Schöpft die FDP in der Opposition neue Kraft? «Wir üben erfolgreich Druck aus»

Mark Liebenberg | 
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Severin Brüngger (l.) und Jürg Weber wollen es am Sonntag bei der Erneuerungswahl zum Grossen Schaffhauser Stadtrat wissen. Bild: zVg

Zwölf Parteien und Gruppierungen treten zur Wahl für den Grossen Stadtrat am 24. November an. In unserer Serie kommen Zugpferde und Newcomer zu Wort. Was motiviert sie, mit welchen Konzepten wollen sie die Geschicke der Stadt beeinflussen? Heute: FDP, Liste 3, mit Jürg Weber und Severin Brüngger.

Herr Brüngger, welche Bilanz ist aus Sicht der FDP in der vergangenen Legislatur zu ziehen?

Severin Brüngger: Wir konnten einiges bewegen als FDP und mehrere Themen einbringen. Ich habe mich in der Geschäftsprüfungskommission in die finanzpolitischen Themen reinbeissen dürfen. Wir konnten erfolgreich Impulse setzen, etwa dass man die Objektfinanzierung bei der Kinderbetreuung ändert zu einer Gutschrift an die Eltern, ein liberales Anliegen. So haben wir Freisinnigen, aber auch der Grosse Stadtrat als Ganzes, die Stadt vorwärtsgebracht.

Seit 2019 ist die FDP dreimal an der Urne gescheitert, mit Budgetreferenden respektive einem Steuerfussreferendum. Schmerzen Sie diese Niederlagen?

Brüngger: Man darf nicht nur das Abstimmungsresultat anschauen und schwarz-weiss sehen. Wir üben erfolgreich Druck aus, zusammen mit dem Volk. Letztlich hat das dazu geführt, dass der Stadtrat angefangen hat, doch ein bisschen ernsthafter über Steuersenkungen nachzudenken. 

Politik nach dem Motto: Steter Tropfen höhlt den Stein?

Brüngger: Gäbe es uns Bürgerliche nicht, würde der Stadtrat nach dem Motto «I hät no viel blöder ta» verfahren. Über die letzten zweieinhalb Legislaturen hat das Staatspersonal, das ich übrigens sehr wertschätze, über 20 Prozent Lohnerhöhung gekriegt. Und die Steuern wurden jeweils nur sehr wenig gesenkt.

Mit der Nichtwahl ihres Kandidaten Stephan Schlatter im August sind die Freisinnigen nicht mehr in der Stadtregierung vertreten. Was verändert das in der Art, wie die FDP jetzt Politik machen will?

Brüngger: Natürlich ist es schade, dass wir keinen eigenen Stadtrat mehr haben. Jetzt hat es nur noch einen einzigen Bürgerlichen in dieser Stadtregierung, die anderen haben noch nie selber einen Bleistift verkauft.

Heisst das, Sie machen jetzt voll auf Opposition?

Brüngger: Ich würde es nicht Opposition nennen. Unsere Fraktion hat ihre Rolle als  Oberaufsicht über Stadtregierung und Verwaltung schon immer äusserst ernst genommen. Wir werden die Rechnungen und Budgets weiter ganz genau anschauen, und darauf hinwirken, dass jeder Steuerfranken verhältnis- und zweckmässig ausgegeben wird. Denn das Geld gehört ja nicht der Stadt, sondern den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern.

Das sagen die Kandidaten zu…

Soziales Kunstprojekt: geniale Idee oder teurer Unsinn?

Jürg Weber: Kultur findet nicht nur im Zentrum, sondern auch in den Quartieren statt. Man sollte das Geld besser in Vereine investieren, statt in ein Projekt, dessen Hintergedanken wohl die wenigsten Bürgerinnen und Bürger verstehen.

Stadtentwicklung: 40’000 Einwohnerinnen und Einwohner in der Stadt Schaffhausen sind genug, oder geht da noch was?

Severin Brüngger: Wachstum ist gut, aber es darf nicht zu schnell gehen. Und in einer Qualität, die sicherstellt, dass die Menschen auch bleiben wollen. Wir brauchen noch viel mehr Wohnraum, den die Menschen als ihr Eigentum erwerben können, das erhöht die Identifikation.

Die Fragen wurden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt.

Hat die neue Situation auch Sie bewogen, gerade jetzt einzusteigen und für den Freisinn zu politisieren, Herr Weber?

Jürg Weber: Wir Freisinnigen sahen uns schon immer als bürgernah, es braucht deshalb Leute, die vernetzt sind in der Bevölkerung, aber auch im Gewerbe, und ich würde sagen, das trifft auf mich beides zu. Ich glaube, es braucht Leute, die nicht nur diskutieren, sondern auch etwas umsetzen können. Und zwar liberal, das heisst ohne Überregulierung und mit Bereitschaft zum Dialog. 

Sie sind Präsident im Quartierverein Herblingen. Welche Erfahrung konkret können Sie von dort in die Stadtpolitik mitnehmen? 

Weber: Wichtig ist, dass man den Kontakt in die Quartiere auch fördert und von dort Impulse ans Stadthaus heranträgt. Wie sich die Quartiere entwickeln, ist massgeblich verantwortlich dafür, wie sich die Stadt insgesamt entwickelt. Zum Beispiel beim öffentlichen Verkehr. Ich habe persönlich mit dem Quartierverein lange dafür gekämpft, dass die Buslinie 5 verlängert wird. Heute sind die Quartiere Schlossweiher und im Trenschen froh, dass wir uns so eingesetzt haben.  

Verkehr (Tempo 30, Parkplätze) und Steuern scheinen ja ein wenig die pawlowschen Reflexe der FDP zu sein. Aber reicht das, um erfolgreich auf Stimmenfang zu gehen?

Brüngger: Wissen Sie, Verkehr und Steuern sind in der Tat sehr wichtig für den Standort Schaffhausen. Aber das mit der Zwei-Themen-Partei stimmt nicht. Ein paar Beispiele? Wir haben uns als einzige Partei mit einer Initiative dafür eingesetzt, dass es am Rheinufer endlich vorwärtsgeht, wir wollen als einzige verhindern, dass der städtische Betrieb SH Power unser lokales Gewerbe konkurrenziert, aufgrund eines FDP-Postulats wurden die Schulleitungen eingeführt. 

Wir haben Ratskollegen aus anderen Parteien um eine Frage an die FDP-Kandidaten gebeten. Daniela Furter von den Grünen fragt: «Die FDP hat das Duraduct erfolgreich bekämpft und behauptet, das Geld könne man gescheiter ins Velonetz investieren. Wie sieht denn Veloförderung à la FDP aus?»

Weber: Ich bringe ein ganz aktuelles Beispiel. In der Fäsenstaub-Diskussion geht leider vergessen, dass damit ja auch ein neuer Veloweg von der Stadt bis nach Thayngen ausgebaut wird. Es braucht eben Kompromisse, auch wenn nicht alle Teilprojekte nach jedermanns Gusto sind. Man darf jetzt nicht einfach den wichtigen Schritt in die Zukunft verhindern.

Stefan Bruderer (SP) fragt: «Im Gegensatz zur Parkplatzfrage schafft es die FDP, bei Klimathemen immer schön cool zu bleiben. Ist das eine Art Klimaneutralität?»

Brüngger: Wir vertrauen in erster Linie der Initiative der Bürgerin und des Bürgers und nicht dem Staat und der Bürokratie. Beispiel Wärmeverbünde: Wir setzen uns nach Kräften dafür ein, dass auch die Privatwirtschaft mitmachen darf, denn die Stadt schafft es ja nicht. Wenn man die Privaten machen liesse, hätten wir in fünf Jahren mehr CO2 eingespart als so wie jetzt.

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