Nachhaltigkeit muss messbar sein!

Klimakrise, Populismus, Greenwashing – können wir noch Kurs halten? Neue Perspektiven auf eine messbare «nachhaltige Wertschöpfung» für Unternehmen in einer kriselnden Welt.
von Martin Nerlinger*
Die Welt ist in Aufruhr: Der in Baku beschlossene Klimaschutzfonds in Höhe von 300 Milliarden Dollar ist ein Tropfen auf den immer heisser werdenden Stein. Es reicht nicht. Wie kann es weitergehen? Nach Baku (COP29) ist vor Belem (COP30). Und vor Donald Trump, der es gerne warm hat und den Klimawandel leugnet. Politik, aber insbesondere unsere Wirtschaft sind gefordert, jetzt zu handeln.
Unternehmen stehen im Fokus des Wandels, sowohl als Teil des Problems als auch als unverzichtbare Akteure der Lösung. Hier setzt das Konzept der «nachhaltigen Wertschöpfung» an. Nachhaltige Wertschöpfung bedeutet für Unternehmen, Verantwortung zu übernehmen – mit Strategien, die langfristigen Wert schaffen. Für die Aktionäre, für die Mitarbeitenden, ganz besonders aber auch für Gesellschaft und Umwelt.
«Nachhaltige Wertschöpfung muss zum Kern unternehmerischen Handelns werden – als Fundament für langfristiges Wachstum und Stabilität.»
Greenwashing führt dabei nicht ans Ziel. Nachhaltige Wertschöpfung muss zum Kern unternehmerischen Handelns werden. Sie ist mehr als Marketing. Sie ist das Fundament für langfristiges Wachstum und Stabilität.
Klarheit durch tatsächlich messbare Nachhaltigkeitskriterien
Nachhaltigkeit muss messbar sein. Es braucht Klarheit. Wie diese geschaffen werden kann, zeigt eine neue Untersuchung, die mein Kollege Tomas Casas i Klett und ich erstellt haben. In der ersten Edition von «Value Creation Ratings Pilot Report 2024» (Die nachhaltige Wertschöpfung von Unternehmen) beleuchten wir, welche Firmen und Branchen langfristig finanziellen und gesellschaftlichen Wert schaffen, etwa durch Innovation, Umweltbewusstsein und ethisches Handeln. Wir zeigen aber auch, welche Firmen lediglich Greenwashing betreiben, statt echte Lösungen zu liefern. Dabei wird deutlich: Unternehmen, die auf Transparenz und messbare Nachhaltigkeit setzen, profitieren. Einerseits finanziell, etwa durch niedrigere Reputationsrisiken, weil man als Unternehmen mal nicht am nächsten Umweltskandal beteiligt ist. Man wusste vorher Bescheid und hat frühzeitig handeln können. Und anderseits gewinnen die Unternehmen das Vertrauen von Investoren, Politik und Gesellschaft für langfristige, gemeinsame Profitabilität zurück.

Einige konkrete Erkenntnisse aus unserem Bericht: Während der Automobilsektor durch Elektromobilität und CO2-Reduktion eine Vorreiterrolle in einer neuen Mobilitätsstrategie einnehmen kann, zeigt der Technologiesektor Nachholbedarf in sozialen Belangen und der Ausnutzung seiner Marktmacht. Der Öl- und Gassektor steht unter immensem Druck, gesetzte Klimaziele zu erreichen, dafür investiert er nun intensiv in seine Mitarbeitenden und kann hier erste Erfolge vorweisen. Zahlreiche Unternehmen in Chemie und Pharma in Ländern wie Deutschland, Japan und Südkorea können dank umfangreicher, nachhaltiger Unternehmensstrategien punkten. In jedem der fünf untersuchten Wirtschaftssektoren finden sich grüne, nachhaltige, soziale, finanziell erfolgreiche Unternehmen, und solche, die es genau nicht sind.
Gemeinsam ist allen Unternehmen: Es gibt zahlreiche Themen, in denen sie bereits nachhaltig agieren, in anderen gibt es noch einen grossen Nachholbedarf. Unser Bericht klärt auf, wo und wie nachhaltig Wert geschaffen werden kann. Das ist die Grundlage für Unternehmen, um strategischer steuern und abwägen zu können, in welche Nachhaltigkeitsthemen sie investieren sollten. So wird deutlich, welchen zusätzlichen Nutzen, etwa finanzielle Gewinne, sie damit erzielen können. Mit dieser «Übersetzungsleistung» der Studie ist sehr viel gewonnen. Wenn Nachhaltigkeit kein Spezialistenthema mehr ist, sondern von jedem innerhalb und ausserhalb eines Unternehmens verstanden wird, dann kann nachhaltiger gemanagt und investiert werden.
Die Herausforderungen sind enorm, doch ganzheitliche Lösungen, wie unser Konzept der «nachhaltigen Wertschöpfung», bieten eine greifbare Perspektive. Unternehmen müssen sich ihrer Verantwortung bewusst werden, nicht nur für ihre Aktionäre, sondern für die Gesellschaft als Ganzes. Und sie müssen jetzt handeln – bevor die grössten Herausforderungen unserer Zeit wie die Klimakrise unüberwindbar werden.
*Martin Nerlinger ist Assistenzprofessor an der Universität St. Gallen und Experte für nachhaltige Finanzwirtschaft. Als Mitautor des Value Creation Ratings Pilot Report 2024 zeigt er auf, wie Unternehmen ihren Beitrag zu einer nachhaltigen Gesellschaft leisten können.