Was eine Skirennfahrerin, ein Haiforscher und ein Anlageberater gemeinsam haben
Ob als Skirennfahrerin, Anlageberater oder Haiforscher: Risiko spielt in den Berufen von Dominique Gisin, Matthias Baumgartner und Lukas Müller eine zentrale Rolle. Im vollen Kinosaal geben sie faszinierende Einblicke in ihrem Umgang mit Risiko.
Regelmässig lädt die Schaffhauser Kantonalbank (SHKB) zu Fachanlässen über Steuern, Anlagen oder Vorsorge ein. So grosses Kino wie am Donnerstagabend mit Skirennfahrerin, Haiforscher, Anlagespezialist und Popcorntüten hat sie jedoch noch nie geboten und füllt einen ganzen Saal im Kinepolis.
Nicht für alle, die an der Veranstaltung zum Thema «Wie viel Risiko braucht der Erfolg?» dabei sein wollen, hat es Platz. Auch Rainer Maria Salzgeber, der den Abend moderiert, ist begeistert. So einen Anlass, an dem Risiko aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet wird, hat der Moderator bei SRF noch nie geleitet.
«Um sein ganzes Potenzial auszuschöpfen, muss man sich schwierigen Bedingungen stellen und teilweise besondere Risiken, aber möglichst gezielt, eingehen.»
Olympiagold, Weltcupsiegerin und natürlich Ovo-Grand-Prix-Gewinnerin: Ex-Skirennfahrerin Dominique Gisin weiss, Risiko einzugehen und dieses in Erfolg zu verwandeln. «Bei solchen Geschwindigkeiten muss man die Kontrolle über seine Ski ein wenig abgeben», sagt sie. Ein Kontrollverlust, der es ihr ermöglicht, das zu erleben, was sie am Skisport so liebt: eine tiefe, unendliche Stille. Auf der Kinoleinwand zeigt Gisin ohne Ton ihre perfekte Fahrt in Sotschi 2014. Auch im Saal ist kein Mucks zu hören.
Risiken gezielt eingehen
Gisin belässt das Publikum aber nicht mit diesem Bild der Fulminanz. Stattdessen berichtet sie vom schmalen Grat zwischen Erfolg und schweren Verletzungen. So zeigten viele Knieoperationen Gisin Grenzen auf. Trotzdem kämpfte sie weiter. Nach einem Sturz an den Olympischen Spielen in Vancouver erkannte Gisin, dass sie besser mit ihrer Energie um gehen musste. Es galt, Risiko gezielter einzugehen. Dies brachte ihr auch den Erfolg in Sotschi. Dem Publikum rät Gisin: «Um sein ganzes Potenzial auszuschöpfen, muss man sich schwierigen Bedingungen stellen und teilweise besondere Risiken, aber möglichst gezielt, eingehen.»
«Wir Mensch beuten die Ressourcen so aus, dass wir damit nicht nur Haie, sondern unsere eigenen Lebensgrundlagen zerstören.»
Ein anderes Verhältnis zum Thema Risiko hat der zweite Referent, Matthias Baumgartner, Leiter des Investment Center der SHKB. «Anlagespezialisten haben es insofern einfacher als Skirennfahrer, als dass sie die Breite des Grats zwischen Risiko und Erfolg zu einem gewissen Mass selbst bestimmen können», sagt Baumgartner, der mehr als 30 Jahren Erfahrung im Anlagegeschäft hat. Die Flexibilität des Grats ergibt sich aus unterschiedlichen Anlegeoptionen, die Baumgartner in seiner Präsentation veranschaulicht.
Daraus geht hervor, dass sich Risiko mit der Zeit auszahlt. Allerdings betont Baumgartner, dass bereits defensive Anlagestrategien Geldentwertung ausgleichen können. Diese Inflationskompensation sei ein wesentlicher Beweggrund dafür, Überschüsse anzulegen. Unabhängig von der gewählten Anlagestrategie sollten stets bestimmte Grundsätze beachtet werden, sagt Baumgartner. Etwa dass Anlegen ein langfristiges Projekt ist und emotionale Entscheidungen zu unterlassen sind. Zudem ermittelt der Risikoradar der SHKB, wie verschiedene Entwicklungen Einflüsse auf den Finanzmarkt haben könnten. «Dies erlaubt, Risiken zu identifizieren, aber auch Chancen zu nutzen», sagt Baumgartner.
Fast bis zum Aussterben ausgerottet
Gekrönt wird der Abend mit der Aufforderung, sich am Heringshai ein Vorbild zu nehmen. Haiforscher und Free-Diver Lukas Müller präsentiert mit eindrücklichen Aufnahmen den besten Risikomanager überhaupt, der sich seit rund 400 Millionen Jahren anzupassen weiss. «Allerdings hat der Heringshai nicht mit dem Menschen gerechnet, der ihn fast bis zum Aussterben ausgerottet hat», sagt Müller.
Dagegen kämpft er mit «Ocean Collective» an und trägt dazu bei, dass heute wieder ein paar wenige Heringshaie in Europa leben. Der Free-Diver berichtet nicht nur von den Risiken, denen der beim Tauchen mit den Haien ausgesetzt war, sondern auch von den Erkenntnissen, die er aus seinen Erlebnissen mit den Haien zieht: «Wir Mensch beuten die Ressourcen so aus, dass wir damit nicht nur Haie, sondern unsere eigenen Lebensgrundlagen zerstören.»
Diese Erkenntnis soll allerdings nicht in Resignation münden. Stattdessen legt Müller dem Publikum ans Herz, anzupacken, sich Risiken bewusst zu werden und Fähigkeiten zu erarbeiten, um in Krisensituationen resilient zu sein. Ein Appel, den das Publikum mit lautem Applaus würdigt.