«Plötzlich ist da so viel Leben»
Um rund hundert Kaninchen kümmert sich derzeit Züchter Hugo Maurer. Und es kommen in den nächsten Wochen noch einige dazu.
Was bitte gibt es Knuddeligeres als so ein Baby-Kaninchen? Weiches Fell, Knopfaugen, und wie sich erst das Näschen bewegt. Und so stehen Journalistin, Fotografin und Filmerin um ein Gehege, in dem sich kleine Zwergwidder im Stroh tummeln, und verfallen abwechselnd in: «Jö, sind die süss», «Schau mal, wie niedlich», «Die Öööhrchen.» Hugo Maurer steht daneben, die Miene ungerührt. Auf seiner Jacke prangt das Zeichen des Kleintierzüchtervereins Marthalen. Er kennt dieses Spektakel schon zu gut. Jeder, der seinen Stall betritt, wo sich ein Käfig an den nächsten reiht, reagiert ähnlich. «Frauen wie Männer», sagt er knapp. Rund hundert Kaninchen umsorgt er derzeit in und hinter dem Stall, der an sein Haus in Uhwiesen grenzt. Alle haben sie Hängeohren, wie bei den Widderarten üblich. Die haben es Maurer angetan, weil sie «die liebsten Tiere sind, die es gibt».
Etwa 60 davon sind Jungtiere. Da gibt es solche, die wie kleine Schneebälle aussehen, ihr Fell ist fluffig und weiss. Andere sind schwarz und haben einen rostbraunen Bauch. «Lohfarben sagt man da», erklärt Maurer und holt aus einem Stall daneben ein braunes Kaninchen, das gerade mal ein paar Wochen alt ist. Draussen setzt er es kurz für ein Foto ins Gras. «Eigentlich ist es jetzt noch zu nass», sagt der 66-Jährige. Man müsse aufpassen, dass die Tiere keine Krankheiten bekämen. Also rubbelt er anschliessend die Pfoten und den Bauch des Kaninchens mit einem weichen Handtuch trocken. Danach sieht der kleine Kerl etwa so aus, als wäre er in einen Sturm geraten.
Schon als Kind hielt er Kaninchen
Maurer, der lange für den Kanton eine leitende Position im Strassendienst innehatte und heute pensioniert ist, hat eine besondere Beziehung zu seinen Tieren, irgendwie ganz unaufgeregt und doch liebevoll. Als Bauernsohn war er in der dritten Klasse, als er seine ersten Kaninchen hielt. Mit der Rassenzucht hat er schliesslich Ende der 1960er begonnen. Damals haben es ihm die Belgischen Riesenwidder – die Männchen können bis zu zwölf Kilo schwer werden – angetan. Denn süss hin oder her: «Ich schau bei der Rassenwahl schon auch auf den Fleischgewinn.» Maurer ist ausgebildeter Metzger, dementsprechend schlachtet er einen Teil seiner Kaninchen. Aus dem Fleisch macht er Rollbraten oder Würste bis hin zu so etwas wie McNuggets, die er auch gerne einmal an Nachbarn verschenkt. Ansonsten verkauft er die Langohren als Haustiere oder – und das ist Maurers Leidenschaft – präsentiert sie auf Ausstellungen. Dabei hat er schon einige Preise gewonnen. Er ist Mitglied des schweizerischen Französisch-Widder-Klubs sowie im Vorstand der Gruppe Schaffhausen.
Sie kennen seinen Geruch
Gerade öffnet Maurer einen der oberen Käfige, und als könnte der Jö-Effekt nicht schon gross genug sein, schliessen sich seine beiden Hände – wie ein Nest – um ein kleines nacktes Etwas mit schmalen Ohren und bereits beachtlich langen Beinen. «Diese Jungen sind jetzt vier Tage alt. Die Augen sind noch zu.» Wenn die Kleinen noch so jung sind, soll man sie eigentlich nicht anfassen. Die Zibben können dann vom Menschengeruch irritiert sein, und es besteht die Gefahr, dass sie sich nicht mehr um die Kleinen kümmern. Doch bei Maurer geht das in Ordnung. «Ich bin ständig um sie rum, die Weibchen kennen meinen Geruch», sagt er.
Tierische Frühlingsgefühle
Die Rammler hält er hinter dem Stall, möglichst weit weg von den Zibben. Denn auch deren Geruch könnte die Weibchen verwirren, wenn auch in einem etwas anderen Sinne: Über die Frühlingsgefühle könnte es sein, dass sie ganz vergessen, ihre Kleinen zu säugen. Einen Monat bevor die Jungen auf die Welt kommen sollen, setzt Maurer die Rammler zu den Weibchen. Die Tragzeit beträgt 28 bis 31 Tage. Die Zibbe baut dann ein Nest aus Stroh und Fell. Bei der Geburt muss man ihr nicht helfen, das läuft mehr oder weniger von allein. «Aber man muss schon nach ihnen schauen», sagt er, «es gibt auch Totgeburten, oder manchmal liegt ein Junges nicht im Nest und könnte erfrieren.» Vier bis zehn Kleine hat ein Wurf.
Wenn Maurer einmal in Urlaub fährt, dann kümmert sich seine Nachbarin mit ihren Kindern um die Tiere. Dazu gehört auch noch ein grosses vergittertes Gehege mit rund 50 Entenvögeln. Die Tochter der Nachbarin hat sich von Maurers Leidenschaft zu Kleintieren anstecken lassen. «Sie züchtet jetzt auch», sagt die Mutter. Maurer freut das. «Das ist eben schön, plötzlich ist da so viel Leben», sagt er. Und welcher davon ist jetzt der Osterhase? Maurer überlegt, schaut sich kurz im Stall um, dann sagt er unter Lachen: «Mal schauen, welcher Zeit hat.»