«Dry January» am Limit: Nüchtern durchs Après-Ski-Wochenende

Mein Selbstversuch hat vergangenes Wochenende definitiv seinen Höhepunkt erreicht. Am Ski-Weekend des Turnvereins Ossingen war ich die Einzige unter 40 Leuten, die dem Alkohol fernblieb.
SN-Redaktorin Mahara Rösli macht den Selbstversuch: Einen Monat lang ohne Alkohol auskommen – wie fühlt sich das an? In diesem Dossier finden Sie alle Einträge aus der Serie «Dry January – Ein Monat ohne Alkohol».
Nein, ich habe keinen Schluck Alkohol getrunken. Ja, es war eine Herausforderung. Besonders, wenn morgens um 7.50 Uhr aus den hinteren Reihen des Reisecars das charakteristische «Pssscht» einer Bierdose zu hören ist. Und das war erst der Auftakt meiner nächsten, vielleicht härtesten, nüchternen 48 Stunden.
Während einige schon kurz nach dem Mittagessen den Après-Ski einläuteten, blieb ich tapfer auf der Piste. Mein Ziel: so lange wie möglich weit weg vom Alkohol bleiben. Erst gar nicht in Versuchung geraten. Aber ganz ehrlich, inmitten eines Turnvereins mit unersättlichem Durst – eine Herkules-Aufgabe.
Umgeben von Freunden, die einen «Fröschli»-Turm nach dem anderen leerten, hielt ich mich tapfer an meinem alkoholfreien Panaché fest. Mehrmals fragte ich mich: «Was mache ich hier? Soll ich meinen Selbstversuch abbrechen?» Dass ich dem Scheitern so nahe komme, hätte ich nicht gedacht. Zur Ehrenrettung meiner Willenskraft: Es war kurz vor 16 Uhr – und ich die letzte nüchterne Insel in einem Meer aus vierzig ausgelassenen, taumelnden Feiernden.

Je mehr Alkohol floss, desto lauter, unterhaltsamer und philosophischer wurden die Gespräche.»
Also übernahm ich, die sonst Zerstreute in der Gruppe, die «Mami-Rolle» – schaute, dass alle mit ihren sieben Sachen unfallfrei die ohnehin schon eisige Talabfahrt überleben. Das Faszinierende: Je mehr Alkohol floss, desto lauter, unterhaltsamer und philosophischer wurden die Gespräche. Ich, mittendrin, die stumme Beobachterin, die versuchte, den Überblick zu behalten – und tapfer gegen die aufkommende Fremdscham anzukämpfen.
Doch der Tag endete nicht an der Talstation. «Ab ins Tipi!», rief die Meute – eine winzige Après-Ski-Bar, die auf magische Weise doppelt so viele Menschen fasst, wie hineinpassen sollten. Na toll, dachte ich mir, zunächst unmotiviert, noch weitere 24 Stunden inmitten einer betrunkenen Gruppe zu verbringen, deren Pegel nicht so schnell wieder abflachen würde.
Zwischen Polonaise-Tänzen quer durchs Zelt und dem hundertsten ‹Sweet Caroline› auf Endlosschleife begann ich tatsächlich, mich zu amüsieren.»
Zwischen Polonaise-Tänzen quer durchs Zelt und dem hundertsten «Sweet Caroline» auf Endlosschleife begann ich tatsächlich, mich zu amüsieren. Nicht weil die Playlist besser wurde – nüchtern betrachtet war sie eine Qual –, sondern weil die Absurdität der Situation mich einnahm. Ich mittendrin, um 2 Uhr morgens, mit einem Glas Wasser in der Hand, während alle um mich herum ihre Promillewerte in die Höhe trieben.
«Nimm doch einen Schluck, sonst lohnt es sich nicht!» Diesen Satz hörte ich häufiger, als «Mama Lauda» aus den Lautsprechern dröhnte. Neben der unermüdlichen Überzeugungsarbeit, mich zum Mittrinken zu bewegen, bewiesen meine Freunde auch Mitgefühl: «Ein Wunder, dass du noch hier bist. Das Wasser geht auf mich!» So stand ich dort, liess mich von der guten Stimmung mitreissen – und fühlte mich irgendwann selbst, als hätte ich mehrere Tassen «Fröschli» getrunken.
Am nächsten Morgen zeigte sich der wahre Triumph meines Selbstversuchs: Während sich meine Mitstreiter mit brummenden Schädeln mühsam aus den Betten quälten, erwachte ich, als hätte ich zehn Stunden Schlaf abgekriegt.
Und – auch wenn ein Dry January am Ski-Weekend wie eine Mission Impossible klingt, hat es mir gezeigt: Ich kann auch ohne Promille jede Menge Spass haben.