Die ersten Lebenszeichen unserer Bibeli
Seit elf Tagen brüten unsere Eier bereits in den Redaktionsräumen der Schaffhauser Nachrichten. Regt sich in ihnen aber auch Leben? Wir haben sie durchleuchtet.
Befruchtete Eier aus dem Supermarkt?
Kauft man Eier aus Bio- oder Freilandhaltung im Supermarkt, könnten diese unter Umständen befruchtet sein. Denn auf solchen Höfen läuft neben den Hühnern auch meist ein Hahn herum, der essenziell für die Befruchtung der Eier ist. Von Natur aus leben Hennen nämlich im «Harem»: Auf einen Hahn kommen also mehrere Hennen. Eier legen die Hühner mit oder ohne Hahn. Das macht sich die Massenzuchthaltung zu nutze. Dort leben die Hennen ohne einen Güggel. Deshalb ist es unmöglich, dass Eier aus der Massenzuchthaltung befruchtet sind. Ausserdem wird solchen Hühnern oft der natürliche Bruttrieb weggezüchtet, damit sie schneller wieder Eier legen. Zum Vergleich: Ein Wildhuhn legt im Jahr etwa 20 Eier, während es ein «Legehuhn» auf knapp 300 Eier schafft.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Selbst wenn man ein befruchtetes Ei im Supermarkt kauft - dass daraus ein Küken schlüpft, ist unrealistisch. Dafür müsste das Ei unter anderem ständig auf Körpertemperatur erwärmt werden. Ob befruchtet oder nicht: Theoretisch sind alle Eier geniessbar. (kue)
Vom Ei zum Küken: Wir haben seit elf Tagen einen Brutkasten in den Räumen unserer Redaktion. Zehn Eier werden pro Tag mehrmals automatisch gewendet, die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit werden konstant auf gleichem Level gehalten. So enstehen ideale Bedingungen, um unseren Küken ein optimales Umfeld für ihre Entwicklung zu bieten.
Das Leben im Ei
In elf Tagen tut sich innerhalb des Eis viel. Die ersten Entwicklungen des Embryos finden übrigens schon statt, wenn das Ei noch im Mutterleib verweilt. Die Zellteilungen erfolgen schon kurze Zeit nach der Befruchtung durch einen Hahn. Wird das Ei schliesslich gelegt, kommt es zu einem interessanten Phänomen: Ein Temperatursturz von 42 auf ca. 27 Grad Aussentemperatur führt dazu, dass die Entwicklung des Embryos für kurze Zeit «angehalten» wird. Der Embryo tritt sozusagen in eine Ruhephase ein. Wenn das Ei dann in den Brutapparat gelegt - oder von der Glucke bebrütet - wird, entwickelt sich der Embryo weiter. Bereits nach 24 Stunden ist das Herz des Kükens, wenn auch in sehr primitiver Form, vorhanden. Danach beginnen sich Blutgefässe zu entwickeln, bereits ab Tag vier nehmen Augen, Füsse und Flügel ihre Form an. Eine Woche nach Beginn der embryonalen Entwicklung sind alle lebenswichtigen Organe voll entwickelt.
Sind unsere Eier befruchtet?
Wie sieht es bei unseren Eiern aus? Um herauszufinden, ob sich in unserem Brutkasten wirklich auch Küken entwickeln, muss festgestellt werden, ob die Eier befruchtet wurden oder nicht. «Schieren» nennt man diese Technik, bei der das Ei mit einer Schierlampe durchleuchtet wird. Bei unserem Brutapparat ist sie im Deckel integriert. Das sieht dann so aus:

Das Faszienierende am «Schieren» ist, dass man dem Embryo sozusagen live dabei zusehen kann, wie er sich entwickelt. Die Augen sind bereits in zu erkennen, ebenfalls bewegt sich der Bibeli-Embryo von Zeit zu Zeit, wie auf dem folgenden Video zu sehen ist:
Nach und nach haben wir sämtliche Eier durchleuchtet und stellten überrascht fest: In neun von zehn Eiern regt sich Leben. Nur ein Ei scheint nicht befruchtet zu sein, wir können weder Äderchen noch einen lebendigen Embryo darin erkennen:

In etwa zehn Tagen könnte es dann soweit sein: Unsere letzten Küken sollten sich bis dahin durch die Eierschale ins Freie gekämpft haben. Bis dahin passiert innerhalb des Eis aber noch viel: Die Entwicklung der Augen ist am 12. Tag vollständig abgeschlossen, zudem bildet sich ab dem 14. Tag der Schnabel. Ab dem 18. Tag muss die Luftfeuchtigkeit im Brukasten auf 70 Prozent erhöht werden, denn ab dem 19. und 20. Tag bewegen sich die Küken sehr lebhaft. Erstaunlich ist, dass die Küken bereits miteinander kommunizieren, wenn sie noch im Ei sind: Stunden vor dem Schlüpfen kann man aus den Eiern ein leises Piepsen vernehmen. Man geht davon aus, dass sich die Küken so untereinander verständigen, damit sie gemeinsam schlüpfen können.
Am 21. Tag beginnen die meisten Küken mit dem Anpicken der Eierschale. Dieser Kampf kann mitunter bis zu 24 Stunden dauern. Wenn das Küken sich nicht aus eigener Kraft aus der Schale befreien kann, sollte man aber nicht nachhelfen: Küken, die nicht selbst aus den Eiern schlüpfen, sind meistens nicht überlebensfähig. Wenn ihnen nachgeholfen wird, kann es sein, dass sie nach ein, zwei Tagen dennoch sterben. Sind die Küken erfolgreich geschlüpft, kommen sie in ein Gehege, das mit Holzspähen, Nahrung und Wasser gefüllt ist.
Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Wir werden Sie aber ab dem 18. Tag stetig auf dem Laufenden halten. Wie das ganze Projekt ins Rollen geraten ist, können Sie hier nochmals nachlesen.