Rennwagen flog über Leitplanke in Bäume

Der am Bergrennen Oberhallau tödlich verunglückte Fahrer geriet auf einem eigentlich geraden Streckenabschnitt von der Strasse – noch ist der Unfallhergang ungeklärt.
Stimmen von Piloten zum Unfall
Wie fühlen sich die Fahrer, wenn ein schwerer Unfall passiert? Fritz Erb aus Hallau ist eine Motorsportlegende in der Schweiz. «Es ist tragisch und das Letzte, was man braucht», sagt der Garagist, der seine aktive Rennkarriere 2014 beendet hat. Der langjährige Spitzenfahrer, der die Familie des Verunfallten persönlich gut kennt, hat eine eigene Theorie, warum solche Unfälle vorwiegend gegen Ende von Rennsportveranstaltungen passieren. «Die Konzentration lässt dann nach, und man fährt, wie man unter den Fahrern sagt, mit dem Messer zwischen den Zähnen, was dann gefährlich werden kann», wie Erb anfügt.
Bernhard Hedinger aus Wilchingen ist als Lokalmatador zigmal das Bergrennen in Oberhallau gefahren. Der frühere Garagist war selber vor Ort – als der Unfall passierte, aber nicht mehr. «Es ist tragisch und eine persönliche Katastrophe für die Familie und den Veranstalter», sagt Hedinger. Über die Ursachen könne nur spekuliert werden, so Hedinger. Vielleicht wollte der Fahrer zu viel? Auch wenn er selber bei seinen Fahrten eine kleine Reserve liess, sei er in einigen Situation doch ans Limit gegangen. «Als Fahrer denkt man nicht daran, dass etwas passieren könnte», jeder Fahrer wisse aber, dass Motorsport per se gefährlich ist.
Ähnlich äussert sich auch Marc Wehrli aus Schaffhausen. Der junge Garagist wäre direkt hinter dem verunglückten Piloten gestartet. «Ein Unfall kann immer passieren. Das weiss jeder, der fährt. Aber so etwas ist nur schrecklich», trauert Wehrli und auch sein Team mit den Angehörigen des Verunglückten. Eine tragische Angelegenheit ist der Unfall auch für die Organisatoren des Rennens, denen er eine perfekte Organisation bescheinigt hat. «Jeder steigt am Rennwochenende ins Auto mit dem Ziel, am Montag wieder gesund zur Arbeit zu gehen», sagt Wehrli. (dfk)
Die Betroffenheit ist auch gestern noch im Dorf zu spüren. Am Sonntag ist beim Bergrennen ein Fahrer tödlich verunfallt: Nach ersten Erkenntnissen ist er nach der «Tarzan-Kurve» von der Spur abkommen und an der linken Strassenseite in einen Baum geprallt. Der 33-jährige Fahrer aus Forst b. Längenbühl war im dritten Rennlauf mit in einem Peugeot 205 Gti verunfallt. Am Unfallort erinnert eine Kerze und eine Blume an den verstorbenen Rennfahrer. Der Oberhallauer Gemeindepräsident Hansueli Graf betont: «Wir sind alle betroffen. Mit der Kirchgemeinde veranstalten wir vielleicht einen kleinen Gedenkanlass. Wir stehen aber weiterhin hinter dem Traditionsanlass.»
Am Unfallort ist gestern die verbeulte Leitplanke zu sehen: Der Fahrer ist auf der eher geraden Strecke zunächst auf der rechten Strassenseite in die Wiese gefahren und dann auf der linken Fahrbahn in die Leitplanke gerast. Dabei hob der Wagen über die Leitplanke hinaus ab und schlug nach einem Flug von über 20 Metern mit dem Dach in rund zwei Meter Höhe in die Bäume – an dieser Stelle ist die Leitplanke bereits beendet. Die Passage, «Wäldchen» genannt, gilt als herausfordernd: Zunächst gelangen die Fahrer nach der nach links führenden «Tarzan-Kurve» auf eine gerade Strecke zum Beschleunigen – hier geschah der Unfall – bevor später eine scharfe Rechtskurve folgt. Bis ins Ziel sind es von hier nur noch rund 300 Meter. Auf der Strecke sind die Fahrer mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 157 km/h unterwegs. Der Mann, der seit 2011 eine Fahrerlizenz hatte, verstarb noch auf der Rennstrecke. Streckenposten, Rettungssanität und Ambulanz konnten ihn trotz Sofortmassnahmen nicht mehr retten. Besonders tragisch: Auch der Bruder des Verstorbenen startete am Rennen.
Bergrennen sind risikoreich
«Das Unfallfahrzeug steht derzeit bei der Schaffhauser Polizei. Zusammen mit der Staatsanwaltschaft haben wir die Ermittlungen aufgenommen. Neue Erkenntnisse gibt es noch nicht», so Polizeisprecherin Cindy Beer gestern. Für die Sicherheit der Rennstrecke ist der Veranstalter Pro Bergrennen Oberhallau zuständig. Der Präsident Sascha Schlatter wollte gestern nichts mehr zum Unfall sagen. Der Verein werde wie jedes Jahr nach Rennende zusammensitzen und den Anlass analysieren. Über die Zukunft des Bergrennens Oberhallau äusserte sich Schlatter gestern nicht.
Der Verband Auto Sport Schweiz (ASS), das oberste Gremium im Automobilsport in der Schweiz, überprüft alle fünf Jahre die Strecken der sieben Schweizer Bergrennen. ASS gibt den Veranstaltern vor, welche Sicherheitsmassnahmen an der Strecke gelten. Gemäss ASS-Direktor Patrick Falk verfasst bei einer solchen Grosskontrolle die ASS-Strecken- und Sicherheitskommission ein detailliertes Streckenprotokoll. In Oberhallau fand diese letztmals 2014 statt. Jährlich vor dem Rennen werde aufgrund des vorhandenen Streckenprotokolls die Sicherheit überprüft – ASS-Rennkommissare überwachten die Umsetzung. «Wir haben die Rennstrecke am Freitag kontrolliert. Der Veranstalter hat für maximale Sicherheit gesorgt und alle Vorgaben erfüllt», so Falk. Die Schaffhauser Polizei habe nach dem Unfall am Sonntag die Strecke besichtigt und gegenüber ihm versichert, dass die Veranstalter bezüglich Sicherheit alles tadellos eingehalten hätten, sagt Falk. Der Organisator habe deshalb nicht mit ASS-Konsequenzen zu rechnen.
«Wir haben die Strecke am Freitag kontrolliert. Die Veranstalter haben alle Vorgaben an die Sicherheit erfüllt.»
Patrick Falk, Auto Sport Schweiz
«Bei einem Bergrennen lauert immer ein Restrisiko, was die Fahrer aber auch genau wissen», erklärt Patrick Falk weiter. Jede Bergstrecke sei anders, deshalb fordere ASS keine generelle Sicherheitsverstärkung. Die Veranstalter des Bergrennens Oberhallau müssen den Anlass jedes Jahr vom Regierungsrat genehmigen lassen. In den eingereichten Unterlagen liegt das jeweilige Streckenprotokoll von Auto Sport Schweiz und eine ASS-Bestätigung bei, dass die Sicherheitsmassnahmen erfüllt sind. «Die Sicherheit auf der Strecke liegt klar in Verantwortung der Veranstalter. Er muss für die Sicherheit der Fahrer und Zuschauer sorgen», erklärt Markus Storrer, Leiter des kantonalen Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamts. Der Kanton regle nicht, wo eine Leitplanke stehen müsse.
Die Schaffhauser Polizei schaut sich aber im Gesuch genau an, welche Sicherheitsmassnahmen vorgesehen sind: «Sie habe aber bisher noch nie zusätzlich Massnahmen verlangt», sagt Patrick Falk. «Noch ist es zu früh, über schärfere Massnahmen für die Bewilligung nachzudenken, solange der Unfallhergang ungeklärt ist», meint Storrer.
Letzter toter Rennfahrer 2004
Bis zum Unfall vom Sonntag gab es beim Bergrennen zwei Todesfälle zu beklagen. Am 17. August 1981 prallte ein 36-jähriger Schaffhauser gegen eine Birke und verstarb. Am 29. August 2004 starb ein 42-jähriger Thurgauer, der nach der «Tarzan-Kurve» in einen Baum fuhr. Auch in der laufenden Bergrennensaison gab es bereits Unfälle: In ersten Rennen in Hemberg verunfallte der TV-Moderator Richard Hammonds mit seinem Elektrosportwagen bei einem Testlauf. Im zweiten Bergrennen in Reitnau kam Porschefahrer Chris Steiner von der Strecke ab und zog sich schwere Beinverletzungen zu.