Dieser Verein ist seit 25 Jahren Schaffhausens Tech-Turbo
Das Industrie- & Technozentrum Schaffhausen (ITS) hat den Auftrag, die Unternehmen in der Region zu unterstützen – und zwar insbesondere, wenn es um Technologie oder Innovation geht. Geboren als Reaktion auf die Wirtschaftskrise Ende der 90er-Jahre, ist sie nach wie vor eine Stütze für lokale KMU, sagt Geschäftsführer Marco Jaggi im Interview.
Was ist der grösste Erfolg des ITS in den 25 Jahren seines Bestehens?
Marco Jaggi: Ein grosser Erfolg ist sicher, dass es das ITS, das aus einer Idee während der Wirtschaftskrise entstanden ist, immer noch gibt. Die grösste Befriedigung in unserer Arbeit empfinden wir dann, wenn wir es geschafft haben, ein Unternehmen – sei dies durch Kontakt- oder durch Coaching-Vermittlung – spürbar vorwärts zu bringen und dadurch ein neues Produkt entstanden ist oder eine Firma einen passenden Partner gefunden hat. Sprich: Wenn wir einen fassbaren Impact unserer Arbeit auf den operativen Erfolg einer Firma sehen.
Welches war die grösste Veränderung in der Industrie- und Technologiebranche in den letzten 25 Jahren?
Jaggi: Die grösste Veränderung ereignete sich sicher in der Geburtsstunde des ITS, in den 1990er-Jahren, als die klassisch produzierende Schwerindustrie aus Schaffhausen abwanderte und es zu einem grossen Strukturwandel kam. In den letzten Jahren waren dies die Entwicklungen im Bereich Automatisierung und Digitalisierung – eine Entwicklung, die immer noch in grossen Schritten voranschreitet, wobei sich der Produktionsbereich schneller als der Prozessbereich ausbildet.
Ist Schaffhausen Ihrer Ansicht nach immer noch ein Industriekanton?
Jaggi: Ja, das ist seit jeher die Wirtschafts-DNA unseres Kantons, aber die Struktur ist diverser geworden. Seit den 90er-Jahren haben sich die spezialisierten, qualitativ hochwertigen Metall- und Kunststoffverarbeiter gut entwickelt. Hightech-Unternehmen sind entstanden oder zugewandert, auch der Anteil kleinerer Unternehmen hat zugenommen. Der Anteil an Unternehmen im digitalen Bereich, vor allem im Soft- und Hardwarebereich wächst. Hält die aktuelle Entwicklung an, bin ich überzeugt, dass Schaffhausen auch in 25 Jahren noch ein wichtiger Industriestandort sein wird.
Welche Schwerpunkte setzen Sie in Ihrer Arbeit?
Jaggi: Einen Schwerpunkt legen wir auf das neue Förderinstrument des Innovationsnetzwerks Ostschweiz (INOS), das uns seit zwei Jahren erlaubt, Unternehmen noch direkter in ihren innovativen Vorhaben im Betrieb unterstützen zu können, zum Beispiel mittels Coaching oder mit Kooperationsprojekten. Beim Coaching kann ein Betrieb bis zu 55 Stunden kostenlose Technologie- und Innovationsexpertise beziehen. Sei dies durch einen Coach, der das Unternehmen durch seine Innovationsprozesse begleitet oder spezifisch mittels inhaltlicher Fachexpertise. Dieses hilfreiche Angebot versuchen wir bekannt zu machen und momentan läuft es richtig gut. Der Erfolg gibt diesem schweizweit einzigartigen Förderinstrument recht: Die Anzahl an vermittelten Projekten steigt, wie auch die dadurch erzielten, erfolgreichen Abschlüsse.
Wie entwickelt sich das Interesse an technischen Berufen?
Jaggi: In den letzten Dekaden bekamen die technischen Berufe leider verstärkt Konkurrenz durch andere Berufe, vor allem aus dem Dienstleistungssektor. Es wurde für Industriefirmen immer anspruchsvoller, Mitarbeitende zu finden – sei dies für die Berufslehre oder als ausgebildete Fachkräfte. Zudem leiden heute gerade Berufe im produktionsnahen Umfeld unter einem Mangel an Bekanntheit, falschem Image oder einem zu geringen Bewusstsein für die Wichtigkeit solcher Berufe. Aus diesem Grund ist es zentral, dass Industrieunternehmen genügend Ressourcen aufwenden, um jungen Menschen aufzuzeigen, was für attraktive Berufe sie anzubieten haben.
Ist dieses Problem der fehlenden Fachkräfte allein der Industrie anzulasten?
Jaggi: Nicht nur. Erschwerend kommt hinzu, dass technisch ausgebildete Fachkräfte nach einer Weiterbildung oft in einen Betriebswirtschafts- oder Führungsbereich wechseln und so verloren gehen. Um da Gegensteuer zu geben, sind neben den Unternehmen auch Berufsverbände gefragt, ebenso Organisationen wie die Industrievereinigung Schaffhausen (IVS) oder der Kantonale Gewerbeverband (KGV).
Die von aussen sichtbarste Tätigkeit sind die ITS-Anlässe. Wie haben sich diese über die Jahre verändert?
Jaggi: Ich würde sagen, dass sich die Veranstaltungslandschaft ganz generell verändert hat, verstärkt noch durch Corona. Die Anzahl Veranstaltungen hat zugenommen, trotz aller digitalen Kanäle. Dies, da der persönliche Kontakt, der an physischen Anlässen möglich ist, zunehmend an Bedeutung gewinnt. Aufgrund des grossen Veranstaltungsangebots ist es anspruchsvoller geworden, Leute für einen Anlass zu mobilisieren. Aus diesem Grund wählen wir immer sehr spezifische Themen aus mit dem Ziel, dass die Teilnehmenden einen direkten Geschäftsnutzen mit nach Hause nehmen können. Mit diesem Konzept ist die Besucherzahl im Vergleich zu vor zehn Jahren zwar eher etwas zurückgegangen, dafür treffen sich an den Anlässen vermehrt Leute mit denselben Interessen, was wiederum einen Mehrwert fürs Networking bietet.
Wie finanziert sich das ITS?
Jaggi: Einerseits aus der Privatwirtschaft (40 Prozent), das heisst aus Mitglieder-, Gönner- und Sponsorenbeiträge, sowie allen Eigenleistungen durch eingesetzte Kapazitäten der Firmen, andererseits bekommen wir Kantons- und Bundesbeiträge (je 30 Prozent). Diese Finanzierung und unsere Vereinsstruktur sind in der Förderlandschaft einzigartig, in den meisten anderen Kantonen kommt die Förderung einfach direkt aus der öffentlichen Hand. Ich glaube jedoch stark an die Vereinsstruktur, die den Gedanken einer Partnerschaft aus Public und Private ausdrückt. Denn wenn sich die Unternehmen auch finanziell und personell beteiligen, bleibt man viel stärker mit der Basis verwurzelt.
Wie hat sich das Engagement der Privatwirtschaft in den letzten Jahren entwickelt?
Jaggi: Die Anzahl Mitglieder und Sponsoren ist über die Jahre stetig gestiegen. Heute haben wir 50 Mitglieder, womit das Potential aber noch nicht ausgeschöpft ist. Um weiter zu wachsen, vor allem aber auch um unseren Mitgliedern einen zusätzlichen Mehrwert bieten zu können, haben wir unser Mitgliederangebot ganz neu aufgestellt. So bieten wir nun auch Angebote an, die es Mitgliedern erlauben, neben unserem Grundangebot individuelle, spezifische Unternehmensunterstützungen bei uns zu beziehen.
Was sind Ihre Pläne und Visionen für die nächsten 25 Jahre?
Jaggi: Dass es uns auch in 25 Jahren noch geben wird. Solange wir unseren Auftrag erfüllen können, die regionalen Unternehmen im Bereich der Innovationsförderung und Technologievermittlung erfolgreich zu unterstützen, so lange wird es uns geben und daran arbeiten wir. Dies ist ein sich dauernd wandelnder Prozess, bei dem es wichtig ist, in Bezug auf die Formatform, wie natürlich auch auf die Themenwahl, immer à jour zu bleiben.
Und wie sehen diese aktuellen Themen momentan aus?
Jaggi: In naher Zukunft erachten wir Themen an der Schnittstelle von Digitalisierung und physischer Automatisierungstechnologie als zentral, ebenso wie Themen rund um die Schnittstelle zwischen menschlichen und maschinellen Fähigkeiten. Eine der wichtigsten Ressourcen ist der «Faktor Mensch». Wie motiviert, unterstützt und entwickelt man Mitarbeitende bestmöglich weiter? Natürlich beschäftigen wir uns zudem auch mit der Frage, wie die «Fabrik der Zukunft» aussehen kann unter Einbezug von Faktoren wie beengte Platzverhältnisse, Automatisierung und Spezialisierung.