Der Fotograf als Psychologe: Mit authentischen Bewerbungsfotos zu mehr Selbstvertrauen

von Markus Bührer

Gehört ein Porträtfoto heutzutage noch in die Bewerbungsunterlagen? Daran scheiden sich die Geister. Zu sehr könne die Optik vom Inhalt, also das Aussehen von den Fähigkeiten, ablenken, argumentieren manche.

Dennis Beyer sieht das anders: «Ein Porträtbild hat nicht die Aufgabe, zu zeigen, wie jemand aussieht. Es soll uns einen authentischen Eindruck vom Charakter einer Person vermitteln.» Eine Bewerbung mit aussagekräftigem Foto helfe HR-Abteilungen dabei, zu beurteilen, ob eine Kandidatin oder ein Kandidat zum Unternehmen passe. «Das gilt umso mehr bei Jugendlichen, bei denen sich die Lebensläufe nicht gross unterscheiden und auch die Noten oft wenig aufschlussreich sind.»

Authentizität im Vordergrund

Beyer ist Kreativdirektor und Fotograf bei der Agentur Leuchtkraft GmbH in Neuhausen, die seine Schwester Kathrin Richter gegründet hat und führt. Seine Aussage basiert auf viel Erfahrung aus Bewerbungsshootings mit Jugendlichen. Seit drei Jahren bietet die Leuchtkraft GmbH nämlich anlässlich der Schaffhauser Berufsmesse ihre Dienstleistungen jungen Lehrstellensuchenden kostenlos an – und wird jeweils regelrecht überrannt.

Beyer stellt dabei vor allem eines in den Vordergrund: Authentizität. «Die Technik könnte ein trainierter Schimpanse bedienen», erklärt er in seiner markigen Wortwahl. «Mein Job ist es, mit Empathie die Schwingung einer Person aufzugreifen sowie durch gezielte Interaktion den Charakter zum Vorschein zu bringen und authentisch sichtbar zu machen.»

«Die Technik könnte ein trainierter Schimpanse bedienen.»

Verunsicherung durch Social Media

Steht er hinter der Kamera, nimmt Beyer eine fast schon psychologische Rolle ein. «Viele Jugendliche sind heute unfassbar verunsichert wegen Social Media», weiss er. Sie hätten ein negatives Körperbild und seien zu Beginn entsprechend oft schüchtern und zurückhaltend. In seinen Shootings sind das Gespräch und die Interaktion mit den Teenagern deshalb wichtige Methoden, um ihre wahre Persönlichkeit hervorzubringen. «Sie sollen ein fantastisches Erlebnis haben, nicht nur ein Ergebnis», so Beyer.

Dass aber auch das Ergebnis stimmt, zeigen ihm die Reaktionen darauf. Oft schöpften die Jugendlichen ein ganz neues Selbstbewusstsein aus ihren Fotos, was ihnen dann auch im Bewerbungsprozess helfe. Emotional reagiere auch das Umfeld: «Ich hatte schon Eltern, die mir mit Tränen in den Augen gesagt haben, so hätten sie ihre Kinder noch nie wahrgenommen», zeigt sich Beyer sichtlich berührt.

Projekte vom Irak bis nach Brasilien

Auch wenn das Engagement von Dennis Beyer ehrenamtlich ist, nimmt er es nicht auf die leichte Schulter – im Gegenteil. «Die Jugendlichen haben das absolute Maximum meines Könnens verdient», ist er überzeugt. Und davon bringt er viel mit, blickt er doch auf langjährige Erfahrung aus Foto- und Filmprojekten in Ländern wie dem Irak oder Brasilien zurück. Lange Zeit war er eigenständig als Kreativdirektor in einem losen Netzwerk unterwegs, bevor seine Schwester 2022 die Marketing- und Kommunikationsagentur Leuchtkraft GmbH gründete.

Kathrin Richter ist seit rund zehn Jahren als Art-Direktorin selbstständig. Nachdem sowohl bei ihr als auch ihrem Bruder die Kundenportfolios und Projekte stetig wuchsen, entschied sie sich zur Unternehmensgründung. «Mit Leuchtkraft wollen wir unsere Kunden zum Leuchten bringen, und zwar im doppelten Sinne: durch mehr Sichtbarkeit und durch ihre strahlenden Augen über das Ergebnis», erzählt sie.

Dabei setzen Richter, Beyer und ihr Team aus fünf festen und einem Dutzend freier Mitarbeitenden auf ein ähnliches Prinzip wie in der Fotografie: Authentizität und ein vertieftes Verständnis. «Wir kennen unsere Kunden und ihre Produkte oft so im Detail, dass wir als ausgelagerte Marketingabteilung agieren», so Richter. Und Beyer erinnert sich lachend an einen Videodreh im Ausland, bei dem er lokalen Behörden- und Wirtschaftsvertretern spontan einen Vortrag über die Maschinen seines Auftraggebers hielt und dabei gleich einen Auftrag an Land zog.

Vier Wochen Aufwand für eine «lebenswerte Gesellschaft»

In der Regel arbeitet Leuchtkraft vor allem für mittelständische Industriebetriebe im DACH-Raum. Dass Beyer sich ehrenamtlich an der Berufsmesse engagiert, geht auf eine Anfrage des Kantonalen Gewerbeverbandes vor drei Jahren zurück. «Ich habe sofort zugesagt, denn die Arbeit für junge Menschen ist mir sehr wichtig», sagt er, der auch unentgeltlich als Gastdozent seiner Alma Mater in Glasgow arbeitet.

So wird Beyer auch heute Freitag und morgen Samstag in seinem kleinen mobilen Studio auf dem BBZ-Gelände in 15- bis 20-minütigen Zeitslots die Besonderheiten seiner jungen Models mit der Kamera festhalten. Längst reicht diese Zeit aber nicht mehr, um der Nachfrage zu genügen. Deshalb reserviert der Fotograf sein Studio in Neuhausen für die komplette nächste Woche, um auch die Schülerinnen und Schüler abzulichten, die an der Messe nicht zum Zug kamen. Inklusive Vorbereitung und Nachbearbeitung der Shootings komme er so auf fast vier Wochen, die er investiere. Das scheint Beyer aber nicht zu kümmern: «Ich sehe das als meinen Beitrag zu einer lebenswerten Gesellschaft.»