«Schmerzt Sie der Abschied vom Giessereigeschäft nicht, Herr Müller?» Jetzt spricht der GF-Boss über den radikalen Umbau
Der Schaffhauser Grosskonzern Georg Fischer (GF) baut radikal um und setzt nur noch auf Rohrleitungen. Verkauft wird das traditionelle Giessereigeschäft. Was das für Schaffhausen bedeutet – ein Gespräch mit GF-CEO Andreas Müller.
Die Aktie des Schaffhauser Grosskonzerns Georg Fischer (GF) stieg am Mittwoch um 15,6 Prozent. Die Reaktion der Börse liegt an der grossen Neuigkeit, die der Konzern an diesem Tag bekannt gegeben hat. Denn nach der Übernahme des finnischen Rohrleitungsspezialisten Uponor im vergangenen Jahr will die GF sich in Zukunft auf das Geschäft mit Wasser und Flüssigkeiten fokussieren.
Der Konzern strebt die weltweite Marktführung in diesem Bereich an. Die neue Strategie hat zur Folge, dass sich die GF von ihrer Abteilung Maschinenbau (GF Machining Solutions) trennt. Wir haben CEO Andreas Müller zu den Folgen dieses radikalen Schritts befragt und zu den Auswirkungen für den Standort Schaffhausen.
Herr Müller, 1802 wurde die GF in Schaffhausen gegründet als Stahlgiesserei, damals arbeitete gefühlt jeder dritte Schaffhauser bei der GF. Ihr Unternehmen prägt die Identität der Stadt und der Region. Nun verabschiedet man sich endgültig vom Giessereigeschäft – schmerzt Sie das nicht?
Andreas Müller: Das Giessereigeschäft hat in der Tat eine lange Tradition. Dies gilt auch für das Geschäft mit Rohrleitungen für Wasser, mit welchem sich GF seit der Gründungszeit beschäftigt. Die erfolgreiche Akquisition von Uponor war ein Katalysator, um global die führende Position im Bereich Water and Flow Solutions erreichen zu können. Diesen vielversprechenden Weg verfolgen wir nun konsequent weiter.
Im vergangenen Jahr hat die GF ihren Hauptsitz in Schaffhausen für 23 Millionen Franken modernisiert und saniert – was passiert jetzt mit dieser Infrastruktur, wenn der Konzern sich verkleinert?
Das Gebäude wird nicht nur durch den Konzern, sondern durch mehrere operative Einheiten genutzt. Dazu zählt auch die Verkaufsgesellschaft Schweiz von GF Piping Systems/Building Flow Solutions. Auch in Zukunft werden zentrale Servicefunktionen im Konzern erbracht.
Sie werden sich von 1400 Mitarbeitenden trennen, die in der Schweiz, jedoch nicht in Schaffhausen beschäftigt sind. Gibt es eine Vereinbarung mit dem neuen Eigner der verkauften Sparte, die Mitarbeitenden zu übernehmen?
Die beiden Unternehmen – der neue Eigner United Grinding und GF Machining Solutions – ergänzen sich mit ihrer Produktepalette optimal. Ein Personalabbau ist darum nicht Teil der Vereinbarung. Für die Integration der beiden Einheiten und die Weiterentwicklung zeichnet jedoch der neue Eigentümer verantwortlich. Wir sind aber überzeugt, dass mit dem Zusammenschluss ein starkes Unternehmen mit Schweizer Wurzeln entsteht, welches eine global führende Rolle für Schleif- und Bearbeitungsprozesse einnehmen kann.
«Ein Personalabbau ist nicht Teil der Vereinbarung.»
Wie viel Prozent des Umsatzes entfallen durch die jetzt vollzogene Trennung der Maschinenbau-Sparte?
GF Machining Solutions erzielte Mitte dieses Jahres einen Umsatz von 392 Millionen Franken, der Konzernumsatz lag bei 2,4 Milliarden Franken.
Sie überlegen auch, sich von GF Casting Solutions, der Leichtmetall-Division zu trennen. Wie sehr hängt das mit der Entwicklung der Automobilbranche – vor allem auch in Deutschland zusammen?
Die Optionen für GF Casting Solutions zu prüfen, war ein strategischer Entscheid, der unabhängig von der derzeitigen Situation, beziehungsweise dem Wandel in der Autoindustrie weltweit, gefällt wurde.
Die GF beschäftigt in Schaffhausen rund 1100 Mitarbeitende, kurzfristig soll sich im Konzern und am Standort nicht viel ändern. Wie sieht die langfristige Perspektive für den Schaffhauser Standort aus?
An den Perspektiven hat sich nichts geändert. Der Konzern und GF Piping Systems haben in Schaffhausen ihren Hauptsitz, GF Piping Systems hat dort zudem eine grosse Produktionsstätte. GF hat in Schaffhausen seine Wurzeln.
Jetzt konzentrieren Sie sich auf das Wasser- und Flüssigkeitsmanagement. Wie kam diese Entscheidung zustande und wie lange im Voraus wurde dieser neue Schritt vorbereitet?
Die strategische Neuausrichtung haben wir mit der Akquisition von Uponor gestartet. Diese wurde im Juni 2023 angekündigt und im November 2023 abgeschlossen.
Wie viel investieren Sie in den Aufbau des neuen Geschäfts?
GF wird über ausreichend finanzielle Mittel verfügen, um in das Geschäft mit Water and Flow Solutions zu investieren. Die Konzentration ermöglicht es uns, die Kräfte und Ressourcen in Zukunft stärker zu bündeln.
Werden am Standort Schaffhausen oder in der Schweiz Mitarbeitende für den neuen Bereich eingestellt?
Es ist geplant, das Geschäft mit Water and Flow Solutions mittelfristig auszubauen, um bis im Jahr 2030 einen Umsatz von 5 Milliarden Franken zu erzielen. Eine Aussage, wo und wann zusätzliche Arbeitsplätze entstehen könnten, wäre aus heutiger Sicht verfrüht.
«Schaffhausen ist ein attraktiver Standort für uns»
Planen Sie noch weitere Umstellungen des Konzerns, und wo sehen Sie für die GF zentrale Wachstumsmärkte?
Mit der Prüfung der strategischen Optionen und einem entsprechenden Entscheid bei GF Casting Solutions dürfte die Phase der grösseren strategischen Anpassungen abgeschlossen sein. Wachsen werden wir künftig mit Lösungen für Water and Flow Solutions in den Bereichen Industrie, Infrastruktur und Gebäuden.
Was hat Ihr Engagement im Flüssigkeitsmanagement für Folgen für den Schaffhauser Standort? Könnte das dazu führen, das sich hier auch andere Firmen aus diesem Bereich ansiedeln im Sinne eines Clusters?
Schaffhausen ist ein attraktiver Standort für uns. Wir arbeiten bereits heute mit verschiedenen Unternehmen in der Region eng zusammen. Auch daran wird sich nichts ändern.
Das Interview wurde schriftlich geführt.