Kurszerfall bei lokalen Aktien

Bei der Aktie des Schaffhauser Industriekonzerns Georg Fischer zeigt sich der Kurszerfall am deutlichsten. Ist sie ein potenzieller Star, den es zu erstehen gilt, oder verblasst ihr Stern weiter?
Seit Wochen bietet sich den Aktionären von Georg Fischer (GF) dasselbe Bild: Die Aktie ist im Sinkflug. Sie steht damit aber nicht allein da. Das zeigt die Wertentwicklung von lokalen Titeln in den vergangenen zwölf Monaten. Die Aktie des IWC-Mutterhauses Richemont verlor im gleichen Zeitraum 24 Prozent, Phoenix Mecano 13 Prozent. Dabei hatte der Gehäusehersteller mit Sitz in Stein am Rhein ein gutes erstes Halbjahr, der Genfer Richemont-Konzern verkaufte im Sommerhalbjahr mehr Schmuck und Uhren als noch vor einem Jahr, und Georg Fischer hat ebenfalls ein erfolgreiches erstes Halbjahr hinter sich. Und doch finden die Aktien keinen Boden, auch beim Börsenneuling SIG zeigt der Pfeil nach unten. Die SIG-Combloc hat in den vergangenen vier Wochen über 9 Prozent verloren.
GF-Aktie bei 800 Franken
Die GF-Aktie ist der Methusalem unter den Schaffhauser Titeln, sie wird seit November 1903 gehandelt. Gegenwärtig liegt der Preis für das Wertpapier noch bei knapp 800 Franken. Der höchste Wert innerhalb der vergangenen 52 Wochen betrug 1420 Franken. Die Finanzplattform «Cash» schrieb am 19. November: «Wie Händler berichten, lassen ausländische Grossinvestoren die Schweizer Automobilzulieferer-Aktien wie heisse Kartoffeln fallen. Dabei wird selbst vor jenen breit abgestützten Branchenvertretern wie dem Traditionsunternehmen aus Schaffhausen nicht haltgemacht.» Nicht nur GF-Aktien befinden sich im Tiefflug, wie der Analyst für Industrietitel bei der Zürcher Kantonalbank, Armin Rechberger, bestätigt: «Fast alle zyklischen, exportorientierten Schweizer Industrieaktien haben seit Jahresanfang in ähnlichem Umfang wie Georg Fischer an Wert verloren.» Die Börse scheine nach einer bereits lange anhaltenden expansiven Phase nun, ausgelöst durch den Handelskrieg, von einer Abkühlung auszugehen, so Rechberger weiter. Bei GF sei davon allerdings noch nichts zu erkennen. Im Gegenteil, so der Analyst: «Das boomende Geschäft mit Werkzeugmaschinen (GF Machining Solutions) konnte einen ausserordentlich hohen Auftrag von rund 100 Millionen Franken verbuchen.» Auch für die Giessereien (GF Casting Solutions) konnten gemäss Rechberger neue Aufträge von chinesischen und europäischen Automobilherstellern im Gesamtwert von 370 Millionen Franken gewonnen werden. Diese erstrecken sich allerdings über mehrere Jahre und lösen auch auslaufende bestehende Aufträge ab. «Das ändert aber nichts daran, dass das Geschäft bei Georg Fischer derzeit gut läuft und die ausgezeichnete Auftragslage nicht auf einen raschen Einbruch der hohen Auslastung schliessen lässt», sagt der Analyst.
Industrietitel zurzeit unter Druck
Auch Martin Vogel, der Chef der Schaffhauser Kantonalbank, hat die Entwicklung der lokalen Aktien für die SN unter die Lupe genommen: «Die aktuellen wirtschaftspolitischen Herausforderungen wie der Handelsstreit zwischen den USA und China, die italienische Staatsverschuldung, der Brexit oder die jüngsten Entwicklungen in der Eurozone setzen die Börsen insgesamt unter Druck.»
In den vergangenen zwölf Monaten seien vor allem Industrietitel in Mitleidenschaft gezogen worden, auch die Aktien von Schaffhauser Unternehmen wie Georg Fischer, SIG und Phoenix Mecano hätten deutlich nachgegeben, so Vogel. Georg Fischer notiert derzeit beispielsweise rund 40 Prozent unter dem Höchststand von Januar 2018. Dafür gebe es verschiedene Gründe, sagt Vogel: «Zum einen wirkt sich der Handelsstreit auf die Geschäftstätigkeit des weltweit agierenden Unternehmens aus, zum anderen ist Georg Fischer auch von der Autoindustrie abhängig, die gerade unruhige Zeiten durchlebt.»
Insgesamt lasse sich festhalten, dass gerade Industrietitel in der Vergangenheit eine überdurchschnittlich gute Entwicklung durchgemacht hätten. «Auch wenn die Kurse der börsenkotierten Schaffhauser Unternehmen im Moment schwächer ausfallen, sollte die Entwicklung der Titel eher aus einer mittel- bis langfristigen Perspektive betrachtet werden», sagt Martin Vogel.
Bereits im Oktober kam ein Autor von «Finanz und Wirtschaft» zum Schluss, dass die GF-Titel sehr interessant würden, wenn der Kurs gegen 1000 Franken sinke, nun ist er sogar 200 Franken darunter. Sinkende Aktienkurse verlocken zum Kauf: «Im Tief kaufen, im Hoch verkaufen», lautet das Börsenmotto. Der Anlageerfolg hängt vom richtigen Zeitpunkt ab. Wann aber ist der richtige Zeitpunkt? Die Antwort steht – in den Sternen.