Elektroschock, aber ohne Tiefenwirkung

Zu «Elektroschock», in den SN vom 4. Februar
Sehr geehrter Herr Geisseler: Vielen Dank, dass Sie dieses Thema aufgegriffen haben. Sie erkennen, dass die heutigen Stromzertifikate eher Etikettenschwindel als wertvolle Produkte sind. Als Journalist haben Sie sicher tiefer gebohrt, um herauszufinden, warum solche Zertifikate angeboten werden – und nicht etwa vertrauensvollere Produkte mit nachweisbarer Lieferkette. In Ihrem Kommentar kratzen Sie jedoch leider nur an der Oberfläche eines fundamentalen Problems der Schweizer Stromwirtschaft, nämlich deren Lustlosigkeit, innovative Produkte zu entwickeln. Auf die Frage «Warum lancieren EKS und Co solche halbherzigen Produkte?» gehen Sie nicht ein. Um Ihre Recherche ein wenig zu beflügeln: Stellen Sie sich vor, der Kunde könnte Strom bei dem Kraftwerk seiner Wahl bestellen, welches für ihn das attraktivste Angebot macht. Dieses Kraftwerk produziert dann minutengenau den Strom, welchen der Kunde verbraucht, also aus Wasserkraft, Solarstrom, Windkraft oder Atomkraft. Für die Stromlieferung zahlt der Kunde eine Gebühr für die Netzinfrastruktur, ähnlich der Autobahnvignette oder LSVA. Dies ist heute leider (noch) nicht möglich. Im Mai stimmen wir über die Energiestrategie 2050 ab. Sagt das Stimmvolk Ja, kann die Strombranche das von Zeno Geisseler beschriebene Problem lösen.
Matthias Sulzer, Professor für Energie- und Gebäudetechnik
Schaffhausen