«Es geht nicht nur ums Geld» – warum Frauen in Lohngesprächen anders verhandeln und wie sie ihren Wert durchsetzen können

Frauen gehen Gehaltsverhandlungen oft anders an als Männer – nicht weil sie sich weniger zutrauen, sondern weil für sie mehr als nur der reine Lohn eine Rolle spielt. Homeoffice, flexible Arbeitszeiten oder Jobsharing sind für viele essenziell, da Frauen nach wie vor den Grossteil der Care-Arbeit übernehmen. Arbeits- und Organisationspsychologin, Coach und Organisationsentwicklerin Corinne Schacher gibt wertvolle Tipps für ein erfolgreiches Lohngespräch.
Neigen Frauen dazu bei Gehaltsverhandlungen bescheidener aufzutreten? Corinne Schacher sieht das differenzierter. Sie ist Beraterin für Personalentwicklung, Führung und Organisationsentwicklung und sagt: «Es geht nicht nur um Bescheidenheit, sondern darum, dass Frauen neben dem Lohn viele weitere Aspekte hoch gewichten. Gerade bei Familienfrauen ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein relevanter Aspekt. Frauen übernehmen allgemein nach wie vor den Grossteil der Care-Arbeit.»
Deshalb sind für viele Frauen nicht nur Zahlen auf der Lohnabrechnung, sondern auch Zusatzleistungen wie Teilzeitmodelle, Homeoffice oder Work-Life-Balance entscheidend. Auch die Teamzusammensetzung und das Arbeitsklima spielen eine grössere Rolle. «Nicht nur das Gehalt ist entscheidend – das Gesamtpaket muss stimmen.»
Verankerte Rollenbilder
Dass Frauen bei einem Lohnverhandlungsgespräch mehrere Faktoren einbeziehen, ist laut Schacher nicht nur individuell bedingt, sondern hat auch systemische Ursachen. «Auch bei uns in Schaffhausen gibt es noch keine allumfassende Lösung für eine durchgehende Familienbetreuung», sagt sie. Gleichzeitig seien stereotype Rollenbilder noch tief verankert – der Mann ist oft in der Rolle des Brotverdieners für die Familie. «In gewissen Branchen ist es für Männer noch immer schwierig, Teilzeit zu arbeiten und sie werden mit diesem Anspruch sogar teilweise sogar belächelt» Um solche veralteten Muster zu durchbrechen, sei mehr Offenheit gefragt – sowohl in der Gesellschaft als auch in den Unternehmen. Strukturen wie Jobsharing, Teilzeitmöglichkeiten für Führungskräfte und flexibles Arbeiten können helfen, neue Standards zu etablieren.
Auch innerhalb von Partnerschaften sollten traditionelle Rollenbilder hinterfragt werden. «Frauen müssen klar kommunizieren, was ihnen wichtig ist – die Aufteilung von Berufs- und Care-Arbeit sollte aktiv besprochen werden – das bildet auch die Grundlage für eine erfolgreiche Lohnverhandlung.»
Risikobereitschaft erhöhen
Eine zielgerichtete Kommunikation hilft nicht nur im Privatleben, sondern auch in der Arbeitswelt. Schliesslich sind Gehaltsverhandlungen ein selbstverständlicher Bestandteil des Berufslebens.
«Hier hilft ein Mindset-Shift: Verhandlungen sind nicht immer planbar – man muss lernen, das Ungewisse auszuhalten und risikobereit zu sein. Wer eine gewisse Gelassenheit entwickelt, führt oft die besseren Gespräche.»
Die richtige Vorbereitung: Eigene Bedürfnisse klären
Eine erfolgreiche Gehaltsverhandlung beginnt lange vor dem eigentlichen Gespräch. «Überlegen Sie sich zuallererst, was Ihnen Freude bereitet, welches Ihre Bedürfnisse sind und wo Ihre Kompetenzen liegen», rät Schacher. Klarheit über die eigenen Wünsche und Fähigkeiten hilft, eine zielgerichtete Strategie zu entwickeln und sich nicht unter Wert zu verkaufen.
Den eigenen Mehrwert festlegen
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist es, den eigenen Mehrwert für das Unternehmen herauszuarbeiten. «Durch diesen Perspektivenwechsel können Sie Ihr Gegenüber im Lohngespräch abholen. Dadurch treten Sie nicht nur als Bittstellerin auf, sondern können klar vorweisen, welchen Mehrwert Sie dem Unternehmen bieten.»

Auch das Vergleichen des eigenen Gehalts mit branchenüblichen Standards ist essenziell. «Hier hilft Benchmarking: Indem Sie Ihr Gehalt mit Branchenstandards und vergleichbaren Positionen abgleichen, erhalten Sie eine fundierte Basis für Ihre Forderung.» Gehaltsstudien, Onlineportale oder der Austausch im Netzwerk sind dafür wertvolle Informationsquellen.
Das Alleinstellungsmerkmal ausarbeiten
«Werden Sie sich Ihrer Stärken, Kompetenzen und Alleinstellungsmerkmals bewusst – so stärken Sie Ihre eigene Position», sagt Schacher. Ein klar definiertes Alleinstellungsmerkmal hilft, gezielt Argumente zu setzen und die Verhandlung aktiv zu steuern. «So können Sie Fragen stellen und wirkungsvolle Argumente anbringen, die auch die Vorteile für Ihr Gegenüber herausarbeiten.»