Die lange Reise des Schaffhauser Sushi-Masters
Der Weg zur Verwirklichung des eigenen Traums ist oft steinig. Ken Tappolet führte er von Schaffhausen nach Japan, dann nach Zürich und wieder zurück in die Heimat. Mit der Eröffnung des «Kento» in der Schaffhauser Altstadt hat der Sushi-Master nun seinen Platz gefunden. Er schuf ein kleines Stück Kyoto mitten im kleinen Paradies. Wir haben ihn besucht und ihm in der Küche über die Schulter geschaut. Entstanden ist ein spannender Einblick in die japanische Kulinarik und in die Herausforderungen, die ein Junggastronom in Schaffhausen zu meistern hat.
Zuweilen sind die Herausforderungen auch in der gehobenen Gastronomie ziemlich profan: Bevor der Schaffhauser Sushi-Master Ken Tappolet der Reporterin über die Feinheiten der japanischen Küche berichten kann, muss er erst einmal einen dicken, schweren Kühlschrank quer durch sein Lokal bugsieren. Dieses befindet sich an der Webergasse mitten in der Schaffhauser Altstadt, im ehemaligen Roseneck. Und auch wenn es gerade laut scheppert und rüttelt, das Restaurant strahlt eine besondere Ruhe aus: Minimalistisch, schlicht, erdtonfarben, mit Origami-Vögelchen, die das Fenster schmücken.
Weg mit dem Stress
«Das Design fürs Kento entwarf ein Freund vom Architekturbüro Stäheli in Frauenfeld, der selbst mit einer Japanerin verheiratet ist und auch in Japan studiert hat», erklärt Ken Tappolet. Er wusste genau, was dem Restaurantbetreiber vorschwebte: Mit wenigen Elementen, jedoch punktuell am richtigen Ort platziert, den Touch des japanischen, gradlinigen Minimalismus zur Geltung bringen. «Ich möchte meinen Gästen einen ‘cozy place’ bieten, an dem sie beim Eintreten den Stress hinter sich lassen können und das Gefühl haben, in einen neuen Raum einzutauchen.» Dabei soll es wenig visuelle Ablenkung geben. «Denn es sind die Gäste, die das Lokal beleben und Farbe bringen», sagt Tappolet. Und natürlich die kunstvoll angerichteten Sushis und Sashimis.
Silblingen, Schaffhausen, Kyoto
Wie aber wurde aus dem Siblinger Ken Tappolet ein Sushi-Master? Als Sohn von Martin und Sayuri Tappolet, die in zweiter Generation die Küche des Siblinger Randenhauses führten, wuchs der heute 48-jährige in einem Gastrobetrieb auf. So trat er denn auch in die Fussstapfen seines Vaters und absolvierte in Schaffhausen im Restaurant Frieden seine Kochlehre. Nach ein paar Jahren Berufspraxis in Zürich wollte er jedoch den zweiten Teil seiner Wurzeln kennenlernen: Er zog zu seiner Grossmutter nach Kyoto, dem kulturellen Zentrum Japans, wo er unter anderem in einem Glasmalerei- und Mosaikstudio seine künstlerische Seite auslebte.
Vier Jahre später kehrte er in die Schweiz zurück, mittlerweile verheiratet mit Rin, einer «Kyoto-jin», die er an seinem ersten Tag in Japan kennengelernt hatte. Er stieg wieder in die Gastronomie ein und bekam einen Job als Hilfskoch im «Kabuki» am Zürcher Bellevue bei Shinji Tanaka. Dieser war von der japanischen Gesellschaft zum Botschafter der japanischen Gastronomie gekürt worden und daher ein exzellentes Vorbild, dem Ken nacheifern konnte. Bei ihm lernte er das Sushi-Geschäft von Grund auf, bevor er als Sushi-Master zurück in die Schaffhauser Heimat in den Güterhof wechselte.
Testlauf in der The_ke
Viele seiner Stammkunden hätten ihn schon länger ermutigt, etwas Eigenes zu machen. Irgendwie wurden es dann aber 13 Jahre im Güterhof und selbst danach sei die Zeit irgendwie noch nicht reif gewesen, es fehlte einfach noch das richtige Objekt. So war er glücklich, in der The_ke zuerst als Pop-up, danach als Shop-in-Shop, ein Plätzchen zur Verfügung gestellt zu bekommen. Dies war für ihn auch ein guter Zwischenschritt in die Selbständigkeit und ein Testlauf, ob ihm seine Stammgäste folgen würden. Und das taten sie.
Denn Stammkundschaft ist für das Überleben des Kento unabdingbar. Es handelt sich dabei mehrheitlich um Menschen mit hohem Lebensstandard, die das authentische Ambiente und die Harmonie und Ruhe eines japanischen Restaurants schätzen. Und genau das kann Ken Tappolet ihnen nun bieten: ein kleines Stück Kyoto in Schaffhausen. Denn das will der Name Kento ausdrücken – unter anderem. Es ist eine Wortkreation, die neben dem Bezug zu Kyoto auch Kens Vorname und die Initialen seines Nachnamens beinhaltet: Ken Tappolet-Oshikamo.
Guter Start, viel Arbeit
Mit den ersten zweieinhalb Monaten seiner Eigenständigkeit ist Ken sehr zufrieden. Aber von nichts kommt nichts. So ist er seit der Eröffnung am 12.12. praktisch sieben Tage die Woche am Durcharbeiten. An den Tagen, an denen geöffnet ist, heisst dies Präsenz von morgens um 9 Uhr bis abends um 23 Uhr. «Es gibt einfach noch so viel zu tun in der Startphase. Pausen muss ich fast einüben, ich bin richtig im Flow und weiss jeweils gar nicht mehr, wo die Zeit bleibt.» Aber Flow bedeutet ja auch Zufriedenheit. Und diese empfindet Ken Tappolet. Er hat seinen Platz gefunden, gerade auch in der Webergasse, in der er sehr herzlich willkommen geheissen wurde. Man ziehe hier als Geschäfte wirklich am gleichen Strick und es herrsche ein richtiges Zusammengehörigkeitsgefühl.
Doch wie ist er nun eigentlich im Roseneck gelandet? Das Objekt sei ihm bereits letzten Sommer angeboten worden, erzählt er. Es habe ihm auch gefallen, trotzdem empfand er damals den Zeitpunkt als nicht günstig. Aber irgendwie sollte es einfach sein und so poppte das Objekt immer wieder und auf verschiedenste Weise bei ihm auf. Als dann schliesslich die Unterschrift erfolgt war, kam auch der Rest wie von selbst – Dinge, über die er sich tausendmal den Kopf zerbrochen hatte, fügten sich nun wunderbar, ganz ohne Krampf. Zudem erfährt er Unterstützung von rechts und links.
Kein Selbstläufer
Und doch: ein Selbstläufer ist das Kento definitiv nicht. Neben der enormen Präsenz muss auch viel bewegt werden, um es auf eine schwarze Null zu schaffen. Das Risiko bleibt, schliesslich trägt er nun neben der Verantwortung für seine Familie auch die für seine Angestellten mit. Momentan verteilt er die Arbeit bewusst auf verschiedene Schultern: Die seiner Frau, einer Serviceangestellten, die die meisten Mittagsschichten übernimmt, zwei Mitarbeiterinnen, die nur einen spezifischen Abend übernehmen und jemanden, der einfach gewisse Abende und den Samstagmittag abdeckt. Zudem wird neu, nachdem der Start geglückt ist und es die Umsatzzahlen zulassen, ein Hilfskoch dem Sushi-Master in der Küche etwas unter die Arme greifen.
Die Kundschaft ist im Kento breit gemischt. Es gebe einige ältere Semester, sagt Tappolet, die viel herumgereist seien oder eine Zeit im Ausland gelebt hätten und die das Exotische nun in der Heimat suchten. Auch Expats, Geschäftsleute und immer mehr japaninteressierte Jugendliche, die teilweise gar japanisch sprechen und dies im Lokal gerne üben. Für die Qualität von Tappolets Küche spricht, dass gar Zürcher nach Schaffhausen anreisen. Witzig sei, dass diese die Preise hier als sehr tief einstufen, wohingegen Schaffhauser sich über die Höhe beschweren. Aber Qualität habe einfach seinen Preis. Während Tappolet die Fischpreise als eigentlich noch zu tief für all die damit verbundene Arbeit einstuft, machen ihm die Preissteigerungen vieler anderer Grundzutaten zu schaffen. So ist beispielsweise der Reis heute doppelt so teuer wie noch vor wenigen Jahren. Für sein Sushi verwendet Ken einen japanischen Sushi-Reis. Dieser hat ein rundes, kleines Korn, ähnlich wie Risottoreis und klebt gut. «Alles hängt von der richtigen Balance Reis und Fisch ab», erklärt er. «Und dabei ist nicht nur der Fisch entscheidend. Für einen Japaner bedeutet Reis Leben. Wenn der Reis nicht genau richtig ist, schmeckt das Endprodukt, auch mit noch so gutem Fisch, nicht.»
Augen, Nase und Gefühl
Für die Güte der Speisen sind neben den qualitativ hochwertigen Produkten vor allem die Erfahrung und der richtige Umgang mit den Grundzutaten wichtig. Und: «Ein guter Sushi-Master hat vor allem seine Augen, Nase und sein Gefühl geschult, um ein form- und geschmackvollendetes Produkt kreieren zu können.» Gerade bei einem freien Auftrag, wenn er beispielsweise selber Platten für eine Partygesellschaft zusammenstellen darf, beginnt Ken Tappolet in den verschiedenen intensiven Farben von Fisch, Meerestieren, Früchten und Gemüsen Bausteine zu sehen, mit denen er ein farbliches Kunstwerk zaubern kann: Quasi ein Mosaik aus Sushi-Bausteinen, mit dem er auch Emotionen beim Gast wecken möchte. Hier kommt ihm nun die Erfahrung als Kunsthandwerker zugute, die er in Kyoto erwarb.
Längjährige Zusammenarbeit
Mittlerweile ist auch der Fisch eingetroffen. Seit seiner Güterhofzeit bezieht er diesen und alle sonstigen Meerestiere bei Oceanis. Die langjährige Zusammenarbeit ist wichtig, denn die richtige Handhabung eines Fischs ist gemäss Tappolet matchentscheidend. Vor allem der Umgang mit Thunfischfleisch sei so delikat wie der Umgang mit einem Babypopo – zuviel Nässe schade und verschliesse beim Fisch die Fleischporen, so dass dieses regelrecht ersticke.
Im Gegensatz zu Japanern, bei welchem er eher eine untergeordnete Rolle spielt, lieben die Schweizer zudem Lachs. So machen die beiden Fischsorten 80 Prozent der verwendeten Fischmenge aus. Kleinere Mengen Königsmakrelen, die Ken mit ihrem nussigen Geschmack begeistern, Jakobsmuscheln, Crevetten und Schneekrabben runden das Sortiment ab.
Fertig zugeschnitten wird der Fisch erst bei Bestellung. «Die Kundschaft weiss, warum sie zu mir kommt. Sie schätzt die frische Ware und ich habe das Glück, dass sie bereit ist, auch einmal etwas länger darauf zu warten», erklärt Tappolet. Auch für ihn ist ein solches Arbeiten nicht einfach, denn er kennt die Wünsche der Gäste nicht im Voraus: «Jeder Tag ist ein Abenteuer. Es kommt eigentlich nie so wie geplant.»