Spitzenplatz in der Schweiz: Schaffhausen liebt die Freiheit
Laut Avenir Suisse darf sich Schaffhausen rühmen, zu den Kantonen mit der grössten Freiheit in der Schweiz zu gehören. Und: Im Gegensatz zu anderen Kantonen halten sich hier gesellschaftliche und wirtschaftliche Freiheit ungefähr die Waage.
«Freiheit! wer das Wort versteht – es ist ein tiefes Wort, Diotima.» Unermesslich sei die Freiheit und schwer zu fassen, sinnierte einst der Dichter Hölderlin. Dessen ungeachtet gibt es immer wieder Versuche, dieses «tiefe Wort» mit der Zange der Wissenschaft am Zipfel zu packen – es mit Zahlen einigermassen zu beschreiben und messbar zu machen. Die Denkfabrik Avenir Suisse hat am Mittwoch einen «Freiheitsindex» veröffentlicht, der genau das leisten soll. Er ordnet alle Kantone der Schweiz auf einer XY-Achse an, eine Achse soll den Grad der gesellschaftlichen Freiheit beschreiben, die andere die Wirtschaftsfreiheit in den Kantonen abbilden.
Im innerschweizerischen Vergleich schwingt Schaffhausen obenaus und landet auf Platz 5. Die Nachbarkantone Thurgau und Zürich schneiden mit Platz 24 und 18 deutlich schlechter ab. Als Datengrundlage haben Zahlen aus dem Jahr 2023 gedient, da sich die Methode geändert hat, ist ein Vergleich mit den Vorjahren schwierig. Laut Avenir Suisse stellt der Index ein Versuch dar, die Freiheit von äusseren Zwängen zu messen. Im Wirtschaftsbereich wurden dafür Aspekte wie Ladenöffnungszeiten, Gastgewerbegebühren oder die Steuerbelastung einer Durchschnittsfamilie herangezogen.
Gründe für die Auswahl
Im Bereich der gesellschaftlichen Freiheit hat die marktliberale Denkfabrik politische Rechte für Ausländer bewertet, die Dauer bis zur Erteilung einer Baubewilligung oder beispielsweise die Möglichkeit, Kinder zu Hause zu unterrichten (sie nicht an die öffentliche Schule schicken zu müssen). Warum aber hat man sich ausgerechnet auf diese, und nicht auf andere Aspekte geeinigt? «Wir haben uns auf Faktoren konzentriert, die in der Gestaltungsmacht eines Kantons liegen und für die wir genügend Daten gefunden haben», erklärt Lukas Rühli.
Rühli ist leitender Autor der Studie. Auf Nachfrage räumt er ein, dass einzelne Aspekte wie «Homeschooling» natürlich hinterfragt werden könnten. Der Unterricht von Kindern zu Hause – zu dem sie von den Eltern immerhin gezwungen werden – ist je nach der gefragten Person nicht unbedingt ein Paradebeispiel für gesellschaftliche Freiheit. «Wir diskutieren solche Gewichtungen intern jeweils, und werden dies sicher auch bei der nächsten Ausgabe tun», so Rühli.
Im Gegensatz zu anderen Kantonen wird Schaffhausen sowohl im Bereich der Gesellschaft (Rang 9) als auch im Bereich der Wirtschaft (Rang 12) ein gutes Resultat zuerkannt. «Die meisten anderen Kantone, die wirtschaftlich vorne mit dabei sind, schneiden schlecht in der gesellschaftlichen Freiheit ab und umgekehrt», sagt Rühli.
Deutliche Kontraste
Generell halten die deutschsprachigen Kantone laut Avenir Suisse zwar die wirtschaftliche Freiheit hoch, sacken aber in der gesellschaftlichen Freiheit ab. Und das Tessin und die Romandie schnüren zwar ihre Wirtschaft in ein vergleichsweise enges Korsett ein, sprengen dieses aber, wenn es um die Freiheit der Gesellschaft geht.
«Die Ladenöffnungszeiten liessen sich liberalisieren, dann würde Schaffhausen noch besser abschneiden.»
Zunächst ein genauerer Blick auf die Freiheit der Wirtschaft: Hier erhält Schaffhausen bei der Steuerbelastung von Unternehmen hinter Zug den zweithöchsten Wert (wenn man Liechtenstein ausklammern darf, das ebenfalls in der Tabelle figuriert). Auf einen Spitzenplatz schafft es Schaffhausen auch mit seiner niedrigen Staatsquote. Diese misst, wie hoch der Anteil der Staatsausgaben im Vergleich mit der gesamtwirtschaftlichen Leistung des Kantons ist.
Hier wird Schaffhausen laut Avenir Suisse einzig von Zug und Basel-Stadt übertroffen, was Rühli bemerkenswert findet. «Immerhin ist Schaffhausen verglichen mit Basel-Stadt kein Kanton, der eine extrem grosse Wirtschaftsleistung erbringt.» Deshalb sei es gar nicht so einfach, die Staatsausgaben im Vergleich zur Gesamtwertschöpfung gering zu halten.
Viele Staatsstellen
Hingegen arbeitet im Kanton Schaffhausen ein verhältnismässig hoher Anteil der Beschäftigten im öffentlichen Sektor. Darunter fallen nicht nur Verwaltungsangestellte, sondern auch Angestellte von öffentlichen Unternehmen, wohl auch beispielsweise die Mitarbeitenden von SH Power. Je weniger, desto besser, lautet hier das Credo der Denkfabrik. Schaffhausen schneidet hinter Uri und Bern am zweitschlechtesten ab und wird von Avenir Suisse auf Rang 24 verwiesen.
Bei den gesellschaftlichen Freiheiten kann Schaffhausen zwar im Bereich der Wohnsitzfristen bei Einbürgerungen punkten (diese sollen laut Avenir Suisse möglichst kurz sein, um die Mobilität von Zugewanderten nicht zu behindern) und tut sich auch bei der fehlenden Kirchensteuer für Unternehmen hervor. Keine liberale Auszeichnung erhält der Kanton dafür im Bereich der freien Schulwahl, der Ladenöffnungszeiten und der kantonalen Monopole.
Bei den Monopolen fällt Schaffhausen unter anderem wegen seiner kantonalen Gebäudeversicherung ab (die auch privatwirtschaftlich angeboten werden könnte) und wegen des Notariats, das in Schaffhausen ein reines Amtsnotariat ist. «Diese Monopole könnte man heute abschaffen, und die Ladenöffnungszeiten liessen sich liberalisieren, dann würde Schaffhausen noch besser abschneiden», so Rühli.