Schaffhausen steuert auf ein Abfallproblem zu: Wohin soll all der Schutt in Zukunft?
Schaffhausen steuert auf ein Abfallproblem zu. In den Deponien des Kantons ist in den kommenden Jahren schlicht nicht genügend Platz vorhanden, rar ist er auch ausserhalb. Ein neuer Standort in Thayngen soll Entlastung bringen.
«Aus den Augen, aus dem Sinn.» Was für Liebeskummer eine potente Strategie sein mag, trifft nicht auf die riesigen von uns produzierten Abfallberge zu. Denn während die Liebespein mit der Zeit geringer wird, bleibt ein grosser Teil des Abfalls bestehen – und türmt sich irgendwann so hoch auf, dass wir ihn nicht mehr übersehen können.
Der Abfall muss also irgendwie entsorgt werden. Nur: Die Deponien in der Schweiz füllen sich, das frei verfügbare Volumen schrumpft und schrumpft. Auch in Schaffhausen zeichnen sich Engpässe ab, wie ein Bericht der Kantonsregierung nahelegt. Diese muss seine Abfallplanung alle fünf Jahre überprüfen und notfalls Anpassungen vornehmen.
Insgesamt nur drei Standorte
Zur Einordnung: In Schaffhausen gibt es aktuell drei Deponiestandorte, die unterschiedlichen Abfall schlucken. Die Deponie Birchbüel in Siblingen sowie Schwanental in Buchberg können harmlosen Bauschutt und Aushubmaterial aufnehmen. Sie werden als Deponien des Typs B bezeichnet. Mit Pflumm in Gächlingen besitzt Schaffhausen zudem eine Deponie des Typs D und E, die Schlacke aus Kehrichtverbrennungsanlagen aufbewahren kann. Schlacke gilt als problematisch, da sie bei falscher Lagerung Schwermetalle in die Umwelt freisetzen kann.
In der Deponie Birchbüel in Siblingen könnte die Situation in naher Zukunft kritisch werden. Laut Deponiebetreiber Martin Altherr dürfte die Deponie bereits in vier bis sechs Jahren aufgefüllt sein. Der Tonabbau vor Ort ist rückläufig, das freigespielte Volumen, das für Bauschutt genutzt werden könnte, verknappt sich damit ebenfalls. So würde schon bald eine lange Zwangspause fällig: 10 bis 15 Jahre, so schätzt der Betreiber, in denen gar kein neues Material mehr angeliefert werden könnte. Der zentrale und nördliche Kantonsteil, der von der Deponie Birchbüel abgedeckt wird, hätte ein Problem.
Es wird knapp
Dieses Problem erscheint noch grösser, wenn man die Deponie Parinag in Schlatt ins Auge fasst. Wie Birchbüel nimmt sie aus Schaffhausen Bauschutt und Aushubmaterial entgegen. Und wie Birchbüel bedient sie den zentralen und nördlichen Kantonsteil. Bis mindestens 2032 kann Parinag indes weniger Material entgegennehmen, weil auch hier der Platz schrumpft. Gemäss Regierung könnte es deshalb bereits ab 2028 zu Engpässen kommen. Die 22’000 Kubikmeter Bauschutt und Aushubmaterial, die pro Jahr in Schaffhausen durchschnittlich produziert werden – es wäre schwierig, sie irgendwo unterzubringen.
«Klar, es müsste nicht unbedingt bei uns sein, aber wenn das alle sagen, kommen wir nirgendwo hin.»
Zeitnahe Lösungen sind gefordert. Die Kantonsregierung wünscht sich weiterhin zwei Standorte des Typs B (Bauschutt). «Damit soll einerseits die Entsorgungssicherheit sichergestellt werden, andererseits werden die anfallenden Abfallmengen aufgeteilt und der Verkehr in der Stadt und der Regionen entlastet», schreibt die Regierung. Ferner wolle man eine Monopolstellung einer einzigen Deponie verhindern.
Als passenden neuen Standort bringt die Regierung Bibermeregg in Thayngen ins Spiel, eine Tongrube, die während knapp hundert Jahren genutzte wurde. Eine Erweiterung des bestehenden Deponiekörpers sei möglich. Auch sei ohnehin schon eine Auffüllung geplant. Die Pläne scheinen vor Ort in Thayngen wenig Widerspruch zu erregen, wie Hochbaureferent Christoph Meister auf Anfrage bestätigt.
Ein Ja aus Siblingen
Ebenfalls schlägt die Regierung eine Erweiterung des Standorts Birchbüel in Siblingen vor. Gemeindepräsidentin Karin Spengler zeigt sich offen dafür: «Klar, es müsste nicht unbedingt bei uns sein, aber wenn das alle sagen, kommen wir nirgendwo hin. Praktisch überall ist Bauschutt entstanden. Fakt ist, wir brauchen diese Deponie.» Im Gegenzug wünsche man sich, dass Stadt und Kanton beim Thema Finanzausgleich Entgegenkommen zeigten.
Längerfristig besteht auch für die Deponie Pflumm in Gächlingen, die vom Kläranlagenverband Schaffhausen, Neuhausen, Feuerthalen und Flurlingen betrieben wird, Handlungsbedarf. Dort dürfte laut einer Einschätzung des Kantons ab 2040 Platzmangel herrschen. Sie soll deshalb irgendwann erweitert werden.
Wohin mit dem Kehricht?
Im Rahmen der aktualisierten Abfallplanung hat sich die Regierung nicht zuletzt Gedanken über die Entsorgung von Siedlungsabfällen gemacht. Diese haben sich unterschiedlich entwickelt. Die Kehrrichtmenge wuchs seit 2018 ungefähr im Gleichschritt mit der Bevölkerung, sie liegt pro Kopf im Kanton bei jährlich etwa 142 Kilogramm. Seit 2018 massiv abgenommen hat Papierabfall (minus 30 Prozent) und Metallabfall (minus 16 Prozent). Dafür produzieren wir mehr Kartonabfälle (plus 20 Prozent) und werfen mehr Aluminium und Weissblech weg (plus 14 Prozent).
Die Regierung will die interkantonale Zusammenarbeit ausbauen, zumal Schaffhausen keine eigene Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) hat. Man bevorzuge eine Zusammenarbeit mit der KVA Thurgau. Konkret würde Kehricht aus dem mittleren Kantonsteil in die KVA Weinfelden transportiert; als Gegenleistung schickte der Thurgau Schlacke zurück nach Schaffhausen, wo diese deponiert würde. Die Vorschläge befinden sich nun bei den Gemeinden und anderen Akteuren in Vernehmlassung. Mit Kommentaren halten sich diese noch zurück.