Katzenperspektiven
Natur und Umwelt: Barbara Gehring über Katzen, Vogelkinder und sterile Gärten.
Darf ich mich vorstellen? Ich bin das schönste, klügste, liebste und interessanteste Haustier. Zwar habe ich hierzulande mehr als eine Million Artgenossen. Aber die können mir nicht das Wasser reichen. Meine Menschenfamilie habe ich mir selber ausgesucht, denn man sollte sein Schicksal möglichst selber in die Hand respektive Pfoten nehmen. Ich lebe in einem Haus und einem spannenden Garten mit vielen Verstecken, schattigen und sonnigen Ruheplätzchen – je nach aktuellem Bedarf. Mit Bäumen zum Klettern und Krallenwetzen. Überall stehen weiche Sessel bereit – extra für mich. Schliesslich bin ich ein Prinz, Prinz Fägaro.
Froh bin ich, dass es nirgends in meinem Garten nach Chemie oder sonstigen Scheusslichkeiten stinkt. Ich habe eine sehr feine Nase, Adel verpflichtet. Einen englischen Rasen hat meine Menschenfamilie zwar nicht. Aber eine Wiese mit Blumen und vielen Insekten. Ein grosser, pelziger Brummer hat mich kürzlich in die Nase gestochen, als ich mit ihm spielen wollte. Tat das weh! Nun bin ich etwas vorsichtiger geworden.
Um meinen Adelsstand zu unterstreichen, trage ich ein silberglänzendes Halsband mit Glöckchen. So können alle hören, wenn ich komme. Das ist praktisch. Auch damit mein Futter rechtzeitig bereitsteht …
Jetzt gerade macht meine Menschenfamilie etwas Stress. Es gibt plötzlich Vögel im Garten, die kaum fliegen können und sich auch sonst extrem doof benehmen. Vogelkinder sollen es sein. Und es ist so ein Gezeter, dass mir die Ohren wehtun. Nun muss ich wohl einige Tage drinnen bleiben. Das kenne ich vom letzten Jahr. Blöd, aber es geht vorüber.
Überhaupt ist das mit den Vögeln so eine Sache. Meine Menschen haben mir erklärt, dass auch andere Tiere überleben sollen. Die Rasse der Hauskatze – zu der ich gehöre – sei keine einheimische Tierart. Sie stamme ursprünglich aus Ägypten. Im Gegensatz zur inländischen Wild- oder Waldkatze. Das weiss ich doch auch. Meine Vorfahren haben dafür schon in den Getreidespeichern der Pharaonen einen guten Job gemacht und dort Mäuse gefangen. Und wurden darum auch als Gottheit verehrt. So war das.
Und zu sagen habe ich noch, dass die Menschen die grössten Feinde der Vögel sind. Sie haben die Glasscheiben erfunden, mit denen Vögel kollidieren und Jahr für Jahr zu Hunderttausenden sterben. Gefährlich für Vögel (und Katzen) sind auch der Strassenverkehr, die kaputten, sterilen Gärten, die ausgeräumten Landschaften und das viele Gift, das die Bauern spritzen.
Aber ich leiste auch meinen Beitrag, dass die Vogelkinder flügge werden können. Denn Vögel fangen auch Insekten, die mich in die Nase stechen könnten.
Dann und wann lässt mich meine Menschenfamilie im Stich. Sie packt einfach den Koffer und geht auf den Zug. Zwar gibt mir dann eine liebe Nachbarin zu fressen. Aber bitteschön, das ist trotzdem nicht fair. Denn wenn ich einmal «verreise», gibt es eine Riesenaufregung. Es werden Zettel verteilt, und überall wird nach mir gesucht. In den Kellern und Estrichen sämtlicher Nachbarhäuser. Zumindest herrscht, wenn ich dann wieder auftauche, eine Riesenfreude.
Zu meinen Lieblingsbeschäftigungen gehören Schlafen, Fressen, Putzen, Spielen, Schnurren und Mich-Streicheln-Lassen. Besonders toll finde ich es, bei der Gartenarbeit zuzuschauen. Werden wirklich die durstigen Blumen gegossen, die richtigen Pflanzen geschnitten oder aufgebunden? Wie ein Hund folge ich dann meinem Frauchen durch den Garten. Moralische Unterstützung ist ja auch sehr wichtig. Miau!