Gesucht: Ämtliplan, praxistauglich
Eva-Maria Brunner über Heinzelmännchen und Aufgaben, auf die sie keine Lust haben
Es waren einmal Eltern, die wussten, dass ihre Kinder Ämtli brauchen. Sie passten diese dem Alter, den Interessen und den motorischen Fähigkeiten ihres Nachwuchses an. Es gab ja so viele geeignete Einsatzmöglichkeiten für Kinder, die darauf brannten, sich im Haushalt zu engagieren. Schnell wurde den Kleinen bewusst, dass weder die Putzfee, nachtaktive Heinzelmännchen oder allein die aufopfernde Mutter dafür zuständig sind, dass das Essen auf dem Tisch steht oder das Lieblingsshirt gewaschen im Schrank liegt. Die Kinder erledigten ihre Aufgaben pünktlich, fröhlich und so, wie sie von ihren Eltern instruiert worden waren. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann jäten sie noch heute.
Weg vom Märchenbuch, hin zum Duden: Amt, das bezeichnet a) eine offizielle Stellung oder b) eine Aufgabe, zu der sich jemand bereitgefunden hat. So weit, so unzutreffend.
In der 1. Klasse fühlt man sich geadelt, wenn man als «Blattlaus» Arbeitsblätter verteilen oder als «Tafelmaus» die Wandtafel putzen darf. Kraft des verliehenen Amtes wird man wichtig und übt dieses in Würde aus. Aber zu Hause und mit Teenagern? Da wird offiziell diskutiert und gefeilscht. Häufig auch «vergessen». Eher selten findet sich einer bereit.
Tetris oder Freestyle
Tatsächlich fand ich es relativ einfach, für die Kinder Ämtli festzulegen, als sie noch jünger waren. Den Orangensaft aus dem Keller zu holen, einen Brief in den Kasten zu werfen oder Körner ins Vogelhäuschen zu streuen machte dem Nachwuchs Spass und mir gab es das gute Gefühl, nach Lehrbuch zu handeln. Womit ich mich von Anfang an schwertat, war die Regelmässigkeit. Es gab nicht jede Woche einen Brief einzuwerfen. Vögel brauchen nicht täglich und schon gar nicht im Sommer gefüttert zu werden. Tisch decken kann nur derjenige, der zu Hause ist und nicht als Letzter der Familie zur Türe hereinschlurft.
«Mir stinkt es, permanent zu mahnen und zu protokollieren, wer wann was gemacht hat.»
Beim Wäscheaufhängen den Achtjährigen auf eine Leiter steigen lassen, damit er an die Leine kommt? Während dem Zwiebelschneiden in der Nähe sein, damit gegebenenfalls mit Tipps zur Schneidetechnik oder einem Pflaster geholfen werden kann? Beim Befüllen der Geschirrspülmaschine abwägen, ob ich auf mein ausgeklügeltes System (Tetris lässt grüssen) beharre oder damit leben kann, dass die Kids eher zur Freestyle-Fraktion gehören? Das macht alles zweifellos Sinn, kostet aber Zeit und Energie. Und beides habe ich nicht immer. Kommt dazu: Für tadellose Haushaltsführung werde ich nie bekannt werden. Da diene ich nur bedingt als Vorbild.
Der «Wäh»-Faktor
Eine Weile existierte ein Plan mit diversen Aufgaben, je nach Aufwand oder «Wäh-Faktor» mit verschiedener Punktzahl versehen. Beide Kinder mussten innerhalb einer Woche ihr Soll erfüllen. Und Komposteimer leeren rentierte punktmässig mehr als Blumen giessen. Sie sehen, viel Gedankenarbeit im Vorfeld. Leider wenig Durchhaltevermögen bei der Durchführung. Und zwar auf allen Seiten. Mir stinkt es, permanent zu mahnen und zu protokollieren, wer wann was gemacht hat. Quasi mein «Wäh».
Ich male mir aus, wie es Pünktchen oder Anton in der ersten WG ergehen wird. Schräger Lidstrich, weil Zahnpasta-Flecken am Badezimmerspiegel die Sicht behindern? Pizza und Döner, weil kein Teller mehr sauber ist? Auf sich selbst gestellt oder vom Mitbewohner zusammengefaltet, werden sie wahrscheinlich ziemlich bald merken, wann und wo welcher Einsatz gefragt ist.
Manchmal läufts schon jetzt: Sie mähen den Rasen, kaufen ein oder kochen. Spontan. Weil sie sehen, dass es gemacht werden muss. Weil sie sich als Teil eines Teams verstehen. Weil auch sie nicht immer Bock auf Diskussionen haben.
Aktuell erproben wir gerade mal wieder ein neues System. Erfolgsaussichten noch ungewiss.