Teure Schaffhauser Häuser: Wie das Bevölkerungswachstum viele Wohnträume platzen lässt
Zum 16. Mal versammelte sich am Donnerstag im Schaffhauser Stadttheater alles, was in der Immobilien-Branche Rang und Namen hat, um den Referentinnen und Referenten des Immobilien-Events der Schaffhauser Kantonalbank zu lauschen. Es zeigte sich: Wohnraum ist auch in Schaffhausen knapp.
Knapper Wohnraum, eine stetig wachsende Bevölkerung und steigende Anforderungen im Bauprozess: Das sind nur einige Herausforderungen, mit denen die Immobilien-Branche gegenwärtig konfrontiert ist. Dass sie höchst relevant sind, zeigte sich schon daran, dass zum Immobilien-Event der Schaffhauser Kantonalbank (SHKB) am Donnerstag im Stadttheater rund 350 Anmeldungen eingingen. Es ist bereits die 16. Ausgabe des Anlasses, dieses Mal unter dem Motto «Die Zukunft des Wohnens» – besagte Zukunft interessiere die Immobilien-Branche sowieso immer, da hier auf mehrere Jahrzehnte hinaus kalkuliert werde, wie im Verlauf des Vormittags in Referaten zu hören war.
In seiner Begrüssung brachte André Merz, Leiter Firmen & Immobilien der SHKB, bereits auf den Punkt, mit welcher Realität die Schweiz konfrontiert ist: «Bis 2040 erwarten Prognosen mehr als zehn Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. Der Wunsch nach mehr Wohnraum nimmt zu.» Dabei gehöre die Schweiz schon jetzt zu den Ländern Europas, die den geringsten Wohnraum pro Person zur Verfügung haben. «Ob die meisten hier Anwesenden zu dieser Quote beigetragen haben, wage ich zu bezweifeln», sagte Merz und entlockte dem Publikum damit ein Schmunzeln.
«Immobilien faszinieren nach wie vor, obwohl die ‹Sexiness› ein wenig gelitten hat.»
Durch den Anlass führte zum zweiten Mal Reto Brennwald, der besonders als Moderator der «Arena» sowie der «Rundschau» auf SRF bekannt ist. «Immobilien faszinieren nach wie vor, obwohl die ‹Sexiness› ein wenig gelitten hat», sagte Brennwald – um sogleich die erste Referentin, die Direktorin Stadtentwicklung Zürich Anna Schindler, anzukündigen. Zürich, die Wirtschaftsmetropole der Schweiz, die sich aufgrund ihrer Grösse und Strahlkraft mit Wohnungsnot, verdichtetem Bauen, Vorschriften und sozialer Durchmischung konfrontiert sieht, so der Moderator einleitend.
Zürich hat ambitionierte Ziele
Gleich zu Beginn stellte Schindler klar: «Wir sind nicht diejenigen, die planen und bauen, sondern diejenigen, die nach vorne schauen und Strategien entwickeln.» Die Kernfrage laute, wie die vielen Leute Platz finden, die nach Zürich wollen. Qualitatives Wachstum sei hierbei ganz zentral.
Aktuell wohnen 447 000 Menschen in Zürich, so viele wie noch nie – und bis 2040 werden es laut Prognosen rund 519 000 sein. «Der Zuwachs in 16 Jahren entspricht also fast dem gesamten Kanton Schaffhausen», so Schindler. Und bereits jetzt würden über eine halbe Million Menschen in der Stadt Zürich arbeiten. Bis 2040 sollen dazu 40 000 neue Wohnungen gebaut werden, das grösste Potenzial hätten Zürich Nord und Zürich West. Schon jetzt finden sich im Stadtgebiet rund 234 000 Wohnungen (mit einer Leerstandsquote von 0,06 Prozent).
Zürich hat ambitionierte Ziele: Netto-Null soll bereits 2040 erreicht werden, zudem sollen ein Drittel aller Wohnungen gemeinnützig sein, aktuell sind es ein Viertel. Brennwald hakt nach, ist das überhaupt machbar? Auf diese Frage könne sie in ihrer Position ja kaum mit Nein antworten, meinte Schindler; sie wisse es nicht, aber es sei wichtig, die Probleme anzupacken. Bei den direkten Emissionen etwa sei Netto-Null durchaus realistisch.
Der Staat als Preistreiber
Im zweiten Referat des Morgens sprach Urs Ledermann, Verwaltungsratspräsident der Ledermann Holding AG, davon, dass aufgrund von Vorschriften anstatt einer Verdichtung vielmehr das Gegenteil stattfindet. «Bei einem unserer Projekte würden wir aufgrund der aktuellen Bauordnung satte 350 Quadratmeter an Wohnfläche verlieren, wenn wir einen sinnvollen Neubau planen würden.» So sei eine Verdichtung nicht möglich.
«Unsere Branche ist volkswirtschaftlich von einer beachtlichen Bedeutung und trägt über 17 Prozent zum Bruttoinlandprodukt bei.»
Zudem müsse die Immobilien-Branche politische und mediale Anfeindungen über sich ergehen lassen, so Ledermann. «Wir sind anständige und hart arbeitende Berufsleute. Unsere Branche ist volkswirtschaftlich von einer beachtlichen Bedeutung und trägt über 17 Prozent zum Bruttoinlandprodukt bei.»
Auch an den Regulierungen hat Ledermann keine Freude: Vor 100 Jahren sei eine Baubewilligung nur rund eine Seite lang gewesen, und man habe vier Wochen darauf warten müssen. Heutzutage umfasse sie über 120 Seiten, und bis zur Bewilligung dauere es um ein Vielfaches länger. Nicht zuletzt würden sich die Steuerämter nur allzu gerne bei der Branche bedienen. «Der Staat ist der grösste Preistreiber», sagte Ledermann.
Wieder schaltete sich Brennwald ein: Die Klimaziele und das nachhaltige Bauen seien demokratisch abgestützt. «Die Vorschriften entstehen, weil die Menschen diese Ziele erreichen wollen.» Das sei zwar richtig, konterte Ledermann, «aber dann muss man zur Kenntnis nehmen, dass diese Massnahmen etwas kosten.»
Ein Haus in Schaffhausen kostet ein Drittel mehr als vor zehn Jahren
Ein regelmässiger und vom Publikum geschätzter weil humorvoller Redner ist Donato Scognamiglio, Verwaltungsratspräsident des Immobilienberaters Iazi AG. In seinen Vorträgen taucht plötzlich der Kopf von Nationalbank-Chef Thomas Jordan in einem Überraschungs-Ei auf oder er rät den Anwesenden als Lösung des aktuell in Schaffhausen negativen Geburtensaldos zu «mehr Kinder, weniger Tinder».
Gleichzeitig wirft Scognamiglio aber auch einen seriösen Blick auf den Immobilienmarkt der Region – und zieht ein positives Fazit, zumindest für Eigentümer: «Im Vergleich zu 2014 kostet ein Haus in Schaffhausen 34 Prozent mehr. Es sind alle reich geworden hier.» Die Gründe: Einerseits ein relativ starres Angebot, andererseits sei, so der Immobilienexperte, Schaffhausen und die Schweiz generell attraktiv. «Über 100 000 Menschen kommen in die Schweiz, weil es hier bessere Jobs gibt als bei ihnen.» Ein Gastarbeiter, der im Engadin Schnee schaufelt, mache das nicht, weil ihn die Arbeit erfüllt. «Und ein Berner wie ich geht mit 24 Jahren nicht nach Zürich, weil ihm der Dialekt so gefällt.»
Imageproblem: «Selbst verschuldet»
An der anschliessenden Podiumsdiskussion, zu der sich auch der Leiter Immobilien-Investoren der SHKB Markus Wechsler gesellte, versuchte Brennwald, die gewonnenen Erkenntnisse zusammenzutragen. Scognamiglio sagte, dass das Bevölkerungswachstum der primäre Treiber für die gestiegenen Immobilienpreise sei, aber dass die Schweiz die Zuwanderer auch suche. «Es ist ein Wohlstandsproblem und würde sich erst ändern, wenn es der Schweiz schlecht gehen sollte. Und das hoffe ich nicht.»
Nicht ganz einig wurden sich Schindler und Ledermann bei der Frage, ob der Staat der Haupttreiber von hohen Preisen sei. «Wir haben nicht über Rendite gesprochen, die ebenfalls ein Treiber sind. Aber es spielt beides mit rein», so Schindler diplomatisch. Scognamiglio warf ein, das Imageproblem der Branche sei selbst verschuldet: «Sie ist nicht gut genug organisiert. In einer Demokratie müsste sie ihre Interessen aber platzieren.» Auch das Publikum wurde involviert, via Smartphone konnte es den Referentinnen und Referenten Fragen stellen.
«Die Branche ist nicht gut genug organisiert. In einer Demokratie müsste sie ihre Interessen aber platzieren.»
Die abschliessende Frage stellte aber Moderator Brennwald: Worin würden die Herrschaften auf der Bühne eine Million Franken investieren? Die meisten wählten Immobilien – auch wenn man mit einer Million laut Schindler in Zürich nicht so weit komme. Nur Scognamiglio würde es wie eine Pensionskasse machen: 20 bis 30 Prozent in Immobilien, der Rest in Aktien und Obligationen. Aus Diversifikationsgründen.
Den Schlusspunkt der munteren Veranstaltung setzte SHKB-CEO Alain Schmid, der die vielschichtigen Herausforderungen im Immobilienmarkt betonte und für Zusammenarbeit plädierte. Anschliessend lud er die Gäste zum Stehlunch auf dem Herrenacker ein.