Warum tut sich ein Jestetter bei «Deutschland sucht den Superstar» diese Demütigung an?

Ralph Denzel | 
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Der Deutsche Tarkan Simsek zu Besuch beim Schaffhauser Fernsehn. Tarkan Simsek hat schon zwei Mal beim Deutschland sucht den Superstar und anderen TV Formaten mitgemacht, am Donnerstag, 03. Oktober 2024. (Melanie Duchene / Schaffhauser Nachrichten)
Tarkan Simsek (30) bei unserem Gespräch in den Räumen der SN. Bild: Melanie Duchene

Viele sind berufen, nur wenige auserkoren: Bei der Castingshow «Deutschland sucht den Superstar» geht es viel um menschliches Drama. Geradezu genüsslich werden dort teils Kandidaten auch lächerlich gemacht. Einer davon war Tarkan Simsek. Was hat das mit ihm gemacht? Wir haben mit ihm gesprochen.

Deutschland sucht den Superstar, kurz DSDS, ist ein Programm nach dem Prinzip Verkehrsunfall. Man will eigentlich nicht hinschauen, weiss, dass es nicht in Ordnung ist, wenn man es tut, aber trotzdem kleben die Augen auf diesem schrecklichen Bild, welches sich da vor einem auftut.

Mit der Suche nach «Gesangstalenten» hat die Show nur am Rande zu tun, im Prinzip geht es um den Voyeurismus, den jeder von uns in sich hat. Sendungen wie «Frauentausch», «Bauer sucht Frau», «Bachelorette» und «Bachelor» funktionieren nach dem gleichen Schema: je trashiger man daherkommt, desto höher sind die Einschaltquoten und damit die Einnahmen der Sender. Frei nach dem Motto: «Die Schadenfreude ist doch immer noch die schönste Freude» kann man sich herrlich an Kandidatinnen und Kandidaten erfreuen, die so oft vor allem durch nicht vorhandenes Talent glänzen. Garniert wird dies mit markigen Sprüchen des alternden Dieter Bohlen, die mit der Grenze zum guten Geschmack Seilhüpfen spielt.

Nicht das erste Mal im Fernsehen

Warum also tut man sich das an? Diese Frage stellen wir auch Tarkan Simsek, 30 Jahre alt, Einzelhandelsverkäufer aus Jestetten. Seine «Vita», zumindest, was solche Programme wie DSDS betrifft, liest sich beeindruckend: Er war schon beim Supertalent, hat die letzten beiden Jahre bei «Deutschland sucht den Superstar» vor der Jury gestanden und hat auch einen Auftritt bei «TV Total», allerdings in der Post-Stefan-Raab-Ära, zu verzeichnen.

«Ich weiss, dass ich nicht so gut singen kann», gibt er unumwunden zu. Daher erst recht noch mal die Frage: Warum tut er es sich dann an?

Sein Auftritt bei DSDS läuft schliesslich nach dem gleichen Prinzip ab, welches RTL in dieser Sendung so zelebriert: Er wird vorgestellt, darf ein paar Mal in die Kamera lächeln, aber man merkt schon recht bald bei der Inszenierung des Senders: Irgendwas stimmt hier nicht. Seien es die komischen Schnitte, bei denen scheinbar der Cutter des Senders die Aufnahmen verwechselt und nur die besonders unbeholfenen Bilder genommen hat, sei es, dass man kleine Effekte reinschneidet. Warnschilder, wenn er singt, abfallende Logos – als wären die Zuschauer taub und man müsste ihnen auch noch visuell zeigen: Diese Person kann nicht gut singen.

Simsek hat diese Videos natürlich im Nachhinein auch gesehen: «Das hat mich nicht so gestört», sagt er ganz direkt. «Ich weiss, wie ich bin, auch andere Menschen, die mich kennen, wissen, wer ich wirklich bin. So was muss man ignorieren.»

Auf dem Weg zur Kunstfigur?

Was man klar sagen muss: Angekommen ist er mit seinen Auftritten. Auf dem offiziellen DSDS-YouTube-Kanal wurden seine Auftritte bisher zusammen fast 700'000 Mal angeklickt. Das ist selbst für DSDS-Niveau eine hohe Zahl.

Woher dieser Erfolg?

«Ich bin mehr ein Unterhalter», erklärt er. Unterhaltung über Können? Solange die Leute einen beachten, ist der Weg dorthin egal? Ist das etwa seine Motivation? Einfach unterhalten wollen? Bei DSDS gibt es da einen Präzedenzfall: Menderes Bağci. Dieser gehört zu DSDS wie Dieter Bohlens rüde Sprüche, wird seit Staffel 1 regelmässig von wechselnden Juroren durch den Kakao gezogen, aber ist heute «Entertainer». Er war im Dschungelcamp, steht regelmässig auf der Bühne, hat sogar eine eigene Single – alles, weil er sich schmerzbefreit jedes Jahr aufs neue die Demütigung von Dieter Bohlen abholte. Ist das Masochismus, oder genialer Geschäftssinn?

«Menderes und ich sind insofern ähnlich, weil wir beide nicht aufgeben», sagt Tarkan Simsek, auf die Parallelen angesprochen. Er würde auch gerne in dieser Liga spielen und hat scheinbar auch den Willen, durchzuziehen, was dafür nötig ist.

Auch RTL scheint erkannt zu haben, dass man hier vielleicht einen neuen «Menderes» heranziehen kann. Die aktuelle Jury vergleicht die beiden permanent während Simseks Auftritt, Bohlen lockt wie früher mit dem «Recall»-Zettel, den er verspricht, wenn Simsek dafür nicht wiederkommen würde.

Aber das wäre ja aufgeben – das ist keine Option für Simsek. «Ich gehe da wieder hin.» Aktuell nehme er Gesangsunterricht, um sich zu verbessern. Auch wenn er vielleicht nicht der beste Sänger sei, so sagt er, habe er doch eine besondere Stimme. So fing es mit Menderes auch mal an. Irgendwann war er nicht mehr nur die Witzfigur, sondern eine von RTL geschaffene Kunstfigur.

«Ich bin einfach der Tarkan. Ich bleibe authentisch», ist Simseks-Devise. Der Auftritt war ihm daher nicht peinlich, er hatte Spass, er hat Ruhm bekommen – und Deutschland sprach über ihn – und will ebenso authentisch sein, wenn er, das verspricht er uns im Interview, 2025 wieder bei DSDS stehen wird.

Warum er sich das antut? «Ich will Leute einfach unterhalten», sagt er auf diese Frage.

Unterhalten hat er viele – auf die eine oder andere Art und Weise.  

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