München: Auto fährt in Demo – mindestens 28 Personen teils schwer verletzt

In der Münchner Innenstadt läuft eine Demo, als plötzlich ein Auto in mehrere Menschen fährt. Bei dem Fahrer handelt es sich um einen afghanischen Asylbewerber. Er wurde festgenommen. Was derzeit bekannt ist.
Der Ablauf
Ein Mann fährt gegen 10.30 Uhr am Münchner Stiglmaierplatz mit einem Auto von hinten in einen Demonstrationszug der Gewerkschaft Verdi. Die Verletzten: Mindestens 28 Menschen wurden nach Angaben der Polizei verletzt, einige von ihnen schwer. Nach ersten Angaben der Feuerwehr ist Lebensgefahr bei einigen Menschen nicht auszuschliessen. Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) teilte mit, es seien auch Kinder unter den Verletzten.
Bayern: Auto in Münchner Menschengruppe gefahren. Video: CH Media Video Unit
Der Verdächtige
Bei dem Fahrer handelt es sich laut Polizei um einen 24 Jahre alten Asylbewerber aus Afghanistan. Der Mann sei gefasst worden, bei der Festnahme habe die Polizei auch geschossen. Der Fahrer sei bei der Festnahme «leicht verletzt» gewesen. Es handelte sich aber nicht um eine Schussverletzung, wie die Polizei weiter erklärte. Von ihm gehe derzeit keine weitere Gefahr aus, sagte ein Sprecher.
Es gibt nach Polizeiangaben keine Hinweise auf weitere Beteiligte. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erklärte, dass der Mann als Asylbewerber ins Land gekommen sei, sein Asylantrag aber «wohl» abgelehnt worden sei. Gleichzeitig sei festgestellt worden, «dass er eben im Moment nicht abgeschoben werden kann und er deshalb sich weiter in unserem Land aufhalten durfte», erklärte Herrmann.

Entgegen ersten Meldungen sei der Mann nicht in grössere Straftaten verwickelt gewesen, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Abend im ZDF. Er fügte an: «Er war sogar Zeuge in Strafverfahren gegen andere.» Kleinere Verfahren gegen den Mann seien eingestellt worden.
Zuvor kursierte die Meldung, dass der Mann «mit Betäubungsmitteln und Ladendiebstählen aufgefallen» sei.
Der Tatverdächtige war nach dpa-Informationen bereits seit Herbst 2020 ausreisepflichtig. Ende 2016 war er als unbegleiteter Minderjähriger nach Deutschland gekommen. Zuvor soll er sich in Italien aufgehalten haben. Er hatte wenige Wochen nach seiner Ankunft einen Asylantrag gestellt, der im September 2017 abgelehnt worden war. Dagegen klagte der junge Mann - allerdings ohne Erfolg.
Er soll nun in einem Mehrfamilienhaus im Münchner Stadtteil Solln gewohnt haben, seine Wohnung wurde nach dpa-Informationen durchsucht. Die Polizei und die Generalstaatsanwaltschaft äusserten sich zunächst auf Anfrage nicht.
Die Verletzten
Mindestens 28 Menschen wurden nach Angaben der Polizei verletzt, einige von ihnen schwer. Nach ersten Angaben der Feuerwehr ist Lebensgefahr bei einigen Menschen nicht auszuschliessen. Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) teilte mit, es seien auch Kinder unter den Verletzten.

Der Einsatzort
Der Stiglmaierplatz liegt in der Münchner Maxvorstadt. Auch einige Strassen vom Stiglmaierplatz entfernt standen am Vormittag mehrere Rettungswagen.
Das Motiv
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von einem «furchtbaren Anschlag». Erste Hinweise auf ein islamistisches Tatmotiv gibt es in sozialen Netzwerken: Der Verdächtige soll vor der Tat einen mutmasslich islamistischen Post abgesetzt haben. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur hat der Afghane einen entsprechenden Inhalt in sozialen Netzwerken geteilt. Der «Spiegel» hatte zuvor von mutmasslich islamistischen Beiträgen des Verdächtigen geschrieben.
Nach Angaben von Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) hat die bayerische Zentralstelle für Extremismus und Terrorismus der Generalstaatsanwaltschaft die Ermittlungen aufgenommen. Vom Bundesamt für Verfassungsschutz hiess es, das Bundesamt sei «eng in die Untersuchungen eingebunden» und stehe mit den Behörden vor Ort im Austausch.
Die Hintergründe
Wie und warum es zu dem Vorfall kam, ist noch nicht geklärt. Um weitere Hinweise zu sammeln, auch zu einer möglichen islamistischen Motivation des Täters, richtete die Polizei eine Zeugen-Sammelstelle ein und rief auf der Plattform X dazu auf, relevante Videos und Bilder in einem Internetportal hochzuladen.
Die Reaktionen
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte vor Ort: «Es handelt sich mutmasslich um einen Anschlag.». Ausserdem kündigte Söder Konsequenzen an. «Wir reagieren bei jedem solchen Anschlag besonnen, aber ich sage Ihnen auch, dass unsere Entschlossenheit wächst. Es ist nicht der erste Fall, und wer weiss, was noch passiert.»

Neben der Aufarbeitung des Einzelfalls und der Anteilnahme müsse der Vorfall Konsequenzen nach sich ziehen, betonte Söder. «Wir können nicht von Anschlag zu Anschlag gehen und Betroffenheit zeigen (...), sondern müssen auch tatsächlich etwas ändern.»
Kanzler Scholz erklärte, dass der Täter «bestraft werden» und «das Land verlassen» müsse. Er müsse in das Land zurückkehren, «aus dem er gekommen ist», bekräftigte Scholz. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte die «maximale Härte» des Rechtsstaats und umfassende Aufklärung an. Deutschland schiebe als einziger Staat in Europa nach Afghanistan ab - und werde dies auch weiterhin tun, sagte Faeser.

Bayerns Innenminister Herrmann warf der Bundesebene dagegen vor, nur wenige Abschiebungen nach Afghanistan zugelassen zu haben. Bei «Tausenden von Afghanen mit abgelehntem Asylantrag» habe bislang keine Abschiebung stattfinden können, kritisierte Herrmann. Die bayerische AfD forderte indes den Rücktritt von Hermann und Söder. Söder sei nicht in der Lage, «unsere Sicherheit zu gewährleisten». (dpa/chm)