Schaffhauser Unternehmer Luca Michas mischt den Markt für Babynahrung auf

Kay Fehr | 
Lesenswert
Noch keine Kommentare
Angefangen hat es mit Eiern auf dem Emmersberg. Den Lebensmitteln ist Luca Michas treu geblieben, sein Unternehmen Yamo produziert Babynahrung. Bild: Melanie Duchene

Mit seinem Start-up Yamo mischt der Schaffhauser Unternehmer Luca Michas den Markt für Babynahrung auf. Warum er trotz eines veganen Selbstversuchs gerne noch Steaks isst und wie er es schaffte, aus einer Abwärtsspirale zu entkommen.

Seine ersten unternehmerischen Erfahrungen hat er auf dem Emmersberg gesammelt. «Etwa als 10-Jähriger habe ich begonnen, Eier zu verkaufen auf meiner wöchentlichen Tour durch das Quartier», erzählt Luca Michas. «Ich bin mit einem Freund zu einem Bauern gegangen, wir haben ihm Eier für 45 Rappen pro Stück abgekauft und diese für 55 Rappen weiterverkauft.» Gewinn habe das kaum gemacht, aber durch das grosszügige Trinkgeld habe es sich auf jeden Fall gelohnt – Sackgeld hat er nämlich kaum gekriegt. Das wirtschaftliche Denken war bei Luca Michas dafür schon früh vorhanden.

Auch als er an der Kantonsschule war, schrieb er Kurse für Sekschüler aus und gab praktisch dem halben Gega-Schulhaus Nachhilfe. «Ich habe gelernt, zu sparen und weiss, dass alle Dinge einen Wert haben.» Er opferte seine Zeit und verdiente im Gegenzug Geld. «Ich glaube, diese Erfahrungen haben mich geprägt», sagt Michas.

Der 36-jährige Unternehmer startet mit Baby- und Kindernahrung grade voll durch. Das Start-up Yamo hat seinen Sitz in Zug, er selbst wohnt in Zürich. Und doch zieht es ihn immer wieder in den Norden, nach Schaffhausen, wo er geboren und aufgewachsen ist. «Die Stadt ist gross genug, dass sie keine verschlafene Kleinstadt ist, aber auch klein genug, damit man nicht in der Anonymität untergeht.» Der Rhein und die Nähe zur Natur seien ihm immer wichtig gewesen. «In Zürich wissen sie nicht einmal, was ein Weidling ist.» Jedes zweite Wochenende ist er hier, wenn möglich; als Co-Gründer von Yamo hat er viel zu tun, auch wenn er mittlerweile gelernt hat, Aufgaben zu delegieren.

Idee dank veganem Selbstversuch

Nach der abgeschlossenen Kanti studierte er an der Universität Zürich Medien- und Kommunikationswissenschaften im Haupt-, und Betriebswirtschaftslehre und Marketing im Nebenfach. Zeitgleich arbeitete er in einer Werbeagentur. Sein Umzug in die grösste Stadt der Schweiz war somit der nächste logische Schritt. Er schaffte seinen Abschluss und war fortan im «Brand Management», also in der Markenführung, für Sodastream und Campari tätig. Beim italienischen Getränkehersteller arbeitete er unter anderem mit seinem späteren Geschäftspartner Tobias Gunzenhauser zusammen. «Unsere Köpfe waren voller Ideen, die wir uns – zum Spass – gegenseitig vorgestellt und präsentiert haben», erzählt Michas. Der Mut, tatsächlich ein Start-up zu gründen, fehlte aber noch.

Zur Person

Luca Michas, wurde 1986 als Sohn eines Griechen und einer Schweizerin in Schaffhausen geboren. Er studierte nach abgeschlossener Kanti an der Universität Zürich Medien- und Kommunikationswissenschaften im Hauptfach und Betriebswirtschaftslehre und Marketing im Nebenfach. Parallel zum Studium arbeitete er bei einer Werbeagentur und war nach dem Abschluss bei Sodastream und Campari angestellt. Gemeinsam mit Tobias Gunzenhauser und José Amado-Blanco gründete er 2017 das Start-up Yamo, welches Baby- und Kindernahrung mittels speziellen Verfahrens herstellt. Luca Michas ist ledig und wohnt in Zürich.

Das änderte sich, als eine ihrer Ideen einige Monate später tatsächlich ganz ähnlich realisiert wurde. «Wir haben gemerkt: Es gibt Leute mit guten Ideen, die diese dann auch umsetzen, und nicht nur darüber reden.» Ihr Unternehmergeist war geweckt, und eine andere gute Geschäftsidee liess nicht lange auf sich warten. Ende 2015 strahlte SRF eine Dokumentation über vegane Ernährung aus. Für Michas der Ansporn zu einem Selbstversuch: einen Monat vegan leben. «Ich bin ein neugieriger Mensch, der gerne Sachen ausprobiert.» Einfach gestaltete es sich nicht, es gab damals kaum pflanzenbasierte Produkte, wie sie mittlerweile die Regale der Detailhändler füllen. Viel öfter als früher las Michas die Zutatenliste von Produkten und war überrascht, was in ihnen enthalten war. «Ich habe einige Currysaucen gekauft, nur um festzustellen, dass sie Fischöl enthalten – für meinen veganen Selbstversuch konnte ich sie also vergessen.» Auch andere Produkte mit Zucker und Konservierungsstoffen stiessen dem Jungunternehmer sauer auf. Aus Jux kaufte er mit Gunzenhauser an einer Tankstelle Babynahrung; das müsse ja das Gesündeste sein, was es auf dem Markt gibt, dachten sie. Doch weit gefehlt: Zuckerzusätze, Ascorbinsäuren und E-Nummern dominierten die Zutatenliste. «Was uns am meisten einfuhr, war die Haltbarkeit. Die ‹Gläsli› mit dem Babybrei können über fünf Jahre aufbewahrt werden.» Somit sei die Nahrung älter als das Baby, welche sie schlussendlich isst.

Neues Verfahren: besser aber teurer

Die Nachfrage bei einem Ernährungswissenschaftler ergab, dass sich die Produkte seit über 50 Jahren nicht geändert hätten, obwohl es mittlerweile bessere wenn auch teurere Verfahren gebe. «Hier könnte man einiges besser machen – und genau das wollten wir versuchen.» So holten Michas und Gunzenhauser den Ernährungswissenschaftler José Amado-Blanco an Bord und sondierten den Markt. 50 Eltern hatten sie interviewt und daraus zwei Aspekte mitgenommen: Zum einen sei es für das Kind wichtig, dass es ihm schmeckt und dass es auch die Zutaten rausschmecken kann, zum anderen würden die Eltern sehr viel Wert auf die Nährstoffe legen. «Auf Englisch kann man sich das gut merken: ‹delicious and nutritious› – also köstlich und nahrhaft», erklärt Michas. Dazu komme auch das Thema Annehmlichkeit. «Die Eltern schätzen die bestehenden Produkte im Handel, weil sie dann nicht ständig kochen müssen.» Aber auch sie störten sich, wie die drei Jungunternehmer, an der Zutatenliste. Ein Bedürfnis nach frischer und trotzdem praktischer Babynahrung war definitiv vorhanden – daraufhin gründeten sie in 2017 zu dritt das Start-up Yamo.

«Das erste Mal leer schlucken musste ich, als ich nach anderthalb Jahren wieder zu meinem Vater ziehen musste.»

Der Name Yamo ist eine Kombination aus «Yummy» (Englisch für «Lecker») und «Amo» (Italienisch für «Ich liebe»). «Es war die erste frische Babynahrung in Europa», sagt Michas stolz. Mittlerweile haben sie auch Produkte für etwas ältere Kinder im Angebot. «Besonders für Zmorge, Znüni und Zvieri greifen viele Eltern auf Snacks zurück, und da gibt es oft nicht viele gesunde Möglichkeiten.» Das allererste Produkt war, noch vor der eigentlichen Firmengründung, ein Bananen-Gemüse-Püree, in viel zu grosse, durchsichtige Beutel abgepackt. «Damals gab es in der Schweiz nur eine Anlage, die das Hochdruckverfahren (siehe Zweitstoff) durchführen konnte. Wir hatten noch keine eigene Verpackung», erinnert sich Michas. Mit diesen Beuteln voller Püree gingen die Gründer zu verschiedenen Kitas und liessen die Kinder dort probieren. Denen schmeckte es offenbar, und die Kita-Leiterinnen waren ebenfalls überzeugt. Sie kauften die ersten Yamo-Produkte. «Der allererste Verkauf war sogar in Schaffhausen; die Schwester eines Kollegen von mir hat uns die erste Box abgekauft.»

Mit dem Erfolg kam grosser Druck

Yamo ist aktuell in sechs Ländern aktiv: Neben der Schweiz, Deutschland und Österreich auch in Belgien, Spanien und Portugal. Weitere Länder sollen noch dieses Jahr hinzukommen, welche, darf Michas aber noch nicht verraten. Auch in grösseren Coop-Filialen gibt es einige Yamo-Produkte, diejenigen im Kanton Schaffhausen sind dafür aber zu klein.

Mittlerweile beschäftigen sie 40 Mitarbeitende und sind im ersten Quartal dieses Jahres im Vergleich zum letzten um 400 Prozent gewachsen. Genaue Zahlen gibt Michas nicht preis; Betriebsgeheimnis. Finanziert wird das Start-up von Investoren, die an die Idee von Michas, Gunzenhauser und Amado-Blanco glauben. Etwa drei Viertel des Umsatzes wird online generiert.

Dass sich Yamo aktuell in einer komfortablen Lage befindet, ist nicht selbstverständlich. Viele Start-ups überleben die ersten Jahre nicht, verschiedene Quellen sprechen von 70, 80 oder gar über 90 Prozent der neu gegründeten Unternehmen, die wieder Konkurs gehen. «Wir waren uns des Risikos bewusst», sagt Michas, «wir haben unsere alten Jobs aufgegeben und unser Erspartes in die Firma gesteckt.» Das erste Jahr bei Michas lief dank der Anfangseuphorie gut. «Das erste Mal leer schlucken musste ich, als ich nach anderthalb Jahren ohne Lohnauszahlung wieder zu meinem Vater in die Wohnung ziehen musste. Ich hatte kein Geld mehr auf dem Konto», erinnert sich Michas. Dann erst nahmen sie Kontakt zu Investoren auf, welche Geld in das noch junge Unternehmen steckten. «Den enormen Druck, der dadurch entsteht, habe ich unterschätzt. Nicht mehr wir alleine bestimmten, wie schnell es vorwärtsgeht, sondern die Investoren reden auf einmal mit und wollen Ergebnisse sehen.» Plötzlich war das Vorhaben keine romantische Idee von drei Freunden mehr – plötzlich ging es um viel Geld und Verantwortung. Düstere Wolken zogen auf, es war die schwierigste Phase für Michas: «Findungsphase» nennt er es. Andere würden wohl bereits von einem Burn-out sprechen. «Ich musste lernen, mit dem steigenden Druck umzugehen. Eine Zeit lang habe ich kaum geschlafen», erzählt er. Fristen schwebten wie Damoklesschwerter über seinem Kopf. Er hatte die undankbare Aufgabe, sich um technische Themen kümmern, in denen er sich nicht auskannte. «Ich hinterfragte, ob mir dieses Abenteuer noch Spass macht oder ob ich mir etwas eingeredet habe.» Er fiel in eine Negativspirale, malte schwarz, zweifelte an seinen Fähigkeiten, überlegte sich gar, aus dem Unternehmen auszuscheiden. «Ich war fast ausgebrannt, noch bevor Yamo so richtig durchstartete.» Aus dem Tief gefunden hat er durch enge Freunde, seine Familie und seine Mitgründer. Es war ein Reinwachsen in diese neue Rolle, der Druck wurde nämlich nicht weniger, im Gegenteil: «Er hat sich bestimmt verzehnfacht», so Michas. Aber er könne jetzt damit umgehen und Aufgaben auch delegieren. «Ich habe gelernt, wo meine Grenze ist, und konnte mit dieser Grenze mitwachsen.»

Der «Choc Norris» im Regal

Luca Michas ist bei Yamo verantwortlich fürs Marketing, den Webshop und das Portfolio-Management. Dass die Produkte von Yamo kreative Namen wie «Inbanana Jones», «Berry Poppins» oder «Choc Norris» haben, ist ihm zu verdanken. «Wir wollten einen frechen Auftritt haben und natürlich junge Eltern mit kleinen Kindern ansprechen.» Dabei erinnerte er sich an seine eigene Kindheit, an die Pop-Kultur der 90er-Jahre. Er gab den Produkten – Milchdrinks, Fruchtriegel, Breie und sogenannte «Quetschies» – seine persönliche Note. Auch ein «Mango No. 5» findet sich im Sortiment, in Anlehnung an den Hit von Lou Bega.

Ein Start-up zu gründen und Entrepreneur zu sein, sei aber nicht nur Spiel und Spass, sondern harte und oft lästige Arbeit. Trotz der Mission, für Babys und Kinder gesunde Nahrung zu produzieren, sieht Michas sich nicht als Weltverbesserer. «Ich ordne mich nicht der Sache unter. Ich fliege auch noch gerne in die Ferien oder esse ein Steak, wenn auch seltener als früher.» Es seien die kleinen Veränderungen, die viel bewirken, wenn alle sie sich zu Herzen nehmen. «Wenn wir durch unsere Produkte erreichen, dass die nächste Generation gesünder aufwächst, dann habe ich bereits mehr erreicht als ich es mir jemals ausgemalt hätte.»

Dieses Verfahren nutzt Yamo

Normalerweise werden Bakterien mit grosser Hitze abgetötet. Das hat jedoch den Nachteil, dass auch Vitamine, Geschmack und Farbe teilweise verloren gehen. Im Gegensatz dazu nutzt Yamo ein besonderes Verfahren, was sich High Pressure Processing (HPP) nennt – zu Deutsch Hochdruckverarbeitung. Keime werden mit einem Druck von bis zu 6000 bar eliminiert; das ist ein etwa 1000 Mal höherer Druck als in einem Rennvelopneu. Dieses Verfahren erhält auch die wichtigen Vitamine. «Im Kühlschrank ist die Babynahrung dann zwei bis drei Monate haltbar», sagt Luca Michas. Auf künstliche Zusätze könne verzichtet werden. Der jetzige Stand der Technik lässt nur eine Verpackung aus Plastik zu, Yamo forscht aber mit einem Start-up aus Deutschland an einer Methode, wie HPP auch mit plastikfreiem Material angewendet werden kann. Bis zur Marktreife wird es aber noch einige Jahre dauern, so Michas. (kfe)

Ist dieser Artikel lesenswert?

Ja
Nein

Kommentare (0)

Neuen Kommentar schreiben

Diese Funktion steht nur Abonnenten und registrierten Benutzern zur Verfügung.

Registrieren