Eltern schultern die Räbeliechtlitradition

Zeno Geisseler | 
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Solche Szenen sollte man dieses Jahr in Schaffhausen nicht sehen. Die Kindergärtnerinnen wollen die Räbeliechtliumzüge ausfallen lassen. Doch sie haben die Rechnung ohne die Eltern gemacht. Bild: Key

Weinende Kinder, wütende Eltern: Der Boykott der Kindergartenlehrkräfte gegen den Räbeliechtliumzug kommt gar nicht gut an. Die Eltern organisieren den Anlass nun selbst.

Weil sie eine Entlastungsstunde bis heute nicht erhalten haben, lassen die Lehrkräfte der Schaffhauser Kindergärten dieses Jahr den Räbeliechtliumzug sausen. So wollen sie ein Zeichen setzen (SN von vorgestern). Der Lehrerverein hofft, «dass die Eltern die Massnahme akzeptieren und mittragen», wie es in einem Schreiben heisst.

Akzeptieren? Mittragen? Auf Facebook und in Onlinemedien wird das Thema kontrovers diskutiert. «Entlastungslektion? Der Kindergarten hat doch schon freie Nachmittage et cetera. Wo liegt das Problem?», schreibt etwa User «FaBe» auf «20 Minuten». Andere Kommentatoren führen ins Feld, dass die Kindergärtnerinnen 13 Wochen Ferien hätten und für ihre Arbeit gut verdienten. Viele können die Forderungen der Lehrpersonen aber nachvollziehen. «Ich wünsche allen unseren engagierten und unterbezahlten Kindergartenlehrpersonen zwei wohlverdiente, gemütliche Novemberabende ohne unbezahlte Arbeit», schreibt Niels Jungbluth in der Facebook-Gruppe «Du bist ein Schaffhauser, wenn …».

Bei allem Verständnis für die Forderung sind sich die Onlinekommentatoren mehrheitlich einig, dass es der falsche Weg sei, die Umzüge zu streichen und so die Kinder zu Leidtragenden zu machen.

«Wir Mamis ziehen es selber durch! Wir können singen, schnitzen, Tee und Wienerli kochen.»

Annina Häfliger, Mutter, auf Facebook

Wienerli selber kochen

Ganz gestorben sind die Räbeliechtliprozessionen aber nicht: Eltern und Quartiervereine sind daran, eigene Umzüge auf die Beine zu stellen. «Wir Mamis ziehen es selber durch!», schreibt etwa Annina Häfliger auf Facebook. «Wir können singen, wir können schnitzen, wir können Tee und Wienerli kochen, mehr braucht es nicht, wir freuen uns auf glückliche und glänzende Kinderaugen.» Auch Chantal Silberschmidt-Muriset aus Buchthalen ist tätig geworden. «Wir ­organisieren das jetzt einfach selbst», sagt sie den SN: «Wir sind drei Mamis von drei Chindsgis und haben uns getroffen, um zu besprechen, wie es weitergehen soll.»

Ursprünglich war geplant, dass die Buchthaler Kinder am 7. November singend durch die dunklen Strassen ziehen sollen. Am Datum würden sie festhalten, sagt sie, denn die Eltern hätten sich diesen Abend ja sowieso schon freigehalten.

Sie seien nun im Gespräch mit dem Quartierverein, um herauszufinden, wie und wo der Anlass durchgeführt werden könne. Möglich sei etwa, dass die Kinder sich bei ihrem Sternmarsch dieses Mal nicht auf dem Lindenplatz einfänden, sondern an einem anderen Ort. Unklar ist auch noch, wo die Rüben geschnitzt werden. Traditionell wären die Väter in den Kindergarten gegangen, um die Rüben dort zu verzieren. Denkbar sei es nun, das die ­Väter im Hofackerzentrum zusammenkämen oder dass die Kinder die Rüben einfach mit nach Hause nähmen.

«Kinder haben geweint»

«Wir verstehen die Kindergärtnerinnen», sagt Chantal Silberschmidt-Muriset, «wir sind auf ihrer Seite und können es nachvollziehen, dass sie ein Zeichen setzen wollen.» Es sei allerdings schade, dass dies auf dem Buckel der Kinder geschehe. «Die Kinder haben geweint, als sie hörten, dass der Umzug abgesagt ist.» Sie würden ja auch die Umstände nicht begreifen.

«Wir hätten es zumindest schön gefunden, wenn die Eltern schon früher einbezogen worden wären», sagt Silberschmidt-Muriset. «Jetzt bleibt uns nur wenig Zeit, um etwas zu organi­sieren.»

Bereits fix einen alternativen Räbeliechtliumzug gibt es auf der Breite. Der dortige Quartierverein organisiert seit Jahren jeweils einen eigenen Umzug, der heurige ist für den 8. November geplant.

«Normalerweise bestellen wir so um die 60 Rüben und 100 bis 120 Brötli in der ‹Breitenau›», sagt Julia Blum vom Quartierverein Breite. «Dieses Jahr werden es wohl etwas mehr sein. Uns haben schon diverse Eltern gesagt: ‹Wenn der Umzug der Kindergärten ausfällt, dann kommen wir halt an den des Quartiervereins.›»

Herblingen ist auf Standby

Abwarten will vorderhand hingegen der Quartierverein Herblingen. Dort war der Räbeliechtliumzug für den 8. November geplant, und zwar zusammen mit den sechs Kindergärten des Quartiers.

«Wir sind jetzt on hold», sagt Vorstandsmitglied Dagmar Knoblauch. Sie ist für die Organisation des Umzugs zuständig. «Für das Quartier ist der ­Räbe­liechtliumzug ein wichtiger Anlass», sagt sie. «Es kommen Kinder mit ihren Geschwistern, aber auch Eltern und Grosseltern. Es gibt viele Familien mit Migrationshintergrund.» Etwa 400 Paar Würstli würden sie jeweils ­absetzen, viele davon ohne Schweinefleisch. Acht bis zehn Leute des Quartiervereins würden jeweils ehrenamtlich im Einsatz stehen.

«Wir wären nach wie vor bereit, den Anlass zu organisieren, aber wir müssen bald wissen, ob wir nun die Sachen bestellen und die Leute aufbieten sollen», sagt sie. So bis Ende Woche, spätestens aber Anfang nächster Woche müssten sie wissen, ob der Anlass vielleicht doch noch durchgeführt werde – von den Lehrkräften gibt es ­allerdings keine entsprechenden Zeichen.

Dass der Räbeliechtliumzug wegen politischer Forderungen gestrichen wird, ist übrigens keine Schaffhauser Erfindung: Laut «20 Minuten» sagten die Lehrkräfte im aargauischen Untersiggenthal den Anlass letztes Jahr ab, weil sie an einer Protestkundgebung gegen das Sparen teilnahmen. Und wie jetzt in Schaffhausen übernahmen auch damals im Aargau die Eltern die Organisation des Anlasses.

 

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