«Zwingli»-Film: «Kamera ab und Action!» in Stein am Rhein
Um 100 Bewohner wird Stein am Rhein in den nächsten Tag reicher: Die «Zwingli»-Filmcrew kommt ins Städtchen. Vor der Kamera stehen werden auch viele, teils sehr haarige, Steiner.
«Zwingli»-Film: Das Wichtigste in Kürze
Von Februar bis April 2018 wird der «Zwingli»-Film in Zürich, Stein am Rhein und Baden-Württemberg gedreht.
Insgesamt 37 Drehtage sowie über 300 Schauspieler und Statisten benötigt das aufwendige Filmprojekt. Die Gesamtkosten betragen rund 5.7 Millionen Franken.
Am 24. Januar 2019 wird der Film auf Schweizerdeutsch in die Kinos kommen.
Kommende Woche ist es so weit: Dann werden über 100 Schauspieler und Statisten viel Trubel, aber auch eine Menge Heiterkeit ins bisher noch verschlafene Stein am Rhein bringen. Nachdem letzte Woche im Zürcher Grossmünster gefilmt wurde, beginnen die Dreharbeiten des «Zwingli»-Filmes am Mittwoch auch im Kloster Sankt Georgen und in der Rhigass, wo man das mittelalterliche Zürich in den letzten Wochen nachbaute.
Zwingli mochte Humor und Frauen
Lange wurde auf den Drehbeginn hingearbeitet. Schon vor etwas mehr als vier Jahren begann die Produzentin Anne Walser der Filmproduktionsfirma C-Films AG («Schellenursli», «Mein Name ist Eugen», «Grounding») mit der Entwicklung des Projektes. Dabei wurde ihre Faszination für den Zürcher Reformator von Tag zu Tag grösser. Denn so lustfeindlich oder «zwinglianisch», wie man ihn sich vorstellt, war Zwingli überhaupt nicht. Er war alles andere als eine Spassbremse. «Zwingli hatte viel Humor und Selbstironie. Er sprach sehr deftig und war auch den Frauen überhaupt nicht abgeneigt», sagt Anne Walser. Gleichzeitig hatte der Reformator aber auch einen messerscharfen Verstand, prangte Missstände an und hatte keine Angst, sich mit den Mächtigsten seiner Zeit anzulegen. Ein facettenreicher, manchmal auch widersprüchlicher Mensch. «Zwinglis Leben bietet alles, was einen guten Film ausmacht: Emotionen, Drama, eine Liebesgeschichte, Spannung und sogar ein wenig Action», so Anne Walser. Eine wunderbare Vorlage für die C-Films AG. Die Filmproduktionsfirma verwendet nämlich stets Schweizer Geschichte als Nährboden für spannende Filme. Und auch der Kontext passte: Denn von 2018 bis 2019 wird in der Deutschschweiz das Jubiläum «500 Jahre Reformation» gefeiert. Trotz idealer Ausgangslage und passendem Kontext war der «Zwingli»-Film ein speziell herausforderndes Projekt.
Einer der teuersten Schweizer Filme
Denn es ist ein absoluter Kraftakt, die Filmlocations ins 16. Jahrhundert zurückzuversetzen. Für den Dreh müssen nämlich Kirchenbänke entfernt werden und die Kirchenräume mit Heiligensujets, Wandmalereien, vergoldeten Altarbildern, Kissen, Decken und Kerzenständern ausgestattet werden. Aber auch der Boden muss so übermalt werden, dass er dreckig und staubig wirkt und der damaligen Zeit entspricht. In Stein am Rhein übernimmt diese Aufgabe das Baugeschäft Wagner. Kommen aufwendig verarbeitete und teure Kostüme hinzu, die gemietet werden müssen, plus eine hochkarätige Besetzung. Das alles erfordert viel Geld. Rund 5.7 Millionen Franken kostet der «Zwingli»-Film insgesamt. Damit ist er einer der teuersten Schweizer Filme. Das Budget sei jedoch für einen historischen Film bescheiden, sagt Produzentin Anne Walser.
Möglich war das Projekt nur mit der finanziellen Unterstützung des Bundesamtes für Kultur, der Zürcher Filmstiftung, des Schweizer Fernsehens, der Evangelisch-reformierten Landeskirche und der Zürcher Kantonalbank. Aber auch der Verein «Zwingli-Film Freundeskreis», die Windler-Stiftung und die Stadt Stein am Rhein unterstützen das Projekt. Dass der Film gedreht wird, ist höchste Zeit, meint Regisseur Stefan Haupt («Der Kreis»).
Steiner sind im Einsatz
«Nach rund 19 Filmen über Luther ist ein Film über den Zürcher Reformator überfällig», findet er. Und auch Anatole Taubman, der Zwinglis enger Freund und Wegbegleiter Leo Jud spielen wird, ist derselben Meinung. Er spielte 2003 bei der Luther-Verfilmung mit. Beide sind davon überzeugt, dass sich der grosse Einsatz lohnt, den man für den Film auf sich nehme.
Einsatz geben auch viele der rund 100 Steiner, die sich letztes Jahr als Statisten für den «Zwingli»-Film gemeldet hatten. Gesucht wurden Kinder mit traditionellen Frisuren, ohne Zahnspangen, Frauen mit langen Haaren, weder gefärbt noch gestuft, und Männer mit Schnauz und Bart. Seit November durften die bärtigen Herren ihre «Gesichtsmähne» nicht mehr anrühren (siehe unten Albert Ruh und Gerd Huber). Auch ein Coiffeurbesuch wurde ihnen verboten. Doch der Verzicht hat auch sein Gutes, wie die Herren verraten.
Drehbuch von Bestatter-Mitautorin
Dadurch, dass sich die Statisten optisch anpassen mussten, hätten sie sich auch von einem Moment auf den anderen ins Jahre 1519 zurückversetzt gefühlt, in dem der «Zwingli»-Film spielt. Als Basis diente das Drehbuch von Simone Schmid (Mitglied im Writers Room «Der Bestatter»). In ihrem Skript nimmt der junge Priester Huldrych Zwingli (Max Simonischek, «Die göttliche Ordnung») 1519 gerade seine neue Stelle am Zürcher Grossmünster an und sorgt mit seinen Predigten gegen die katholische Kirche für Aufruhr. Doch gewisse Leute sind von seiner Leichtigkeit und seinem Mut auch fasziniert.
Nächstenliebe leben statt predigen
Die junge Witwe Anna Reinhart (Sara Sophia Meyer, «Schellen-Ursli»), die ein Leben voller Furcht vor der Kirche und den Sorgen um die Zukunft ihrer drei Kinder lebt, fühlt sich vom jungen Reformator stark angezogen. Obwohl sie sich gleichzeitig etwas von seinen revolutionären Gedanken fürchtet. Besonders angetan ist sie, als sie beobachtet, wie Zwingli Nächstenliebe lebt und nicht nur predigt. Die beiden doch so unterschiedlichen Personen finden zusammen und ziehen durch ihre Heirat den Zorn der Bevölkerung auf sich.
Als eine der ersten Pfarrfrauen der Schweiz muss Anna viele Beleidigungen und Hass aushalten, während ihr Mann sich dafür einsetzt, dass alle Menschen die Bibel selber lesen und verstehen lernen. Auch Anna wird im Lesen unterrichtet und beginnt das erste Mal in ihrem Leben, die Dinge zu hinterfragen. Dadurch fasst sie letztlich auch den Mut, ihren Mann zur Zurückhaltung zu mahnen, als seine revolutionäre Ideen beinahe einen Bürgerkrieg entflammen und die Liebe der beiden auf eine harte Probe gestellt wird.
Nun darf man gespannt sein, wie die Umsetzung des Drehbuchs Stein am Rhein vom 28. Februar bis 30. März Leben einhauchen und am 24. Januar 2019 über die Kinoleinwände flimmern wird. Kamera ab und Action!
Albert Ruh, 67, Stein am Rhein
«Ich verkörpere einen Kaplan und sitze in der Kirche eigentlich immer im Chorgestühl. Nur wenn der Kardinal vorbeigeht, muss ich aufstehen. Zwischendurch singe ich auch. Oder besser gesagt: Ich bewege die Lippen, das reiche, wurde mir gesagt, denn mit gregorianischen Gesängen kenne ich mich überhaupt nicht aus. Beim letzten Dreh im Grossmünster wurde die Kamera sogar in meine Richtung gelenkt. Ob man mich im Fernsehen dann aber sieht, ist fraglich, vielleicht werde ich ja auch wieder rausgeschnitten. Meine Frau meint zu meinem Bart: ‹Für den Dreh ist er schon gut.› Wie es scheint, ist sie aber froh, wenn er Ende März wieder verschwindet und ich zu meinem normalen Drei-Tage-Bart zurückkehre. Seit November durften wir unsere Bärte nicht mehr anrühren. Und man hat uns auch verboten, zum Coiffeur zu gehen. Erst vor dem Dreh kam dann die Friseurschere ins Spiel: Zuerst wurden meine Haare glatt gekämmt und dann schnitt man mir die Fransen vorne ganz gerade ab. Das sieht etwas gewöhnungsbedürftig aus. Aber es ist unglaublich, wie schnell man sich in Zwinglis Zeit zurückversetzt fühlt, wenn man erst einmal in die richtige Montur geschlüpft ist. Und auch den Touristen fällt man auf: Als wir über den Zwingliplatz beim Grossmünster gingen, zückten sofort alle begeistert ihre Kameras. Jetzt freue ich mich dann auf meinen Auftritt in Stein am Rhein. Meine Frau ist dort auch als Statistin im Einsatz: Sie spielt eine ‹alte Frau›. Ihr Kostüm und die langen Haare gefallen mir richtig gut, das sieht toll aus.»
Gerd Huber, 73, Eschenz
«Ursprünglich wollte eigentlich nur meine Frau als Statistin im ‹Zwingli›-Film mitspielen. Deshalb antwortete sie auch ohne zu zögern ‹das machemer›, als wir angefragt wurden. Da hatte ich nicht viel mitzureden. Lustig daran war, dass sie schliesslich nicht meine Frau, sondern mich nahmen. Darüber habe ich mich natürlich schon gefreut. Bisher hatte ich drei Einsätze im Grossmünster, um sechs Uhr morgens muss ich jeweils dort sein. Dann brauche ich erst einmal mindestens eine Stunde, bis ich im Kostüm stecke. Danach werden meine Hände bräunlich angemalt, da sie für die damalige Zeit anscheinend zu bleich seien. Und zu guter Letzt dauert es sicher noch eine weitere Stunde, bis alle Statisten und Schauspieler an ihrem Platz stehen. Die meiste Zeit warte ich. Das kann mit der Zeit ziemlich kalt werden, auch in der Kirche. Zum Glück werden wir am Set so gut betreut: Es gibt immer leckeren Kaffee, zwischendurch etwas zu knabbern und ein feines Mittagessen. Dort tragen wir jeweils ein Ganzkörperlätzli, damit das Kostüm nicht schmutzig wird. Mein Bart stört mich überhaupt nicht. Er hat sogar Vorteile, weil man nämlich weniger auf die Haare auf dem Kopf achtet, die langsam schwinden. Aber wie sag ich jeweils: ‹Ein schönes Gesicht braucht halt Platz.› Meiner Frau gefällt der Bart auf jeden Fall ziemlich gut, auch wenn ich zuvor keinen hatte. Und auch meine Bähnlerfreunde bei der Steiner Liliputbahn finden Gefallen daran. Deshalb lasse ich ihn vermutlich auch noch nach dem Dreh stehen.»