Warum der Gadget-Boss freiwillig auf die Defizitgarantie vom Kanton fürs Stars in Town verzichtet

Die Künstlergagen steigen, und das hat auch Auswirkungen auf Festivals wie Stars in Town. Wenn dazu noch Einschränkungen bei der Werbung kommen, dann stellt sich die Frage nach der Finanzierung neu, wie Christoph Huber, Partner von Gadget und zuständig für die Festivals der Musikagentur, im Interview erklärt. Und: Auf die Defizitgarantie des Kantons habe man freiwillig verzichtet.
Seit anfangs Jahr gehören 60 Prozent des Musikfestivals Stars in Town der Gadget Entertainment Group, die ihrerseits im Besitz des wichtigsten europäischen Konzertveranstalters CTS Eventim ist. Christoph Huber, der bei Gadget die Festivals verantwortet, spricht im Interview mit den SN über die Zukunft des Schweizer Festival-Marktes und von Stars in Town.
Herr Huber, welches war das beste Livekonzert, das Sie je erlebt haben?
Huber: Das Konzert von Prince auf der «Sign o' the Times»-Tour im Hallenstadion Ende der 80er-Jahre ist mir am besten in Erinnerung geblieben. Er spielte fünf Shows, man musste in Schwarz oder Apricot gekleidet erscheinen, auf jedem zweiten Stuhl in den vorderen Reihen war eine Handrassel deponiert. Meine Hand war nach dem Konzert blau, aber das war etwas vom Besten, das ich je gesehen habe.
Das ist ein paar Jahre her, inzwischen haben Sie viele Konzerte besucht oder selber organisiert. Wie war die diesjährige Festival-Saison aus Sicht von Gadget?
Huber: Nach einem verregneten Frühling folgte ein guter, ein solider Sommer. Das Open Air St. Gallen war ausverkauft, Stars in Town konnte mit einer sehr guten Ausgabe aufwarten, auch andere Festivals liefen gut. Über alles sind wir zufrieden. Wenn wir den Blick aber auf den nationalen und den internationalen Markt werfen, war es eher ein schwieriges Jahr.
Weshalb?
Huber: Erneut sind die Kosten gestiegen, es war anspruchsvoller, Künstler zu buchen. Angesichts dieser Umstände dürfen wir zufrieden sein.
Sie haben die steigenden Kosten angesprochen: Gemäss Experten haben sich die Künstlerhonorare in den vergangenen 20 Jahren um bis zu Faktor 10 erhöht. Teilen Sie diese Einschätzung?
Huber: Ich würde sagen, dass die Ansätze in den vergangenen zehn Jahren um 30 bis 40 Prozent angestiegen sind – und ich rechne damit, dass diese Entwicklung weitergehen wird.
Ist das für Festivals kein Problem?
Huber: Doch, gerade für kleinere und mittlere stellt das eine grosse Herausforderung dar. Wollen diese Veranstalter internationale Stars etwa aus den USA buchen, ist das schwierig oder einfach zu teuer. Die Frage ist: In welchem Moment fällt man den Entscheid, auszuweichen und eine Alternative zu den grossen Namen zu suchen? Es ist wichtig, diesen Schritt zu machen, wir haben das bei unseren Festivals bereits vollzogen.
Wie macht sich das bemerkbar?
Huber: In St. Gallen beispielsweise treten inzwischen mehr Acts aus Deutschland auf und weniger internationale. Das ist auch eine Folge das Umstandes, dass die Bands von anderen Anbietern höhere Gagen erhalten, etwa in Portugal, Spanien oder Frankreich.
Dort sind die freien Einkommen aber tiefer als in der Schweiz, wieso funktioniert das dort trotzdem?
Huber: Weil in diesen Ländern traditionellerweise viele Subventionen in den Kultur-Bereich fliessen. Da können wir in der Schweiz nicht mithalten.
Wäre es denn in der Schweiz notwendig, dass sich die öffentliche Hand stärker engagiert?
Huber: Eine schwierige Frage! Es gibt sicher Regionen – etwa Tourismus-Destinationen –, die auf die Unterstützung setzen – das Big-Air-Festival wäre ohne die Unterstützung der Stadt Chur gar nicht möglich. Findet das Festival aber an einem Ort statt, wo kein touristischer Nutzen zu erwarten ist, schwindet die Aussicht auf eine Unterstützung der öffentlichen Hand. Ich bin jetzt seit 2013 Teil des Schaffhauser Festivals, und ich glaube, der Stellenwert der Stadt und der Tourismusdestination hat durch Stars in Town mehr als gewonnen: Leute kommen nach Schaffhausen und entdecken die Stadt, das ist ein Gewinn für die ganze Region.
Das Festival wird bereits von der öffentlichen Hand unterstützt. Wenn ich Sie richtig verstehe, bräuchte es also mehr Mittel vom Staat?
Huber: Diese Frage wird sich in Zukunft neu stellen. Was ich mit einer gewissen Sorge beobachte, ist die Entwicklung in skandinavischen Ländern: Dort ist Festival-Sponsoring durch Tabak- und Spirituosen-Firmen verboten, der Verkauf von Alkohol stark eingeschränkt. Sollten wir in diesem Bereich mit ähnlichen Werbe-Restriktionen konfrontiert werden, habe ich heute noch keine Antwort, wie wir die fehlenden Mittel ersetzen können. Allenfalls müsste man die Unterstützung von Stiftungen oder der öffentlichen Hand ins Auge fassen. Noch ist dieses Thema bei uns nicht akut, aber das beschäftigt mich schon.
Anfangs der Woche hat der Schaffhauser Kantonsrat die Defizitgarantie für Star in Town im Umfang von 50’000 Franken aus dem Budget 2025 gestrichen. Wie reagieren Sie auf diesen Schritt?
Huber: Wir haben anfangs November dem Regierungsrat signalisiert, dass Stars in Town infolge der starken Partnerschaft mit der Gadget Entertainment Group freiwillig auf die Defizitgarantie verzichten möchte.
Stichwort Verbote: Anlässlich des Festivals wurde den Pressefotografen untersagt, Bilder zu machen. Der Schaffhauser Presseverein hat daraufhin eine Protestnote verfasst. Ist das nicht eine Form von Zensur, wenn auf einem öffentlichen Platz die Arbeit der Presse eingeschränkt wird?
Huber: Einschränkungen sind nicht in unserem Sinn – jedes Bild, das gemacht wird und das Festival in die Welt hinausträgt, finden wir gut. Es reisst indes immer stärker ein, dass die Entourage eines Künstlers die Art und Weise der medialen Berichterstattung mitgestalten will. Das ist eine Entwicklung, welche die ganze Branche beschäftigt: Wenn die Einschränkungen in diesem Bereich zu gross werden, muss die Branche reagieren, ein Festival allein kann da nichts ausrichten.
Wie könnte eine solche Reaktion aussehen?
Huber: Indem man in den Verträgen festzuschreiben versucht, dass es ein freies Fotorecht gibt während einer bestimmten Zeit und dass die Zustimmung zu den Bildern innert 24 Stunden erfolgen muss. Wir machen das nicht willkürlich, sondern als Organisator sind wir hier auch Zwängen unterworfen …
… aber der Organisator hat das ja in der Hand?
Huber: Solche Themen werden meist nicht im Vorfeld definiert, sondern kommen wenige Wochen vor dem Auftritt vonseiten der Künstler hinzu. Das führt zu grossen Diskussionen, bei denen man abwägen muss, wie weit man gehen will.
Blicken wir auf den Schweizer Markt: Wie kann dieser sich gegen die Konkurrenz aus dem Ausland behaupten?
Huber: Wir in der Schweiz punkten mit Qualität bei den Festivals.
Sie sprechen von Infrastruktur?
Huber: Ja, aber es geht dabei auch um Sicherheit, Nachhaltigkeit und um Atmosphäre – darauf wird in anderen Ländern weniger Wert gelegt, weil das Geld für die Künstler ausgegeben wird.
Auch bei Stars in Town haben sich die Ticket-Preise in den vergangenen Jahren deutlich erhöht. Wo liegt Ihrer Meinung nach die Schmerzgrenze beim Publikum?
Huber: Ob es da eine scharfe Grenze gibt, weiss ich nicht. Wesentlicher ist die Frage nach dem Künstler: Geht es um einen älteren, arrivierteren Künstler mit einem ganzen Rucksack voller Songs, spricht das eher ein gehobenes Publikum an, das auch einmal tiefer in die Tasche greift. In Schaffhausen Herbert Grönemeyer vor einem Publikum von 6000 Menschen zu sehen, entspricht eigentlich einem Klub-Konzert, hier stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis. All diese Aspekte, Künstler, Infrastruktur, Publikumsgrösse spielen bei der Beurteilung des Preises eine Rolle.
Wenn die kleineren und mittleren Festival-Anbieter im Kampf um Acts unter Druck kommen, werden manche auch auf der Strecke bleiben – werden wir ein Festival-Sterben erleben?
Huber: Schon Ende der 90er-Jahre wurde darüber gesprochen, dass wir zu viele Festivals im Land haben, passiert ist dann nicht viel. Trotzdem denke ich, dass wir heute vor Veränderungen stehen: Als Präsident der europäischen Festival-Vereinigung bekomme ich – zum ersten Mal – mit, dass in verschiedenen Ländern bekannte Festivals vom Markt verschwinden – auch grössere. Als Grund wird mangelndes Publikum oder zu tiefe Einnahmen genannt. Mit einer ähnlichen Entwicklung rechne ich auch in der Schweiz.
Würde es zuerst die kleinen Festivals treffen?
Huber: Nicht unbedingt. Wir von Gadget legen grossen Wert auf die Verbundenheit mit unserem Publikum und regionale Verankerung. Das Ziel muss ein gutes Festival-Erlebnis sein – vom Einlass über die Toiletten, das Konzert, die Atmosphäre und bis hin zur Verpflegung. Wenn das alles stimmt, kann das Line-up auch einmal weniger stark ausfallen, und die Menschen kommen aus Verbundenheit mit dem Festival trotzdem – weil die Qualität stimmt.
Bei Stars in Town setzt man zudem auf Themen-Abende – einmal Rock, dann Schweizer Musik, dann wieder eher Hip-Hop. Wäre eine Spezialisierung nicht sinnvoller, um das Profil zu schärfen?
Huber: Nein, das wäre ein Fehler, denn die meisten Besucher sind an einem oder zwei Abenden auf dem Herrenacker, entschieden wird nach dem Musikprogramm. Das ist genau eine Stärke des Festivals, weil wir damit ein sehr breites Publikum erreichen. Für Schaffhausen ist das der richtige Weg.