«Die Schweiz ist ein typisches Aromat-Land»

Der neue Mann bei Unilever in Thayngen heisst Thierry Mousseigne. Er ist seit Oktober Chef von Unilever Schweiz und damit Nachfolger von Alexander Kühnen.
Arbeit im Rentenalter: Knorrli ist mit 70 aktiv wie eh und je
Das ganze Suppentellergesicht lacht. Dem immer fröhlichen, rot gewandeten Männchen wurde 1947 Leben eingehaucht: Sein Gestalter ist der in Bosco Gurin geborene Maler und Grafiker Hans Tomamichel. An der Idee und der Namengebung der berühmten Werbefigur war der damalige Knorri-Direktor Johann Conrad Weilenmann massgeblich beteiligt. 1948 tauchte Knorrli erstmals auf – darum gilt das Jahr als Geburtsstunde vom Knorritsch-Maa, wie er am Anfang hiess. Zu Knorrli umgetauft, warb er für Haferflocken und Suppenwürste. Seit 70 Jahre ist er nun Botschafter der Thaynger Knorr-Nährmittel AG, heute Unilever. Als Tomamichel die Figur skizzierte, schwebte ihm ein freundlicher Berggeist – ähnlich den Erd- und Wichtelmännchen in den Alpensagen – vor: «Den Knorrli hatte ich rot gemacht. Ich machte ihm einen runden Kopf – wie bei einem Suppenteller», erklärte er einst das unverwechselbare Aussehen der Figur. Der Suppengeist avancierte rasch zu einer beliebten Werbefigur und war als Puppe, Schlüsselanhänger oder Pin zu haben. Knorrlis Erscheinungsbild hat sich in den Jahrzehnten nicht verändert – unverdrossen trägt er sein rotes Arbeitsgewand und seine ebenfalls rote Zipfelmütze. Auf einem Werbeplakat aus den Fünfzigerjahren allerdings wirbt der sprachgewandte Knorrli für Velouté de poireaux (Lauchcremesuppe) und hat rote Pompons an den Füssen, die verschwanden aber rasch wieder. Und die anfänglich schwarzen Augen leuchten nun öfters in Grün, Suppengrün natürlich. Zeitlos-modern ist Knorrli trotzdem, eine Google-Suche ergibt in 0,38 Sekunden über 45 000 Ergebnisse, der Suppengeist kennt sich auch mit Computern aus, und er hat etwa einen Facebook-Account.
Jobenrichment für Knorrli
Die stets lachende Werbefigur prangt bis heute auf vielen Produkten und symbolisiert Qualität aus Thayngen. Knorrli ist aber nicht nur in der Werbung tätig, sondern hat auch Unilever-intern wichtige Aufgaben. Mit gelbem Helm und Augenschutz ist er auf verschiedenen Sicherheitshinweisen abgebildet und sorgt als kindergrosse Figur im Treppenhaus dafür, dass der Handlauf immer benutzt wird.
Für Unilever ist der nimmermüde Knorrli ein Glücksfall. Nicht zuletzt dank der urschweizerischen Verkleinerungsform «li» zählt er mit einem Bekanntheitsgrad von über 90 Prozent zu den berühmtesten Schweizer Werbefiguren. Ihn in Pension zu schicken, daran denkt bei Unilever keiner, sondern nur daran, die sieben Jahrzehnte ausgiebig mit den Kunden zu feiern – 70 Jahre und kein bisschen verstaubt. (jvo)
Der neue Chef von Unilever kommt vom Nahrungsmittelriesen Nestlé. Thierry Mousseigne hat im vergangenen Jahr in Thayngen die Nachfolge von Alexander Kühnen angetreten, der das Unternehmen verlassen hat. Der Country Managing Director von Unilever Schweiz ist gebürtiger Franzose, er wechselt jeweils rasch von Englisch auf Französisch und umgekehrt. Er habe zwei grosse Herausforderungen am Standort Thayngen zu meistern: die deutsche und die schweizerdeutsch Sprache, sagt er und schmunzelt dabei. Die Nahrungsmittelbranche ist ihm gut bekannt, er startete 1995 seine Karriere bei Nestlé und war dort in verschiedenen Marketing- sowie General-Management-Funktionen tätig. Er hat über die Jahre auf lokaler, regionaler und globaler Ebene verschiedene Marken aus dem Nestlé-Portfolio, von Glace bis hin zu Säuglingsnahrung, weiterentwickelt. Zu seinen Aufgaben in Thayngen gehört, dass er sich mit der Zukunft des Standortes befasst, mit dem Planen und dem Umsetzen von innovativen Projekten: «Dafür arbeiten wir auch mit Start-ups zusammen.» Mehr verraten könne er im Moment noch nicht: «Lassen Sie sich im Herbst überraschen.»
Weg wie warme Weggli
Knorr-Produkte werden in 190 Ländern rund um den Globus verkauft. Inwiefern unterscheidet sich das Schweizer Portfolio von demjenigen, das in andern Ländern angeboten wird? 80 Prozent der in Thayngen hergestellten Knorr-Produkte sind auch für die Schweiz bestimmt, so der Firmenchef. So wird beispielsweise alles, was aus der Aromat-Dose kommt, hier produziert: «Die Schweiz ist ein typisches Aromat-Land», sagt Mousseigne. Marketingleiterin Lea Paessens ergänzt: «Die Streuwürze wird – mit leicht geänderter Rezeptur – auch für viele andere Länder hergestellt, aber nur in der Schweiz gehen die Nachfüllbeutel im Triopack weg wie warme Weggli.» Die Aludose werde immer wieder in die Spülmaschine gesteckt und neu befüllt: «Auch das gibt’s nur in der Schweiz.» Stocki-Kartoffelstock ist ebenfalls ein typisches Produkt und besteht zu 100 Prozent aus Schweizer Härdöpfeln.
Die Knorri, wie die Fabrik immer noch im Volksmund heisst, ist eng verbunden mit Knorrli. Der Werbeträger mit der flatternden roten Zipfelmütze (siehe rechts) ist omnipräsent am Standort. «Wir haben aktuell rund 12 000 Knorrli-Puppen am Lager», sagt Paessens, dies aus Anlass des 70. Geburtstages der Fantasiefigur. Gefeiert wird aber nicht an einem bestimmten Tag, sondern das ganze Jahr. Wie viele Knorrli hat der neue Firmenchef in seinem Büro? «Unzählige», sagt Mousseigne. «Und zwar nicht nur im Büro, sondern auch zu Hause.»
Swissness – Aufwand zu hoch
Knorrli zählt zu den bekanntesten Werbefiguren der Schweiz. Das geschichtsträchtige Schweizerkreuz wird von vielen Produzenten zu Werbezwecken verwendet. Seit 2017 ist das Swissness-Gesetz in Kraft. Es soll sicherstellen, dass Produkte nicht zu Unrecht mit dem Schweizerkreuz beworben werden, und regelt die Anforderungen, welche Firmen erfüllen müssen. Lebensmittel müssen mindestens 80 Prozent Schweizer Rohstoffe enthalten, sonst muss das Kreuz auf der Verpackung weg. Von dieser Regelung sind alle der 400 Knorr-Produkte betroffen, die Thayngen herstellt werden. «Wir werden Swissness-Auslobungen nur noch auf sogenannten Leuchtturmprodukten wie unserem Kartoffelstock Stocki anbringen», hiess es damals seitens Unilever. Wie hat sich diese Änderung auf die Verkaufszahlen ausgewirkt? «Es ist ein Vorteil, wenn das Schweizerkreuz auf der Verpackung ist, das ja», so Mousseigne. Einen Einbruch der Verkaufszahlen hätte es dadurch aber nicht gegeben. Der Aufwand, der für Swissness betrieben werden müsse, sei gewaltig, darum belasse es Unilever bei den «Leuchttürmen», zu denen aus dem Non-Food-Bereich beispielsweise der Fleckenentferner Enka zählt.
Insgesamt arbeiten 650 Personen im Kanton für Unilever. Rund 180 Mitarbeiter in der Produktion in Thayngen, dazu kommen die Verkaufseinheit mit Marketing und der Bereich Supply Chain. Wie muss sich die Firma positionieren, um für die kommenden Jahre gerüstet zu sein? Die Esskultur hat sich verändert: Mahlzeiten wurden früher häufig mit Kochhelfern wie Beutelsaucen oder Fertigbouillon zubereitet, die Familie sass mindestens einmal pro Tag gemeinsam am Tisch und nahm eine warme Mahlzeit ein. Heute verpflegten sich die Familienmitglieder unter der Woche oft unterwegs, dafür werde am Wochenende das grosse Kochen zelebriert, und sogar die Bouillon werde eigenhändig zubereitet, erklärt Paessens. Diese zwei Extreme zwingen die Unilever geradezu, «die Mitte» zu verlassen und neue Wege zu gehen – sowohl bei den Produkten als auch im Marketing. Lea Paessens verweist, ebenso wie Thierry Mousseigne, auf innovative Neuheiten im Herbst dieses Jahres.
Mit dem Zug zur Arbeit
Ein Konzernziel ist die Reduzierung der Umweltbelastungen. Besonders Plastikmüll ist eines der Hauptumweltprobleme unserer Zeit. Unilever hat sich etwa zum Ziel gesetzt, bis 2020 das Gewicht der Kunststoffverpackungen um ein Drittel zu reduzieren und spätestens ab 2025 zu 100 Prozent wiederverwendbare, recycelbare oder kompostierbare Verpackungen einzusetzen. In Thayngen ist Plastik zwar ein grosses Thema, das Werk setzt sich aber auch mit der Reduktion von Aluminium- und Kartonverpackungen auseinander. Thierry Mousseigne setzt sich auch privat für die Umwelt ein. «Ich kaufe nur so viele Lebensmittel und andere Produkte, wie ich auch wirklich brauche. Und ich trenne den Abfall, mir gefällt das Schweizer System sehr gut.» Er fährt konsequent mit dem Zug von seinem Wohnort Zürich nach Thayngen.
An der Generalversammlung der Industrie- & Wirtschafts-Vereinigung Schaffhausen (IVS) im März wurde der CEO in den Vorstand der IVS gewählt. Was will er dort bewirken? «Mir schwirren viele Ideen im Kopf herum. Zusammen können wir vieles anpacken», so Mousseigne. Nachhaltigkeit sei sicher ein Thema, dass er sowohl bei Unilever als auch bei der IVS verfolgen werde. Es sei allerdings zu früh, um konkrete Beispiele zu nennen.
Das Gespräch mit dem Unilever-Chef findet ein jähes Ende: Der leibhaftige Knorrli tritt in Erscheinung und verwickelt ihn in ein Gespräch über die neusten Kochrezepte.