«Mich macht es wütend, dass Frauen nicht einmal im Dunkeln sicher nach Hause laufen können» – das treibt Indja Hunziker und Vanessa Fanni an
Eine 22-jährige Frau wurde anfangs Monat beim Ebnatkreisel vergewaltigt. Indja Hunziker und Vanessa Fanni möchten mit ihrer Instagram-Seite «Get Home Safe Schaffhausen» dafür sorgen, dass niemand mehr alleine auf den Strassen unterwegs sein muss.
Frau Hunziker, Frau Fanni, wie sicher fühlen Sie sich auf den Schaffhauser Strassen?
Indja Hunziker: Nach all den Dingen, die passiert sind, nicht mehr so sicher.
Vanessa Fanni: Da gehts mir ähnlich. Da ich lang im Nachtleben gearbeitet habe, geht es mir schon länger so. Ich schaue mit meinen Freunden, dass wir nie allein nach Hause laufen müssen.
Hatte das einen Einfluss auf die Gründung Ihrer Instagramseite «Get Home Safe Schaffhausen»?
Hunziker: Auch, der Auslöser war aber ganz klar der Vergewaltigungsfall am Ebnatkreisel.
Was hat dieser Fall bei Ihnen ausgelöst?
Fanni: Ich wohne ganz in der Nähe des Tatorts und man hört immer wieder von solchen Vorfällen, aber wenn es dann so nah vom eigenen Zuhause passiert, fährt es schon nochmal etwas anders ein. Mich hat der Gedanke wütend gemacht, dass man als Frau nicht einmal im Dunkeln sicher nach Hause laufen kann und ich habe deshalb auf Instagram eine Story gepostet, in der ich angeboten habe, dass sich Menschen bei mir melden können, bevor sie allein im Dunkeln nach Hause laufen müssen.
Hunziker: Diese Story habe ich dann bei ihr gesehen und mich ihrem Angebot angeschlossen. Da ich ja im Klettgau wohne, dachte ich, dass ich ja einspringen könnte, wenn jemand Hilfe braucht, der beispielswese in Beringen wohnt. Dann hat mir Vani geschrieben, «Hey, ich hätte noch eine andere Idee…» und so ist diese Seite entstanden.
Eine Idee, die eingeschlagen hat. Innerhalb von 24 Stunden haben Sie mehrere Tausend Follower gewonnen und unter anderem hat Juso-Kantonsrätin Leonie Altorfer für Sie Werbung gemacht. Wie haben Sie diese ersten 24 Stunden erlebt?
Fanni: Ich war ehrlich gesagt leicht überfordert. Es ist wirklich wie eine Lawine über uns gerollt. Wir dachten, dass höchstens unsere Kolleginnen und Freunde uns folgen würden. Schlussendlich sind aber so viele Anfragen reingekommen, da dachten wir uns, das kann gar nicht sein. Im Ganzen war es aber eine positive Erfahrung.
Hunziker: Wir haben uns beide weinend eine Sprachnachricht geschickt, weil wir so überwältigt waren.
Was ist Ihr Ziel mit gethomesafesh und wie wollen Sie das erreichen?
Fanni: Das Ziel ist eigentlich ganz simpel. Wir möchten, dass die Leute sicher nach Hause kommen. Egal, welches Alter, welches Geschlecht, welche Identität.
«Wir möchten, dass die Leute sicher nach Hause kommen. Egal, welches Alter, welches Geschlecht, welche Identität.»
Und wie funktioniert «Get Home Safe Schaffhausen» denn nun genau?
Fanni: Vorerst werden wir mit einem Telegram-Channel arbeiten. Wir werden einen Einladungslink für diesen Channel an diejenigen verschicken, die unseren Service nutzen oder aushelfen möchten. Wir haben uns aus Datenschutzgründen für einen Telegram-Channel entschieden, da es in einem solchen möglich ist, dass Nachrichten nach 24 Stunden von selber gelöscht werden und keine Screenshots vom Chat gemacht werden können. So können wir auch die Identitätskarten der Personen anfragen, die gefahren werden möchten, ohne dass sie sich Sorgen um ihre privaten Daten machen müssen.
Wann wird die Telegram-Gruppe online sein?
Hunziker: Ich denke, bis an diesem Wochenende sollte unsere Telegram-Gruppe eingerichtet und bereit sein. Aber wir können noch nichts versprechen. Es gibt noch einige organisatorische Sachen zu klären auch noch einige Dinge, die wir posten möchten, beispielsweise die Vorstellung unserer Fahrerinnen und Fahrer.
Fanni: Hier wäre auch noch anzumerken, dass die Telegram-Gruppe zwar im Moment unser Hauptfokus ist, wir sind aktuell aber auch noch in Gesprächen mit einem Taxiunternehmen aus Schaffhausen. Wir möchten abklären, ob es möglich wäre, dass wir durch Spenden die Taxifahrten von Hilfsbedürftigen finanzieren könnten. So würde das Taxiunternehmen nichts verlieren und die Leute kämen trotzdem sicher nach Hause.
Man muss als Mitglied in der Telegram-Gruppe sein und sich ausweisen können. Welche anderen Regeln haben Sie noch bestimmt?
Hunziker: Hetero-Männer dürfen nur Hetero-Männer fahren. Ausser eine Frau oder ein LGBTQIA+ Mitglied sagt, dass sie gern von einem Mann gefahren werden würde. Auf unserer Fahrerliste sind zudem nur Menschen, die wir persönlich kennen und denen wir vertrauen.
Fanni: Natürlich dürfen auch keine Waffen oder sonstige gefährlichen Gegenstände mit ins Auto genommen werden. Das Wichtigste für uns ist: Wir wollen keine Taxiunternehmen ersetzen. Wenn jemand das Geld für ein Taxi hat oder sich Geld für eines leihen kann, dann soll er oder sie auch ein Taxi nehmen.
Wieso ist es wichtig, dass Hetero-Männer nur Hetero-Männer fahren dürfen?
Hunziker: Wir möchten betonen, dass wir uns nicht gegen Männer richten und bestimmt nicht alle in einen Topf werfen möchten. Dennoch zeigen die Statistiken des Bundesamts für Statistik, das 90 Prozent der Täter und Täterinnen in Sexualdelikten Männer sind. Wäre ich in einer Situation, in der ich mich sowieso schon unwohl fühle, zum Beispiel alleine im Dunkeln, draussen ohne Begleitung, möchte ich ungern in das Auto eines mir fremden Mannes einsteigen. Wir möchten unsere Nutzer aber auch Fahrer und Fahrerinnen schützen und ihnen ein wenig das Gefühl von Sicherheit geben können. Die Männer werden jetzt laut schreien «wir sind nicht alle so» und das glauben wir ihnen.
Fanni: Das wissen wir auch, persönlich. Ich habe einen wunderbaren Bruder zuhause und ich würde meine Hände für ihn ins Feuer legen.
«Wäre ich in einer Situation, in der ich mich sowieso schon unwohl fühle, möchte ich ungern in das Auto eines mir fremden Mannes einsteigen..»
Zum Schluss ein Blick in die Zukunft: Was passiert mit «Get Home Safe Schaffhausen» langfristig?
Fanni: Ich kann das eigentlich gar nicht einschätzen. Wir haben aber beide die Hoffnung, dass etwas vom Kanton und der Polizei kommt. Denn eigentlich sehen wir die Verantwortung bei der Polizei und Regierung, dass das Volk geschützt ist und wir finden es schade, dass sich die Bürgerinnen und Bürger selbst helfen müssen.