Der Garagisten-Präsident, dem Ökologie wichtig ist

Iris Fontana | 
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«Ich will keine Farce, wo in einer Garage unser Wertekodex hängt, im Alltag diese Werte jedoch mit Füssen getreten werden.» Archivbild: Melanie Duchene

«Dem Wandel gegenüber offen sein» ist für Schaffhauser AGVS-Sektionspräsident Luca Jaquet mehr als eine Phrase: Für ihn gehören Ökologie, Nachhaltigkeit und ein partnerschaftliches Verhältnis mit den Angestellten dazu. Das zeigt: Das Autogewerbe räumt mit alten Vorurteilen auf.

Herr Jaquet, was für ein Auto fahren Sie privat?

Luca Jaquet: Einen Volvo XC60.

Und mit was für einem Fahrzeug würden Sie im Leben einmal sehr gerne ein paar Runden drehen?

Jaquet: Hm, die Frage kann ich nicht beantworten, davon gibt es einfach zu viele… Aber einmal einen Supersportler zu fahren, wäre schon sehr interessant.

Sie sind Schaffhauser Sektionspräsident des Auto Gewerbe Verbands Schweiz (AGVS). Wie geht es dem Autogewerbe in der Schweiz?

Jaquet: Dem Autogewerbe geht es grundsätzlich gut. Wir erleben eine konstante, robuste Entwicklung. Die Branche ist anpassungsfähig, was man auch am momentan stattfindenden Wandel, weg von Markenvertretungen und -verkäufern hin zu Mobilitätsdienstleistern, sieht. Jeder Wandel ist herausfordernd, wir sind jedoch gut unterwegs. Mehr fordert uns allerdings der Fachkräftemangel heraus – nicht der Arbeitskräftemangel – sondern wirklich der Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften. In diesem Zusammenhang ist auch die Nachwuchsförderung ein grosses Thema.

War dieser Wandel auch der Auslöser, im Verband die Überarbeitung der Leitpapiere vorzunehmen?

Jaquet: Ja, das ist so. Etwa alle zehn Jahre unterziehen wir als Verband unsere Vision, unsere Strategie und unser Leitbild einer Aktualitätsprüfung. Wir stellten fest, dass unsere Leitwerte nicht mehr zeitgemäss waren und nicht mehr den neuen Marktgegebenheiten entsprachen. So sind wir heute beispielsweise nicht mehr, oder nicht mehr nur, Markenverkäufer und Reparaturwerkstatt, sondern viel mehr Mobilitätsdienstleister. Mit der Überarbeitung wollten wir die heutigen Realitäten, aber auch die Bedürfnisse – seien es solche der Garagen, der Kunden aber auch unserer Arbeitnehmenden – zeitgemäss festhalten. Zudem sollte das Ganze einfacher und schlichter werden.

Luca Jaquet

Luca Jaquet

Luca Jaquet ist geborener Stadtschaffhauser und lebte, mit Ausnahme eines zweijährigen Abstechers nach Italien (er ist Halbitaliener), immer in der Region. Als Kind zeichnete sich seine Karriere noch keineswegs ab, er war überhaupt kein Töfflibueb. Erst in der Phase der Berufswahl und nach einem Besuch im BIZ zeigte sich seine Fähigkeit für den Mechberuf. Er konnte daraufhin beim Garagisten seiner Mutter in der Steiggarage in Schaffhausen die Schnupperlehre besuchen, wo es ihm den Ärmel fürs Geschäft reinnahm. Am selben Ort absolvierte er dann auch seine Lehre und kam nach dem Militär wieder zurück ins Unternehmen. Kurz danach wurde er von Kunden angesprochen, ob er die Garage nicht übernehmen wolle, da der Inhaber in Pension gehe. Nach längerer Bedenkzeit entschied er sich vor rund zehn Jahren den grossen Schritt zu wagen und gibt seither Vollgas. Mit der Übernahme zügelte er den Betrieb nach 83 Jahren weg von der Schaffhauser Steigstrasse nach Beringen – ein Schritt, der aufgrund der Vorschriften und Platzverhältnisse unumgänglich war, den er aber nie bereut hat.

Sie waren selbst, als explizit junger Vertreter, Teil der Arbeitsgruppe, die sich der Überarbeitung annahm. Wenn man Ihr Resümee über den Prozess liest, stechen insbesondere die Aspekte Qualität und Ihr Ziel einer Neupositionierung der Branche ins Auge. Bitte erläutern Sie.

Jaquet: Ich glaube, dass wir dem gesellschaftlichen Wandel gegenüber offen sein sollten. Als Garagisten werden wir aufgrund einer langen Tradition automatisch eher in die konservative, politisch rechte Ecke gestellt. Mein Ziel war es, mit diesem Vorurteil zu brechen. Ich möchte vermitteln, dass man als Garagist auch grüne Aspekte leben kann. Als Autogewerbler, welche die Werte im Alltag leben, setzen wir uns nämlich besonders stark ein, Emissionen zu senken. So betreiben wir biologische Spaltanlagen, setzen in unseren Gebäuden erneuerbare Energien ein, investieren in unseren Liegenschaften in überdurchschnittlich starke Isolationen, rezyklieren wo möglich, bemühen uns um eine korrekte Entsorgung unserer Abfälle und achten bei der Beratung der Kunden auf ökologisch sinnvolle Aspekt. Dies sind alles grüne Aspekte, die aber kleingeredet werden. Es ist mir wichtig, nicht missverstanden zu werden, und schon gar nicht den Eindruck zu erwecken, dass ich gegen unser eigenes Gewerbe schiesse. Es geht mir lediglich darum, mit Vorurteilen zu brechen und der Haltung vieler unserer jungen Garagisten eine Stimme zu verleihen. Mit dazu gehört auch der soziale Aspekt. Mir ist ein partnerschaftliches Verhältnis mit meinen Arbeitnehmenden sehr wichtig. Nur gemeinsam bringen wir unser Unternehmen und unser Gewerbe vorwärts. Auch da war die «ältere Garde» der Branche sicher konservativer unterwegs.

Ihre Aussage, dass man Zähne zeigen und notfalls Garagen, die gegen den beschlossenen Ehrenkodex verstossen, ausschliessen sollte, lassen aufhorchen. Ist eine härtere Hand zu erwarten?

Jaquet (lacht). Jein. Ich bin der Meinung, wenn man sich schon selbst dazu entschliesst, sich Werte aufzuerlegen, dann sollten diese auch von jedem Mitglied mit bestem Wissen und Gewissen umgesetzt werden. Ich will keine Farce sehen, wo in einer Garage unser Wertekodex hängt, im Alltag diese Werte jedoch mit Füssen getreten werden. Deshalb – sollte es gesamtschweizerisch Mitglieder geben, die sich nicht an diese Werte halten – dann müssen wir auch bereit sein, Konsequenzen zu ziehen, sonst machen wir uns unglaubwürdig.

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Richten wir den Blick noch auf den Kanton Schaffhausen. Ist die Situation hier vergleichbar mit dem Rest der Schweiz?

Jaquet: Ich glaube, dass wir es gut haben im Kanton. Einerseits schauen wir Gewerbler noch stärker als an anderen Orten zueinander. Auch die Bevölkerung ist der Region überdurchschnittlich treu und schätzt unsere Werte wie Regionalität, Flexibilität und Qualität. Auch können wir als Sektion Schaffhausen sagen, dass wir weniger Nachwuchsprobleme haben als andere Regionen.

Worauf führen Sie das zurück?

Jaquet: Seit drei Jahren läuft unser Imageprojekt «Werde Autoprofi.». Die Kampagne läuft digital mit Websites und auf Social Media-Plattformen, aber auch im Print mit Plakaten, Busswerbungen und weiterem mehr. Ausserdem sind wir vor Ort in Schulen und an Berufsmessen. Ziel ist es, die Grundausbildungen unseres Gewerbes zu bewerben, praktisch aufzuzeigen, was der Beruf bedeutet und vor allem einen unkomplizierten Zugang zur Ausbildung zu schaffen. Der Einsatz lohnt sich und so weisen wir heute deutlich bessere Lehrlingszahlen aus als andere Regionen.

Steiggarage

1931 von den Herren Richter und Fischer an der Steigstrasse in Schaffhausen gegründet, etablierte sich die Steiggarage schnell als offizielle FIAT- und Studebaker-Vertretung und damit als älteste FIAT-Vertretung der Schweiz. 1964 folgte der langjährige Mitarbeiter Georg von Ow auf den Chefposten bis 1990 Herbert Schwyter mit seiner Frau die Garage weiterführten. 2014 schliesslich übernahm Luca Jaquet die Geschicke und verlegte die Garage nach Beringen. 2015 spezialisierte sich die Steiggarage zusätzlich auf die Bereiche Fiat Professional Nutzfahrzeuge und Wohnmobile. Seit 2021 hat der Betrieb zudem die offizielle BOSCH Car Service Vertretung im Raum Schaffhausen und Klettgau inne und erweiterte damit ihren Service auf alle Automobilmarken. Die Garage beschäftigt heute sechs Mitarbeitende.

Sie unterstützten die Elektromobilität von Anfang an. Weshalb?

Jaquet: Wichtig war mir immer, der Entwicklung nicht hinterherzulaufen. Wenn man sich mit neuen Technologien erst dann auseinandersetzt, wenn es nicht mehr anders geht, ist man zu spät dran. Deshalb war es mir wichtig, schon früh alle möglichen Aus- und Weiterbildungen zu machen und uns selber Ladestationen und das nötige Werkzeug anzuschaffen. So hatten wir dann, als sich die neuen Technologien durchsetzten, auch keine Berührungsängste und konnten unsere Kundschaft bedürfnisgerecht und fliessend bedienen.

Hat sich dieser Einsatz gelohnt und Ihnen mehr Kundschaft eingebracht?

Jaquet: Nein, die Kundschaft entwickelt sich nach ihren eigenen Bedürfnissen. Meine Philosophie ist es vielmehr, meinem Kunden die von ihm gewünschte Dienstleistung zu erbringen, egal was es ist, und diesen Wunsch nicht zu werten. Ich glaube nicht, dass wir einen Kundenzuwachs hatten aufgrund unserer Offenheit neuen Technologien gegenüber, sondern eher, dass wir deswegen keine Abgänge verzeichnen mussten.

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Und was kommt als nächstes?

Jaquet: Ich erwarte, dass bis in fünf Jahren der Grossteil der Autos mit einer Hochvoltkomponente ausgestattet sein wird. So sind bereits heute die Neuwagen praktisch alle in irgendeiner Form hybrid. Der Anteil an Hybridautos nimmt also extrem zu, der Anteil an reinen Elektroautos befindet sich immer noch deutlich in der Minderheit. Längerfristig wird sich meines Erachtens eine Mischform etablieren, da es einfach zu verschiedene Bedürfnisse gibt, die man nicht mit einer einzigen Antriebsform abdecken kann. Ein Kurzstreckenfahrer, der in einem Eigenheim mit Solaranlage wohnt, der muss auf Elektro setzen. Auf der anderen Seite haben wir eine Transportfirma als Kunde, die Langstreckenlieferungen mit viel Tonnage bedient. Da macht meiner Meinung nach eine Kombination aus Diesel und Brennstoffzellen am meisten Sinn. Der Normalbürger wiederum wird sich irgendwo zwischen Elektro- und Hybridantrieben bewegen. Lebt er in einem Mehrfamilienhaus ohne (genügend) Lademöglichkeit, wird er wohl auf eine Hybridform setzen, die sich selber aus dem Kraftstoff heraus mit Batterien versorgt. In der Mobilität der Zukunft wird meiner Einschätzung nach für Verbrenner eine Entwicklung hin zu synthetischem Kraftstoff stattfinden, zudem werden Elektromobilität, Brennstoffzellen und alternative Formen, die wir heute vielleicht noch gar nicht kennen, das Spektrum ergänzen.

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