenn auch dieses Jahr keine Massnahmen gegen das Schwanensterben getroffen werden, sind wir nicht bereit, dies einfach so hinzunehmen.»