Diese Abstimmungen hatten die grössten Auswirkungen auf die Schweiz

Auf Einladung des Historischen Vereins Schaffhausen stellten am Dienstagabend die Historiker und Journalisten David Hesse und Philipp Loser ihr neues Buch «Heute Abstimmung!» vor; ein «Porträt der Schweiz im Lichte von Volksabstimmungen mit grosser Nachwirkung.»
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Niemand brauchte am Dienstagabend sein Kommen zu bereuen, denn was die beiden Historiker und Journalisten David Hesse und Philipp Loser, Autoren des vor einem Monat erschienenen Buches «Heute Abstimmung!» im Vortrag boten, war ein so informativer wie unterhaltsamer Tour d’Horizon durch die insgesamt 676 Volksabstimmungen seit der Gründung des Bundesstaates im Jahre 1848.
Vier Beispiele herausgegriffen
Aus dieser grossen Zahl wählten die Autoren 30 Volksabstimmungen für das Buch aus, und vier von diesen wurden am Vortragsabend näher beleuchtet. Hesse und Loser nannten ihren Ansatz «spielerisch» und erzeugten Lust auf die Lektüre dieses, so die Verfasser, «Porträts der Schweiz im Lichte von Volksabstimmungen mit grosser Nachwirkung.»
«Das Volk» habe sich seit 1848 gewandelt, so die Autoren. Damals seien es vor allem freisinnige, reiche, christliche Männer gewesen, heute werde der Einbezug möglichst aller angestrebt. Am Anfang seien viele Grundsatzentscheide gefällt worden, heute gebe es viel mehr Volksabstimmungen, zum Teil zu sehr detaillierten Vorlagen. In der Schweiz sei man stolz auf das System, es gebe den Menschen im Lande das Gefühl, etwas zu sagen zu haben.
Geben und nehmen
Zum Beispiel 1893, als das Schächten (rituelles Schlachten) verboten wurde. Gleich mit der ersten Volksinitiative in der Schweiz sei das Schächtverbot verlangt worden, und dieses Verbot habe die jüdische Bevölkerung, die erst 1866 die vollen Bürgerrechte erhalten hatte, bereits wieder ausgegrenzt. Eine Aufhebung des Schächtverbots sei politisch wohl unmöglich, die Diskussion sei nach wie vor «antisemitisch aufgeladen». Fazit: Koscheres Fleisch muss importiert werden.
Eine Abstimmung mit gewaltiger Wirkung – fundamentale Ausweitung der Demokratie, die auch schwachen und kleinen Gruppen die Mitwirkung erlaubt – war 1918 die Annahme des Proporzwahlsystems. Die Vorherrschaft des Freisinns fand ein Ende, mit 68 Prozent wurde das neue System angenommen. Die Sozialdemokratie und andere Parteien blühten auf.

Fundamentaldiskussionen seien auch vor der Abstimmung zum Uno-Beitritt 2002 geführt worden. Die Schweiz sei nach dem Ende des Kalten Kriegs «orientierungslos» gewesen, habe sich in die Neutralität verbissen und zum EWR-Beitritt Nein gesagt. Dies alles habe die Karriere von Christoph Blocher ermöglicht, so die Referenten, die Mitgliedschaft in der Uno indes sei heute selbstverständlich.
Den Regionalbezug stellten die Referenten mit der «Abzocker-Initiative» von Thomas Minder her. Diese sei zwar angenommen worden, habe im Detail (Managerlöhne) aber wenig gebracht, dafür allerdings eine nachhaltige Breitenwirkung (Sensibilisierung der Bevölkerung) gehabt.
Zufrieden mit der Schweiz
Fazit? Die Referenten sagten: «Wir sind Fans der direkten Demokratie», es sei «sehr schön», dass man so häufig abstimmen und Entscheidungen von grosser Tragweite fällen könne. Schattenseiten orteten sie im Erfolg gewissen Vorlagen, die wohl schon auf ihre Unumsetzbarkeit hin angelegt gewesen seien (wie etwa die Annahme der Ausschaffungsinitiative).
Auf eine entsprechende Publikumsfrage nahmen die Referenten Stellung gegen eine stärkere Einflussnahme etwa durch den Bundesrat auf das Abstimmungsgeschehen. Da es in der Schweiz keine Verfassungsgerichtsbarkeit gebe, seien auch ethisch fragwürdige Vorlagen möglich.
Die Stimmbeteiligung liege in der Schweiz unter 50 Prozent. Eine Ausweitung des Stimmrechts oder eine höhere Stimmbeteiligung, so die Referenten, würde die politische Grundtendenz der Schweiz wohl nicht ändern.