Eine Ode an die Melancholie

Alexa Scherrer | 
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Das neue Album «Love» der Berner Mundartrocker Züri West erzählt von den Momenten, in denen die Liebe fehlt. Bild: Key

Züri West gehören nach 33 Jahren im Musikgeschäft zu den Etablierten. Die Lieder auf ihrem neuen ­Album «Love» sind wie geschaffen für ein Konzert im Herbst.

«Love» heisst das neue Züri-West-­Album. Fünf Jahre liessen die Berner Mundartrocker ihre Fans auf die neue Scheibe warten. Frontmann Kuno Lauener singt zwar noch immer in Berndeutsch, dennoch hat man sich auch in den mehreren Monaten, in denen die Platte schon verkauft wird, nicht so recht an den englischsprachigen Titel gewöhnt. Züri West, bei denen wohl auch jeder Mundartmusik-Feind sofort an «I schänke dir mis Härz» denkt, sind doch viel mehr «Liäbi» als «Love». Abgesehen davon sind Züri West aber noch immer die ­Alten. Oben genannter Hit ist kein romantisches Liebeslied, sondern eine tragisch-schöne Geschichte aus dem Rotlichtmilieu. Und die Lieder auf «Love» handeln nicht von immerwährender Liebe, vom ganz grossen Glück, von Friede, Freude, Eierkuchen. Es geht um diejenigen Momente, in denen die Liebe fehlt, in denen sie einem unbemerkt abhanden kommt, sich türschletzend verabschiedet, in denen einem der andere nichts mehr erklären muss, wenn er geht.

Aber Züri West wären nicht Züri West, wenn in dieser Traurigkeit nicht auch etwas Tröstendes liegen würde, denn die Berner sind Profis, wenn es um Melancholie geht. Obwohl «Love» im Frühling veröffentlicht wurde, passt die Platte um einiges besser in den Herbst. In die Jahreszeit, die uns in ihrer farbenfrohen Prächtigkeit noch ein bisschen davon ablenkt, dass bald alles kalt, grau und erfroren sein wird – bevor es im Frühling immer wieder einen Neuanfang geben wird. Man muss nur geduldig genug sein, darauf zu warten.

1984 gegründet, feiert Züri West 2017 also seinen 33. Geburtstag. Eine Schnapszahl – passend. Passend zur Melancholie, passend zur Thematik der gescheiterten Beziehungen, passend zum Umfeld der Rockmusik. Dennoch: Wenn es richtig streng wird, verzichtet Kuno Lauener ganz auf Alkohol. Und in den vergangenen fünf albumfreien Jahren ist es wohl öfter mal richtig streng geworden: Der heute 56-Jährige ist in dieser Zeit zweimal Vater geworden. «Es ist eine völlig andere Lebenssituation – Anarchie zu Hause», beschrieb er es kürzlich in einem Interview. Bekomme man mit 50 noch Kinder, komme man selbst noch einmal auf die Welt. Dass es seiner Familie gut gehe und die Beziehung zu seiner Freundin stabil sei, musste er nach der Veröffentlichung von «Love» immer wieder beteuern.

Alles – in nur einem Satz

Stabil, das ist auch Züri West als musikalische Institution. Obwohl es mehrere Wechsel gab – der Schaff­hauser Gitarrist Tom Etter etwa ist nach 15 Jahren nicht mehr dabei; man habe sich in gutem Einvernehmen getrennt –, bleiben die Band und die Qualität ihrer Musik konstant. Kontinuität klingt auch immer ein bisschen nach Stillstand und Langeweile. Doch bei Züri West ist das irgendwie anders. Man weiss, dass man sich auf sie verlassen kann. Vielleicht auch, weil die Rocker zulassen, dass sie älter werden. Jetzt noch zu rebellieren, wäre lächerlich, sagte Lauener bereits vor sieben Jahren. Die Eitelkeit ablegen zu können und nicht immer der Coolste sein zu müssen – das sei ja das Schöne am Älterwerden.

Und bei den Jahren, die ins Land ziehen, da kommt sie wieder ins Spiel, die Melancholie. Etwa, wenn man sich «Quick» anhört, den elften Song auf dem neuen Album. Da geht es um die grossen Töne von früher und darum, was wohl heute davon noch übrig geblieben ist. «Du häsch när no d Wäut wöue verändere, aber I ha leider ­müesse gah» – die ganze Schönheit, die ganze Hoffnung, die ganze Misere der Veränderungen in nur einem Satz zusammenfassen, das ist und bleibt Züri West. Egal, ob ihr Album nun «Love» oder «Liäbi» heisst.

Züri West: Mit ihrem neuen Album «Love»; Schaffhausen, Kammgarn, Türöffnung 19.30, Beginn 20.30 Uhr

Schaffhauser Texte Es ist nicht so – es könnte aber so sein

Fast jeder findet sich im einen oder anderen Liedtext von Züri West wieder – warum also sollte das bei Schaffhausen anders sein? Wir haben hingehört und überlegt, wo auch unser Kanton gemeint sein könnte:

  • «2 meter ohni Rouschueh, dermasse bi Figur, e Maa wienes Ärdbebe» : Gleich zu zwei gross gewachsenen und einflussreichen Politmännern passt der Satz aus «Hanspeter»: zu SVP-Nationalrat Thomas Hurter und zu FDP-Regierungsrat Christian Amsler.
  • «Mir frässen’üs es Loch dür Zyt mit üsem Tag für Tag, es Loch, wo immer töiffer wird»: Tiefer und tiefer wird das Loch – und länger und länger dauert es – Der erste Satz aus «Z.W» würde zum Bau des neuen Galgenbucktunnels passen.
  • «Si ligt uf mim Frottetuech u mi Chopf ligt uf ihrem weiche warme Buuch u macht ds Muu uf u d Ouge zue u seit, dr Summer isch genau so schön wie du»: Klar gibt es ähnliche Szenen wie in «Fisch» auch an der Aare – aber dermassen romantisch kann es doch fast nur am Rhein sein.

 

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