Christine Thommen will als Sozial- und Sicherheitsreferentin weitermachen: Auf sie kommen «grosse Kisten» zu
Christine Thommen (SP) wurde vor vier Jahren in den Schaffhauser Stadtrat gewählt. Sie beklagt die manchmal rauen Sitten in der städtischen Politik, sieht sich aber den Herausforderungen im Sozial- und Sicherheitsreferat gewachsen. In den kommenden vier Jahren steht zudem die Sanierung mehrerer städtischer Alterszentren an – «eine grössere Kiste», wie sie sagt.
Frau Thommen, Sie haben jetzt ihre ersten rund dreieinhalb Jahre als Stadträtin hinter sich. Was motiviert Sie für eine weitere Amtszeit?
Christine Thommen: Ich erachte es als Privileg, mich tagtäglich für die Bevölkerung in der Stadt einsetzen zu können und helfen zu können, ihre Lebenssituation zu verbessern. Und das sieht man dann direkt, das ist das Schöne daran. Ich durfte nun einige Projekte abschliessen und habe einige, die noch warten, und die möchte ich in der kommenden Amtszeit gerne angehen.
Das tönt alles positiv, gibt es aber auch Dinge, die Sie sich anders vorgestellt haben vor vier Jahren?
Ich habe mich zwar fast schon etwas dran gewöhnt, aber manchmal finde ich eher schwierig, wie im politischen Diskurs miteinander umgegangen wird. Ich habe nichts gegen Kritik und konstruktive Fragen, aber die Heftigkeit der Angriffe erstaunt mich schon manchmal. Die Kunst ist, selber nicht so zu werden. Wenn ich mich für eine Sache einsetze, dann tue ich das mit viel Herzblut, manche nennen das dann «emotional». Es braucht aber zum Glück sehr viel, um mir die Laune nachhaltig zu verderben.
Was würden Sie als ihren grössten politischen Erfolg in dieser Amtszeit bezeichnen?
Als einen Meilenstein erachte ich unsere Vorlage zur Verbesserung der Anstellungsbedingungen im Gesundheitswesen. Da haben wir wirklich einmal nicht nur für die Pflegeangestellten geklatscht, sondern wirklich eine markante Verbesserung für die Pflegekräfte der Alterszentren und der Spitex erreichen können. Wir haben lange daran gearbeitet und wirklich in-house die Massnahmen definiert, und damit beugen wir auch dem Fachkräftemangel vor.
Zur Politik gehören aber auch Kritik und Misserfolge. Welches war politisch der schwärzeste Tag in Ihrer bisherigen Stadtrats-Vita?
Das kann ich nicht sagen. Es liegt vielleicht an meinem Naturell, aber ich vergesse solche Momente schnell und ziehe meine Lehren daraus. Ich habe nichts, was mir heute noch die Sorgenfalten ins Gesicht treibt.
Auch nicht Ihren Widerruf der Bewilligung einer grossen Corona-Demo von Massnahmenkritikern in der Stadt im April 2021? Damals wurde Ihnen Fehlverhalten vorgeworfen, denn es stellte sich später heraus, dass dafür ein gültiger Entscheid des Gesamtstadtrats nötig gewesen wäre.
Ich war gerade erst vier Monate im Amt. Vor der Demonstration wurde in sozialen Medien dazu aufgerufen, die damals geltenden Schutzmassnahmen zu ignorieren und es gab rechtsradikale Äusserungen. In der Tat bestand damals Uneinigkeit, ob es einen Beschluss gab, jedenfalls wurde er ja dann nachträglich gefällt, wie uns das Gericht attestierte. Die Lehre daraus ist für uns als Stadtrat gewesen, dass wir seither alles protokollieren, damit für alle Klarheit herrscht.
Für Kritik hat an der Budgetsitzung 2023 Ihr Vorgehen bei einem «sozialen Kunstprojekt» gesorgt, für welches das Parlament Geld sprechen sollte, ohne zu wissen, für was genau…
Stimmt nicht ganz. Ich habe umrissen, welche Künstler verantwortlich sind und dass es darum geht, die Bevölkerung auf unübliche Art und Weise in Kontakt miteinander zu bringen.
Sie sassen von 2008 bis 2012 selber im Stadtparlament. Würden Sie als Grossstadträtin mit solch dürftigen Informationen die Gelder für ein Projekt durchgewinkt haben?
Nun, ich habe ja schon ein gewisses Verständnis für die Parlamentarier, die das kritisiert haben. Wir sagen ja auch nicht, wir brauchen Geld für einen Schulhausneubau, der Rest geht euch nichts an. Der Grund beim Kunstprojekt ist aber, dass es mit einer Überraschung startet. Dieser Effekt wäre verflogen, hätte ich das Parlament vorher darüber informiert. Deshalb habe ich gesagt, dass wir ausnahmsweise nichts über den Inhalt verraten können.
Kommt diese Überraschung jetzt noch vor den Wahlen, damit die Bürgerinnen und Bürger beurteilen können, ob sich die Geheimniskrämerei wirklich gelohnt hat?
Das ist und bleibt eine Überraschung, ich werde jetzt sicher nicht den Termin verraten. Schmunzeln muss ich aber ein wenig darüber, wie viel Publicity das Projekt durch die ganze Debatte nun schon im Vorfeld erhalten hat.
Für Überraschungen haben Sie in der Vergangenheit auch selber gesorgt. Sie waren ja nicht immer bei den Sozialdemokraten, sondern jahrelang FDP-Mitglied. Ihnen fehlt ein wenig der «linke Stallgeruch», inwiefern sind Sie eine waschechte Sozialdemokratin?
Ich habe mich schon bei der FDP für soziale Themen eingesetzt, die mir am Herzen liegen: Vereinbarkeit von Familie und Beruf zum Beispiel. Mit der Zeit habe ich aber gemerkt, dass die FDP nicht die gleiche Idee zur Rolle des Staates vertritt. Zentral ist mir, auch zu jenen Menschen, die wir nicht so auf dem Radar haben, zu schauen, dass sie zu ihrem Recht kommen und zu sozialer Integration und auch wirtschaftlich ein Auskommen haben. Ich habe meinen Eintritt in die SP keinen Tag bereut.
Sie treten deshalb auch an, um das Sozial- und Sicherheitsreferat zu behalten?
Ganz genau, ich bin dort in meinem Herzensreferat.
Welche wichtigen Herausforderungen wollen Sie in den nächsten vier Jahren als Sozial- und Sicherheitsreferentin angehen?
Im Bereich Alter haben wir noch sehr viel vor. So möchten wir das Angebot noch zugeschnittener auf die ältere Bevölkerung gestalten. Und vor allem wird es um die dringend notwendige Sanierung unserer Alterszentren gehen. Das wird eine grössere Kiste. Am anderen Ende der Altersskala ist in meinem Referat die Jugend angesiedelt. Nächstes Jahr haben wir zum neuen Jugendzentrum im Fröbelgarten die Volksabstimmung, die ich selbstverständlich persönlich gewinnen möchte und danach ein tolles Jugendzentrum umsetzen.
Interview: Mark Liebenberg