Krankes Kind, oder wie schmerzhaft Hilflosigkeit ist
In der Mami-Post resp. Papi-Post schreiben Sibylle, Mia, Ralph und Gastautoren über ihre Alltagsthemen, die sie beschäftigen, seit sie Kinder haben. Alle Artikel der Mami-Post sind hier zu finden. Alle weiteren Familien-Artikel findest du im Familien-Dossier.
Immer wieder dieses Piepen, dieses elende Piepen. Mein Sohn liegt neben mir im Bett und wieder schlägt sein Sauerstoffgerät Alarm. Seine Sauerstoffsättigung ist wieder in den kritischen Bereich gefallen. «Komm, wir müssen deine Atemübungen machen», sage ich zu ihm. Er ist müde, er will nicht, aber er tut es. Die Sättigung steigt wieder, das Piepen hört auf – bis zum nächsten Mal.
So habe ich es Anfang des Jahres wieder und wieder erlebt. Mein Sohn kam mit einer schweren Lungenentzündung ins Krankenhaus. Fieber, Atemnot, quälender Husten, Infusionen, Medikamente – das volle Programm. Mittendrin: sein hilfloser Papa, der alles mit ansehen muss und nichts anderes tun kann, als das fiebrige Köpfchen zu streicheln und zu hoffen, dass die Antibiotika, die mein Junior in die Venen bekommt, schnell anschlagen und er wieder nach Hause darf.
Zugegeben, das ist ein extremes Beispiel, aber es ist leider auch die Realität, die wir mit unseren Kindern teilen müssen. Denn es sind nicht nur die Spiele, manchmal der Ärger, manchmal die Sorge um schlechte Noten, es sind manchmal auch schwere Krankheiten, die plötzlich das Leben bestimmen.
Man kann nur da sein und wie ein Mantra wiederholen, dass alles wieder gut wird – und sei es nur, um sich selbst zu beruhigen und die Hilflosigkeit in solchen Situationen ein wenig zu lindern.
Mein Sohn hatte keinen leichten Start ins Leben. Gleich nach der Geburt hatte er eine Neugeboreneninfektion und verbrachte die ersten zehn Tage seines Lebens auf der Kinderintensivstation. Damals wie heute sitze ich an seinem Bett, halte ihn im Arm und versuche, irgendwie da zu sein – auch wenn ich nichts tun kann ausser hoffen. Und diese Hilflosigkeit ist wohl eines der schlimmsten Gefühle, die man als Eltern haben kann. Man sieht dieses geliebte kleine Wesen, das man beschützen will und das man vor allem von dem Bösen in dieser verrückten Welt fernhalten will. Aber man ist zum Zuschauen verdammt, weil man letztlich die Krankheitserreger und die Ursachen, die einem gerade Kummer bereiten, nicht bekämpfen kann. Man kann die Spritze nicht wegnehmen, die dem Kind weh tut. Man kann nichts gegen den Hustenanfall tun, der den kleinen Körper schüttelt. Man kann nur da sein und wie ein Mantra wiederholen, dass alles wieder gut wird – und sei es nur, um sich selbst zu beruhigen und die Hilflosigkeit in solchen Situationen ein wenig zu lindern.
Wer das nicht aushält, sollte sich das Kinderkriegen gut überlegen. Der Anblick eines kleinen, unschuldigen Wesens, das manchmal still, manchmal laut leidet, ist für jeden schwer zu ertragen, aber für Eltern fast unerträglich. Es ist keine Schande zu sagen, ich kann das nicht, aber dann muss man auch die Konsequenzen ziehen. Denn gerade in solchen Momenten brauchen Kinder mehr denn je jemanden, der bedingungslos für sie da ist und es mit ihnen aushält.
Aber: Gleichzeitig gibt es kaum etwas Erleichternderes als den Moment, in dem man merkt, dass es wieder aufwärts geht. Nach ein paar Tagen im Krankenhaus schnappte mein Sohn nicht mehr so nach Luft wie vorher. Einen Tag später wollte er wenigstens für ein paar Minuten mit mir auf den Spielplatz des Krankenhauses gehen.
Ein paar Tage später durfte er nach Hause. Kein Piepsen mehr, kein Sauerstoffgerät – und zumindest bis zur nächsten Krankheit keine Hilflosigkeit mehr, weil man nichts tun kann, wenn der eigene Nachwuchs leidet.
Hier schreibt Ralph:
39 | Alleinerziehender Papi | schreibt über die Alltagstücken als Alleinerziehender