600 Schreibmaschinen warten auf Besuch

Alfred Wüger | 
Noch keine Kommentare

Einzigartig am neuen Schreibmaschinenmuseum, das am Samstag in Bibern eröffnet wurde, ist, dass es als erstes derartiges Museum in der Schweiz öffentlich ist.

«Schreibkugel ist ein Ding gleich mir von Eisen
Und doch leicht zu verdreh’n zumal auf Reisen.
Geduld und Takt muss reichlich man besitzen
 Und feine Fingerchen, um’s zu benützen.»

Dies schrieb der Philosoph Friedrich Nietzsche im Jahre 1882, nachdem er von Freunden eine sogenannte Schreibkugel aus der dänischen Manufaktur Malling Hansen geschenkt bekommen hatte. Die Schreibkugel war die erste in Serie hergestellte Schreibmaschine der Welt.

Nein, eine solche findet sich nicht unter den 600 Schreibmaschinen im neu eröffneten Schreibmaschinenmuseum im alten Schulhaus von Bibern und auch sonst kein Schreibgerät eines berühmten Schriftstellers, keine Olivetti von Günter Grass, keine Hermes Baby von Max Frisch.

Eine andere Hermes Baby hingegen schon. Und dass Maschinen von Berühmtheiten fehlen, tut der Sammlung nicht den geringsten Abbruch, denn wer sich auf die Exponate einlässt, den packt schnell die Begeisterung ob der Vielfalt und der Schönheit der Schreibmaschinen. Vergessen – oder mit liebevollem Humor bedacht – sind die eigenen Stunden des Erlernens des Zehnfingersystems unter dem stumpfsinnig-gleichförmigen Rhythmus des Taktells, wenn man sich über die blank polierten Zeitzeugen mit den vielfältig ausgestalteten Tastaturen beugt.

Wer meint, dass eine Schreibmaschine in jedem Fall eine Tastatur hat, lässt sich hier belehren. So ist etwa die Gundka 3 eine Zeigerschreibmaschine mit Typenrad. Gebaut wurde sie im Jahre 1924, und von einer Bedienung per Zehnfingersystem kann hier keine Rede sein, ja man erstarrt in Bewunderung für die zur Bedienung notwendige Geduld, die mit der Gegenwart so völlig inkompatibel scheint. Mehr Verständnis bringt der moderne Mensch daher für die «Volksschreibmaschine» namens Orga Privat – gleichfalls aus dem Jahre 1924 – auf. Auch eine zusammenklappbare Reiseschreibmaschine aus den USA erweckt die Anerkennung des Besuchers: Einerseits ist sie handlich, mit einer Grundfläche von vielleicht 25 mal 30 Zentimetern und dann auf eine so ausgeklügelte Weise zusammenklappbar, dass man sich vor der mechanischen Kunst der Konstrukteure nur verneigen kann. Solche Schreibgeräte traten in den Reiseköfferchen der Handelsreisenden ihren Siegeszug an.

Es blieb nicht bei mechanischen Schreibmaschinen. Sie wurden elektrifiziert. Sie bekamen statt des einzufädelnden Farbbandes Kassetten mit Kunststoffband, kombiniert mit Korrekturband. «Dies aber», so Heinz Bührer, gelernter Schreibmaschinenmechaniker und Initiator des neuen Museums, «war nicht fälschungssicher. Man konnte die Schrift mit einem gewöhnlichem Klebeband vom Papier entfernen.» Nichts also für amtliche Dokumente. «Behörden und Ämter verlangten nach fälschungssicheren Maschinen.»

Und dann zeigt Heinz Bührer, wie er mit einer Zange, die er den «Murkser» nennt, verbogene Typenhebel geradebiegen konnte, wie er die Typen auf die Typenhebel steckte und verlötete. Er führte ein Geschäft in Thayngen, bis – ums Jahr 2000 herum – der Markt zusammenbrach.

Die Schreibmaschine: Im 18. Jahrhundert erfunden

Die erste bekannte Beschreibung einer Schreibmaschine findet sich in einem 1714 erteilten Patent. Ein starkes Motiv bei der Erfindung der Schreibmaschine war, den Blinden neben dem Lesen auch das Schreiben zu ermöglichen.

Die erste funktionierende Schreibmaschine war wahrscheinlich das Gerät, das der Italiener Pellegrino Turri 1808 für die erblindete Gräfin Carolina Fantoni da Fivizzono herstellte. Ein mit dieser Maschine geschriebener Brief vom 8. Oktober 1808 ist erhalten.

In den späten 1990er-Jahrenbot die Firma Brother Modelle mit Tintenstrahl – anstelle des Typenraddruckwerks. Die Modelle kamen indes zu spät auf den Markt, um sich noch gegen den Siegeszug der PCs durchzusetzen. Aber noch heute kann man mechanische Modelle kaufen, für Schreibzwecke, bei denen der Einsatz des Computers sich nicht lohnt oder zu kompliziert ist.

Das Museum in Bibern ist jeden ersten Samstag im Monat von 10 bis 12 und von 14 bis 17 Uhr oder nach Vereinbarung geöffnet.

1885: Der Bundesrat kauft Schreibmaschinen

Am 6. Februar 1885 wurde der Bundeskanzlei die Anschaffung einer Schreibmaschine vom Typ Remington gestattet. Die Maschine bewährte sich offensichtlich. In einem erneuten Antrag vom 10. Juli 1885 an den Bundesrat ist zu lesen: «Als wir in unserem früheren Antrag die Anschaffung einer zweiten Maschine ins Auge fassten, nahmen wir in Aussicht, sobald sich die Maschine bewähre, einen Kanzlisten an derselben arbeiten zu lassen, welcher zuweilen am Schreibkrampf leidet. Dieser hat nun seither aus freien Stücken während seiner Mussezeit die Handhabung der Maschine erlernt und leistet mit derselben bereits mehr als von Hand. Dabei empfindet er keine Müdigkeit, und es ist zu hoffen, dass wenn er beständig mit der Maschine arbeiten könnte, Arbeitsunterbrechungen wegen Schreibkrämpfen, wie sie bereits einige Male stattgefunden haben, nicht mehr vorkommen werden.»

<

Kommentare (0)

Neuen Kommentar schreiben

Diese Funktion steht nur Abonnenten und registrierten Benutzern zur Verfügung.

Registrieren