Mit Schirm, Charme und Erfindergeist

Maria Gerhard | 
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Weil sich viele Senioren über ihren Rollator beklagen, tüftelt Manfred Schott aus Schaffhausen gerade an einem neuen Prototyp. Der leidenschaftliche Erfinder ist für ein Baukastensystem.

Die Revolution der Rollatoren kommt aus Schaffhausen. Ja, Sie haben richtig gelesen! Nachdem sich bei Tüftler Manfred Schott einige ältere Frauen und Männer über ihren sperrigen Rollator beschwert hatten, hat er sich gedacht: «Daran muss ich jetzt etwas ändern.» Tatsächlich kann man sich sehr gut vorstellen, wie der 83-Jährige mit grossen, sehr entschlossenen Schritten – so ist er meistens unterwegs – auf die Werkstatt des Seniorenwohnheims an der Alpenstrasse in Schaffhausen zugegangen ist, um dort zu Schraubenzieher und Metallsäge zu greifen. Die Werkstatt teilt sich der Schlosser- und einstige Industriemeister mit einem Schreiner und einem Architekten, beide auch in Rente. Schott hatte zuvor die Garage seines einstigen Hauses ausgeräumt und dort so einiges gefunden, was sich nun wiederverwenden lässt: einen gelben Klappstuhl als Sitz, den Fahrradständer fürs Auto als Gestell und das Vorderrad eines Fahrrads. Nach wenigen Monaten war der – nennen wir ihn «Rollator 2017» – fertig.

Drei Räder sind stabiler

Schott ist ein leidenschaftlicher Erfinder. Früher ist er mitten in der Nacht aufgestanden, wenn ihm eine Idee gekommen ist. Dann eilte er in seine eigene Werkstatt und hielt den Gedanken mit Kreide an einer Tafel fest. «Heute gehe ich es etwas langsamer an», sagt er und lacht. Dabei scheint sein ganzes Gesicht mit zu lachen bis zu den wenigen Falten um die Ohren. Sein Alter sieht man ihm nämlich nicht an. Dafür wirkt er viel zu fit, wie er in Sportschuhen und mit Schirmmütze auf dem Kopf seinen Rollatorprototyp aus der Werkstatt zerrt. Seine neueste Innovation trifft genau den Zeitgeist. Die Gesellschaft wird schliesslich älter, und folglich wird man sich künftig noch mehr Gedanken über mehr Mobilität für ältere Menschen machen. «Die gängigen Rollatoren haben alle einen Fehler, die Räder sind viel zu klein. Damit kann man zum Beispiel sehr schlecht über Waldwege oder Kies fahren», sagt Schott, «längere Spaziergänge können da schnell ermüden.» Deshalb schlägt er drei Räder vor, das grosse vorn sorgt für mehr Stabilität. «Und sollte die Oma dann trotzdem müde werden», sagt Schott, «wäre die Idee, dass man das Gestell um die Achse drehen kann, sodass der Sitz dann vorn ist und der Enkel die Oma – wie mit einem Rollstuhl – bequem schieben kann.» Während Schott erzählt, kommt einem der Gedanke, dass er nicht nur als Erfinder Talent hat, sondern auch als Verkäufer, so leidenschaftlich preist er seinen Prototyp an. Dabei will er kein Geld damit verdienen, es reizt ihn einfach, etwas noch besser zu machen. «Jetzt kommt der Hammer», kündigt Schott plötzlich an und hält eine Sekunde inne, bis er sagt: «Es wäre doch toll, wenn man ein Baukastensystem hätte.» Dabei denkt er an eine Grundausführung, die man mehr und mehr vervollkommnen könnte. Nach Wunsch mit Sonnenschirm oder Einkaufskorb ... Auch an die «mutigen Senioren» hat er gedacht: «Für die kann man unten ein Rollbrett installieren, auf das sie sich, wenn es bergab geht, stellen können.» Wieder muss er lachen, und der Schalk sitzt ihm dabei allzu deutlich im Nacken.

Aber es wäre falsch, den Tüftler nicht ernst zu nehmen. Im Auftrag von Firmen hat er einige Erfindungen gemacht. Die «Schaffhauser Nachrichten» haben bereits 1974 einmal über ihn berichtet, damals hat er sein erstes eigenes Patent angemeldet: Mit seiner Veloklappvorrichtung kann ein Velo ohne Muskelkraft senkrecht an der Wand versorgt werden. In dem Artikel steht: «Er hat, so scheint es auf den ersten Blick, Dinge, Apparaturen, die bereits existieren, auf eine noch nicht dagewesene Art und Weise kombiniert.» Scheinbar hat Schott auch im Alter nichts von seiner Kreativität eingebüsst. Seinen «Rollator 2017» wird er nicht zum Patent anmelden können, aber das ist ihm auch nicht wichtig. Schön wäre es, wenn er seine Ideen an die «Rollatorbranche» weitergeben könnte. Und was ein Manfred Schott sich vornimmt – wieder so ein Gefühl –, hat auch gute Chancen, Realität zu werden. Seine Veloständer sind jedenfalls bei der Wogesa in Schaffhausen immer noch in Gebrauch.

Patente aus dem Kanton: Vom Bierteller mit Zähleinrichtung zum Rorschachtest in der Psychologie

So kreativ sind die Menschen im Kanton Schaffhausen: Das Staatsarchiv Schaffhausen lagert Tausende Patentbriefe, die die Schaffenskraft im Raum Schaffhausen dokumentieren. Manche Patente haben sich durchgesetzt, manche nicht. Hier eine kleine Auswahl:

Eines der bekanntesten Patente in der Region ist derOchsnerkübel.Jakob Ochsner kam am 10. April 1858 in Oberhallau zur Welt. In jungen Jahren liess er sich in Zürich zum Wagner ausbilden und wanderte in die USA aus. 1887, wieder zurück in der Schweiz, eröffnete er in Zürich eine Werkstätte für Wagenbau. Dort entstanden die ersten Spezialfahrzeuge für die städtische Verwaltung. 1902 normierte Jakob Ochsner den Kehrichtwagen und den Kehrichteimer. Der Ochsnerkübel, seit den 1920er-Jahren mit Klappdeckel, verbreitete sich über die ganze Schweiz, ehe ihn in den 1970er-Jahren der Kehrichtsack verdrängte. Nach dem «System Ochsner» wird aber heute in vielen Städten auf der Erde der Kehricht beseitigt. Das Alter eines Ochsnerkübels lässt sich übrigens am Deckel erkennen. Ältere Eimer haben die Deckelprägung «Patent Ochsner».

Was sagt Ihnen dieser Fleck?

Weniger bekannt unter Laien ist vielleicht Hermann Rorschach, nach dem derRorschachtestin der Psychologie benannt ist. Der Erfinder des berühmten «Tintenkleckstests» wurde 1884 in Zürich geboren, er wuchs aber in Schaffhausen auf. Der Psychiater, der eigentlich Künstler werden wollte, nahm die menschliche Neigung zur Interpretation zum Anlass für sein diagnostisches Hilfsmittel, das er um 1917 entwickelte. Seine Methode wurde seitdem als Werkzeug für die psychologische Bewertung und Dia­gnose verwendet. Sie gilt aber heute in Fachkreisen auch als umstritten.

Manche Erfindungen dagegen orientieren sich wohl eher daran, den Alltag praktischer zu gestallten: So hat ein Hans Buchter aus Thayngen sich am 16. Oktober 1931 um genau 18.30 Uhr (die genaue Uhrzeit der Abgabe wird vermerkt) folgendes Patent eintragen lassen:Bierteller mit Zähleinrichtung.Höchstwahrscheinlich war er selber Wirt und wollte sich von seinen Gästen nicht übers Ohr hauen lassen. Im Patent steht: «Die vorliegende Erfindung bezieht sich auf einen Bierteller mit einer Einrichtung zum Anzeigen der Anzahl der von einem Gast bezogenen Gläser und Krüge.» Der Bierteller hat also – so vorgesehen – eine drehbar gelagerte, verdeckt angeordnete Nummernscheibe und eine Sperrvorrichtung. Damit konnte man die Zahlen nur höher drehen, aber nicht zurückdrehen ohne entsprechenden Schlüssel. Danach durfte man allerdings nicht mehr als zwölf Krüge Bier trinken, sonst hätte man einen neue Scheibe gebraucht. Durchgesetzt hat sich der Bierteller jedenfalls nicht. Obwohl die Idee doch eigentlich gar nicht so schlecht ist

Wenn der Briefkasten läutet

Smart kommt auch eine Erfindung von einem A. Blöchlinger aus Schaffhausen aus dem Jahr 1891 daher: EinBriefkasten mit elektrischer Avisiervorrichtung.Im Patentbrief steht: «Gewöhnlich befindet sich der Briefkasten, um dem Postangestellten die Arbeit einigermassen zu erleichtern, im Hausflur, und um sich zu vergewissern, ob Briefstücke sich in demselben befinden, ist ein persönliches Nachsehen nöthig, welches je höher oben man wohnt, desto umständlicher ist. Auch befindet sich nicht jedesmal ein Briefstück im Kasten und man hat diese Mühe umsonst gehabt.» Deshalb installierte Blöchlinger in seinem Briefkasten ein «elektrisches Läutewerk».

Interessant ist auch eineRollwendeltreppe,die die Georg Fischer Aktiengesellschaft im Jahr 1966 patentieren liess: Dabei handelt es sich um eine bewegliche Wendeltreppe, die am Fuss­ende einen elektrischen Antriebsmechanismus hat. Aufeinandergelagerte geteilte Ringscheiben, die einzeln aufgefächert werden konnten, waren als Stufen angedacht. Tatsächlich sind die Ausführungen in der Patentschrift für Laien sehr kompliziert. Klingt fast etwas nach Science-Fiction.(mcg)

Aufruf: Gemeinsam zum ausgeklügelten System

Wer sichzuletzt über seinen Rollator oder den der Eltern oder den der Grosseltern geärgert hat: Es besteht die Möglichkeit, Manfred Schott eine E-Mail (manfred-schott@bluewin.ch) zu schreiben. Er nimmt Ideen und Anregungen sehr gerne auf, um ein möglichst ausgeklügeltes System zu entwickeln.(mcg)

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