Von gehackten Teslas und Flugzeugabstürzen: Das war die IVS-Schifffahrt

Kay Fehr | 
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Die «Crew» auf dem Bug der MS Arenenberg (v.l.): Bernhard Klauser, Aldo C. Schellenberg, Christoph Wegener, Stefan Mettler und Claus Martini. Bild: Michael Kessler

Die 18. IVS-Schifffahrt, organisiert von der Schaffhauser Industrievereinigung, stand ganz im Zeichen des Risikos. Während die MS Arenenberg am Mittwochabend stromaufwärts steuerte, erklärten drei Referenten den Gästen, wie sie lästige Risiken zu Chancen machen können.

Ist es ein Risiko, an Bord der MS Arenenberg zu gehen, um an der diesjährigen Schifffahrt der Industrie- und Wirtschaftsvereinigung Schaffhausen (IVS) teilzunehmen? Wohl eher weniger – die Mannschaft an Bord ist der Flussfahrt auf dem Rhein mehr als mächtig, auch dann, wenn 150 Personen den stets beliebten Termin auf dem Schiff wahrnehmen. Und selbstredend auch dann, wenn die Fahrt anstatt bis nach Stein am Rhein und retour «nur» bis Hemishofen und zurück an die Schifflände geht, weil weiter stromaufwärts die Schifffahrtsrinne von Geröll befreit werden muss. Gegenwärtig ist die Kursschifffahrt eingestellt.

Das Risiko begleitete die zahlreichen Gäste aus Wirtschaft und Politik dennoch an diesem warmen Mittwochabend, denn der Umgang mit ebenjenen Risiken wurde als Thema für die 18. IVS-Schifffahrt auserkoren – es wurde im Vorfeld die Frage aufgeworfen, ob sie eine Last sind oder gar eine Chance darstellen können.

Bevor sich die drei Referenten damit befassten, versammelte sich die Gesellschaft – wie es bei den IVS-Schifffahrten üblich ist – erst auf dem Oberdeck. Die Gäste waren bereits in angeregte Gespräche vertieft, als sie von Bernhard Klauser unterbrochen wurden. Es war am IVS-Co-Präsidenten, den Anlass zu organisieren, und er durfte unter anderem den gesamten Schaffhauser Regierungsrat an Bord begrüssen. «In welchem anderen Kanton ist so was sonst möglich?», fragte Klauser.

Keine Schönwetterreden

Wer sich anschliessend im Schiffsinnern etwas Abkühlung versprach, der wurde enttäuscht: Es war etwa gleich warm wie draussen. Das hielt indes niemanden davon ab, mehr über den Umgang mit Risiken zu lernen. «Das werden keine Schönwetterreden», kündigte Klauser an; sollte jemand vom Thema bedrückt sein, könne er die Stimmung im Anschluss mit Bier und Wein wieder aufhellen.

«Auch wenn man alle Risiken kennt, werden sie nicht kleiner. Dafür sinkt die Gefahr, ihnen zum Opfer zu fallen.»

Claus Martini, IVS-Vorstandsmitglied

Besonders erfreulich: Auch IVF-Hartmann-CEO und IVS-Vorstandsmitglied Claus Martini konnte bei der Schifffahrt dabei sein – im Frühling war bekannt geworden, dass er an Krebs erkrankt war und sich einer umfangreichen Behandlung unterziehen musste. Der Anlass vom Mittwoch markierte seinen ersten öffentlichen Auftritt seit Bekanntwerden der Krankheit. «Auch wenn man alle Risiken kennt, werden sie nicht kleiner. Dafür sinkt die Gefahr, ihnen zum Opfer zu fallen», sagte Martini, der als Moderator ins Thema einführte. Er plädierte dafür, ein wenig «nach rechts und links zu denken» und in den Risiken auch die Chancen zu sehen.

Katastrophe führt zum Umdenken

Damit spielte er dem ersten Referenten eine Steilvorlage zu: Aldo C. Schellenberg, ehemaliger stellvertretender Chef der Schweizer Armee und Verwaltungsratspräsident der Flugsicherung Skyguide. Und dieser lieferte direkt ein düsteres Beispiel, was passieren kann, wenn man Risiken nicht im Vorfeld studiert: Nämlich das tragische Flugunglück von Überlingen im Jahr 2002, als zwei Flugzeuge in rund elf Kilometern Höhe kollidierten.

«Krisen kommen immer unverhofft, nicht unerwartet.»

Aldo C. Schellenberg, Verwaltungsratspräsident der Flugsicherung Skyguide

Schuld daran: Die schlechte Organisation von Skyguide sowie menschliche Fehler. 71 Tote forderte diese Folge von Versäumnissen und Irrtümern, darunter 49 Kinder. «Skyguide hat auf ganzer Linie versagt», stellte Schellenberg fest. Dieses Unglück sei der Auslöser dafür gewesen, die Flugsicherung komplett zu reformieren. «Jetzt ist Skyguide wieder weltweit ein Vorbild in puncto Sicherheitskultur», denn man habe den Umgang mit Risiken gelernt und trainiert – ein Risikobewusstsein aufgebaut, bei welchem sich alle mitverantwortlich fühlen. «Krisen kommen immer unverhofft, nicht unerwartet», so Schellenberg.

Wie startet man in Afrika durch?

Der ehemalige Armeekader war nicht der Einzige, der sich dafür aussprach, aus Risiken Chancen zu kreieren. Dasselbe tat auch Christoph Wegener, der beim Neuhauser Verpackungsunternehmen SIG als «Chief Markets Officer» für den weltweiten Markt zuständig ist, also für über 60 Länder. Zuvor war er allerdings als Vertriebsleiter in der Region Mittlerer Osten/Afrika, «eine wahnsinnig spannende Region voller Chancen, aber wohl auch eine der herausforderndsten», wie Wegener ausführte. Afrika wird bis 2050 etwa für die Hälfte des Bevölkerungswachstums verantwortlich zeichnen – also jede Menge potenzielle Konsumentinnen und Konsumenten.

Die Risiken? Politische Instabilität und Volkswirtschaften, die oft stark vom Ölpreis abhängig sind. Indem SIG das Länderportfolio erweitert (etwa mit Ägypten und Südafrika ohne ölbasierte Wirtschaft) und das Kundenverhalten studiert hat (in Krisen kaufen Menschen immer noch das Grundnahrungsmittel Milch, nicht aber Orangensaft), konnte das Risiko verkleinert werden. «Es geht als Unternehmer darum, die Treiber der Risiken zu verstehen und daraus eine Strategie zu formulieren», sagte Wegener. «Man kann Risiken nicht eliminieren – von fünf Märkten waren stets drei unten. Aber die anderen zwei waren oben und haben das überkompensiert.»

Der Referent, der einen Tesla hackte

Als dritter Redner war ein «Hacker» zu Gast: Stefan Mettler, Gründer und CEO der Cryptron Security GmbH und Sicherheitsverantwortlicher der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG, bereitete die Anwesenden auf eine mögliche Cyberattacke vor. Unter anderem von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht Finma erhalte er die «Lizenz zum Hacken» und findet so Schwachstellen bei Fintech-Unternehmen. Auch einen Tesla hätten er und sein Team sich bereits gemietet und versucht, einen eigenen Code einzuschleusen. Das gelang ihnen – ob Details dazu allerdings einst öffentlich werden, werde gerade mit den Tesla-Juristen abgeklärt.

Eine Verabschiedung zum Schluss

Bevor es für den Apéro und gute Gespräche wieder zurück aufs Oberdeck ging, wurde Esther Müri offiziell verabschiedet. Sie hat die Geschäftsstelle von IVS 14 Jahre lang geführt «mit Ruhe, Besonnenheit und einer Prise Humor», wie Bernhard Klauser bemerkte. Müri tritt in den vorzeitigen Ruhestand – ihr Mann ist nämlich bereits pensioniert und sie haben sich gemeinsam ein Wohnmobil gekauft. Damit wollen sie nun die Welt bereisen. Müris Nachfolgerin ist Sonja Schilling, die seit dem August in die neuen Aufgaben eingeführt wird.

Die Anwesenden merkten rasch, dass sie einem Profi zuhörten. «Cyber ist ein Angriffsvektor», mahnte dieser, «es ist nicht die Frage ob, sondern wann man angegriffen wird.» Mettler rät daher: Klar definieren, wer für die Sicherheit zuständig ist und das firmeneigene Netzwerk segmentieren – die kritischen Kundendaten sollen vom Client-Netz getrennt sein. Nicht zuletzt sollte der Ernstfall oft trainiert und simuliert werden.

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