So wird jetzt in Deutschland legal gekifft
Seit knapp einer Woche ist Cannabis in Deutschland legal. Selten wurde ein Gesetz so kontrovers diskutiert wie dieses: Für Kiffer gibt es nur streng limitierte Möglichkeiten, an Gras zu kommen, etwa über «Cannabis Clubs». Wir waren bei einem in Jestetten zu Besuch.
Manch einer hätte es für einen Aprilscherz halten können, was sich am 1. April am Brandenburger Tor in Berlin abspielte: 1500 Menschen jeglicher Herkunft hatten sich dort versammelt, zählten die Sekunden bis Mitternacht runter, um sich dann, Glockenschlag 0.00 Uhr, einen Joint anzustecken. In den Medien war die Rede vom «Ankiffen». Seit Anfang Monat ist der Konsum und der Besitz von Cannabis offiziell legal in Deutschland. Erwachsene dürfen bis zu 25 Gramm Cannabis in der Öffentlichkeit bei sich haben. Zu Hause ist der Besitz von bis zu 50 Gramm und drei Pflanzen erlaubt.
Dass die Legalisierung von Cannabis in Deutschland einen Nerv getroffen hat, zeigt sich aber daran, wie schnell diese «Clubs» aus dem Boden sprossen. Kaum war das Gesetz zur Cannabislegalisierung auf dem Weg, wurden überall in der Republik Klubs und Anbauvereine gegründet. Einer ist der «CSC Smoky Zipfel e. V.» im grenznahen Jestetten. Die SN waren vor Ort und haben mit dem Klubgründer gesprochen.
Der erste legale Joint
Für das Gespräch treffen wir uns mit dem Vorstand des Klubs, Kay Krause, bei ihm zu Hause. Zwei Katzen liegen faul herum, aus dem Kinderzimmer kann man Krauses Sohn lachen hören. Im Wohnzimmer setzen wir uns auf die Couch und beginnen das Gespräch.
«Am 1. April habe ich mir natürlich auch um 0 Uhr einen angesteckt.»
Kay Krause, Vorstand «CSC Smoky Zipfel e. V.»
Was auffällt: Wir sind nicht in einer Kifferhöhle, in der überall Gras und Rauchpapiere herumliegen, sondern in der Wohnung einer jungen Familie. «Punker, Banker, Arzt oder Angestellter – in jeder Gesellschaftsschicht gibt es Leute, die kiffen», sagt Krause. Er selbst ist Altenpfleger, hat also einen verantwortungsvollen Beruf, ist verheiratet und Vater von einem kleinen Jungen – und Kay Krause kifft gerne. Das ist für ihn kein Widerspruch und er ist froh, dass er jetzt auch legal tun kann und nicht mehr kriminalisiert werde. «Am 1. April habe ich mir natürlich auch um 0 Uhr einen angesteckt», sagt er und muss lachen. «Man kann nur einmal im Leben das erste Mal legal kiffen».
Der Klub wurde bereits 2023 gegründet. Stolz zeigt er auf sein T-Shirt mit dem Logo seines Vereins. Dies war damals eine Reaktion auf die ersten Entwürfe der Bundesregierung, wie man später mal die Abgabe von Cannabis in Deutschland handhaben wolle. «Als klar wurde, dass die Abgabe nur über einen Verein funktionieren wird, haben wir direkt gehandelt und den Verein gegründet.» Elf Mitglieder hat der beim Amtsgericht Freiburg offiziell eingetragene Verein, am Sonntag steht die nächste Mitgliederversammlung an. Mit dabei werden auch einige Personen sein, die im Dorfleben von Jestetten durchaus bekannt sind – und zu allen Gesellschaftsschichten gehören.
Auch aus diesem Grund ist es für Krause wichtig, zu sagen, dass es den Mitgliedern und auch ihm nicht primär um den Rausch geht, wenn er an den Verein denkt. «Es geht hier viel mehr um das Gemeinschaftsgefühl, das bekommt man nur in einem Verein.»
Klub im Aufbau
In diesem wartet aktuell viel Arbeit: Die Statuten werden erlassen, Räume gesucht, Pflanzen bestellt. Wie bei vielen Klubs scheint auch Krause für seinen Verein zu brennen. Das merkt man auch daran, wie viel Geld bisher dort hineingeflossen ist. «Bisher haben wir knapp 1000 Euro investiert, bis wir fertig mit unseren Anbauräumen sind, werden es aber sicher 5000 sein», so Krause.
Das Geld kommt dabei von den Mitgliedern, die sich dieser Sache aus Leidenschaft und nicht aus Gewinnabsichten widmen. Das könnten sie ohnehin nicht, denn das Gesetz schreibt vor, dass «Cannabis Clubs» «nicht gewinnbringend» sein dürften.
Gewinn will der Verein auch gar nicht erwirtschaften. Krause stellt immer wieder klar: «Solange wir kostendeckend sind, ist alles andere egal». In den Statuten des «CSC Smoky Zipfel e. V.» ist daher klar festgelegt: Sollte der Verein sich auflösen, werden jegliche Wertmittel weitergespendet.
Wie gross der Klub am Ende werden wird, kann Krause noch nicht absehen. «Im Moment wollen wir so auf 30 Mitglieder abzielen», schätzt er. Diese Zahl würde man wohl dann auch erreichen, sobald es mit dem Anbau und dem Verkauf «richtig losgehen» könne. «Ich rechne mit ungefähr 50 Personen in der Zukunft», so Krause.
Bürokratische Hürden
Einen Verein gründen und dann einen «durchziehen» – es klingt alles relativ einfach, aber Deutschland wäre nicht Deutschland, wenn diese neue Freiheit des legalen Kiffens nicht mit einem grossen «aber» kommen würde.
Das merkt man schon bei der Abgabe von Cannabis. Jedes Mitglied darf höchsten 50 Gramm pro Monat erhalten, und höchstens 25 Gramm pro Tag.
Wie genau die Abgabe ablaufen soll, ist ebenso streng limitiert. Diese muss laut Gesetz auf dem Grundstück, der Anbaufläche oder im Gebäude der Anbauvereinigung erfolgen. Würde Krause uns also in seiner Wohnung Gras geben, er würde sich strafbar machen.
Weiter muss es reines Marihuana sein, es darf keine Rückstände enthalten und muss unter anderem das Gewicht in Gramm, das Erntedatum, das Mindesthaltbarkeitsdatum, die Sorte, den Durchschnittsgehalt des Tetrahydrocannabinols (THC) respektive des Cannabidiols (CBD) enthalten sowie Hinweise zu Risiken im Zusammenhang mit Cannabiskonsum. Das sind wohlgemerkt nur die Bestimmungen für die Weitergabe. Die Bestimmungen für den Anbau sind noch komplexer.
Jugendschutz hat Priorität
Immer wieder ins Feld geführt wird auch der Jugendschutz, der auch Krause sehr wichtig ist. Dieser könne, gerade über die kontrollierte Abgabe, besser eingehalten werden. «Für uns war von Anfang an klar, dass niemand unter 21 Jahren Mitglied werden kann», sagt er.
Laut Gesetz gelten dabei auch sehr strenge Regeln. Personen, die zwar 18 Jahre alt sind, aber noch nicht 21, dürfen etwa nur Cannabis erwerben, welches maximal zehn Prozent THC enthält, und bekommen nur 30 Gramm pro Monat. Weiter ist der Konsum in unmittelbarer Nähe von Personen unter 18 Jahren ebenso verboten wie in Fussgängerzonen zwischen 7 und 20 Uhr. Der Konsum in Sichtweite von Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Kinderspielplätzen sowie öffentlich zugänglichen Sportstätten ist untersagt. Und auch die Strafe beim «Dealen» wurde verschärft: Wer Cannabis an Minderjährige abgibt, kann mit mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe statt bisher einem Jahr geahndet werden.
Bleibt Kiffen legal?
Bis die ersten Mitglieder des «CSC Smoky Zipfel e. V.» aber auch ihr Cannabis im eigenen Vereinsheim beziehen können, wird es noch eine Weile dauern. «Kubs dürfen erst ab dem 1. Juli wirklich starten», so Krause. Das bedeutet, dass sie auch erst ab diesem Tag für den Verein Cannabis ziehen und dieses wohl erst Anfang Oktober ihren Mitgliedern anbieten können, wenn die Pflanzen fertig sind. Sofern die Politik keinen Rückzieher macht.
Denn: Vor allem konservative Politiker laufen Sturm gegen die Legalisierung. CDU-Chef Friedrich Merz verkündete unlängst: «Nach einer Regierungsübernahme würde die Union das Gesetz umgehend rückgängig machen.» Laut ZDF-Politik-Barometer hätte er damit aktuell eine knappe Mehrheit der Deutschen hinter sich: 52 Prozent sind gegen die Legalisierung.
Für Krause eine unschöne und beängstigende Vorstellung. «Wir stecken viel privates Geld in den Verein und wenn er plötzlich wieder verboten würde, wäre das weg.»
Aktuell läuft in Deutschland die «Säule 1» der Legalisierung, also der Anbau, der in Klubs stattfindet. Sollte sich das bewähren, plant die Regierung die Säule 2. Diese sieht regionale Modellvorhaben mit kommerziellen Lieferketten vor. Bis dahin heisst es, frei nach George Washington, dem ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten: «Macht das Beste aus dem indischen Hanfsamen und sät ihn überall aus!»