Jeweils drei Kugeln bringen den Tod
«Beste Grüsse» heisst die neue Kriminalgeschichte aus der Feder des Schaffhauser Anwalts Erwin Beyeler: eine feinsinnige Darstellung der Zweischneidigkeit von Moral.
Ernst Beyeler ist nicht der erste und folglich auch nicht der einzige Rechtsanwalt, der sich der Schriftstellerei zugewandt hat. «Ich bin ein Mensch, der eine starke Fantasie hat. Ich kann mir praktisch alles vorstellen.» Wer nun aber glaubt, Erwin Beyeler lasse seiner Fantasie einfach freien Lauf und fabuliere wild drauflos, der sieht sich bei der Lektüre seines neuen, schmalen Bandes «Beste Grüsse» eines andern belehrt, denn das Büchlein hat gerade mal 116 Seiten. Auch seine Vorgänger, «Küng» und «Kramer», 2012 respektive 2014 gleichfalls in der Schaffhauser Edition Vogelfrei, waren keine Wälzer.
Nimmt man «Beste Grüsse» zur Hand, wird man die Geschichte wohl in einem Zug durchlesen. Der Text entwickelt einen sanften Sog, ist gut geschrieben und entlässt einen mit einem leicht melancholischen Gefühl in den Alltag. «Es geht mir um Stimmungen», sagt der Autor, «und um die Beweggründe, die Menschen dazu bringen, bestimmte Handlungen auszuführen.»
Ohne zu viel zu verraten, kann gesagt werden, dass es um eine Staatsanwältin geht, Ines Kihm heisst sie, die ihre Tochter verloren hat. Sie kam unter nicht ganz geklärten oder vertuschten Umständen an einem Pool in Griechenland ums Leben, wo sie eine Party feierte. Mit dabei auch Domenico Tauscher, Sohn von Carlo Tauscher, einem grossen Tier in Schaffhausen. Domenico jedenfalls kam ungeschoren davon, die Behörden gingen von einem Unfall aus. Aber ein ungutes Gefühl blieb bei Ines Kihm zurück, und die verdrängte Trauer um den Tod ihrer Tochter kommt zu Beginn der Erzählung wieder hoch, als gegen Domenico Tauscher in Italien ein Strafverfahren eröffnet wird, weil er einen tödlichen Unfall verursacht hat.
Ines Kihm hat eine geheimnisvolle Vertrauensperson: Peter Konrad, der vom Nachrichtendienst über die Kantonspolizei zur Staatsanwaltschaft kam. Er sei «ein schnell denkender Analytiker», heisst es von ihm, «der sich nicht in den Vordergrund drängte und seine intellektuelle Fähigkeiten hinter seiner gutmütig wirkenden, unauffälligen Art verbarg».
Dies muss hier genügen. Die auf dem Buchumschlag abgebildeten drei Patronen jedenfalls spielen eine entscheidende Rolle in der «Kriminalgeschichte», wie Erwin Beyeler seine Erzählung nennt. Denn auch wenn er die Gewalt nicht en détail und exzessiv schildert, so kommt sie doch vor. Natürlich. Es gibt Tote. Und das nicht zu knapp. Carlo Tauscher kommt auf dem Parkplatz beim Engeweiher um: «‹Guten Morgen!› Die Stimme klang verfremdet. Tauscher drehte sich um und wollte den Gruss erwidern, als er bemerkte, dass eine Waffe mit Schalldämpfer auf ihn gerichtet war.» Der Engeweiher ist nur einer von allen Schaffhauserinnen und Schaffhausern wohlbekannten Schauplätzen. Büsingen kommt vor, die Rhybadi, das Stacheln mit dem Weidling in den Schaaren, der Waldfriedhof. Und die Böcklinstrasse. Wo die denn sei, in Schaffhausen? Erwin Beyeler lächelt. «Die gibt es nicht», sagt er. Und warum gerade dieser Schauplatz fiktiv sei, wo man doch die andern sozusagen abschreiten könne? «Ich wollte nicht, dass jemand in einer bestimmten Strasse sagen kann: ‹Aber da wohne ja ich selber in einer solchen Gartenwohnung.›»
Wenn «Vergeltung» das Motto ist, unter das «Beste Grüsse» gefasst werden kann, dann ist damit auch gesagt, dass die Gerechtigkeit ausgespart bleibt. Ausgespart bleiben muss. Moral ist eben ein zweischneidiges Schwert.
Erwin Beyeler liest am 3. Dezember anlässlich der Schaffhauser Buchwoche in der Stadtbibliothek.