«Wir geben nicht so schnell auf»
Der Direktor der Hirslanden-Klinik Belair Schaffhausen sagt im Gespräch, wie es im kleinen Privatspital auf der Breite nach dem Verlust von wichtigen Belegärzten weitergehen soll.
Peter Werder
Peter Werder (*1974) leitet als Direktor seit 2016 die Hirslanden- Klinik Belair auf der Breite in Schaffhausen. Zuvor war der Zürcher Leiter der Unternehmenskommunikation bei der Privatklinikgruppe Hirslanden gewesen. Die Klinik Belair wurde 1971 gegründet. Pro Jahr werden an der Fachklinik rund 1500 stationäre Patienten von 40 Fachärzten behandelt.
Text: Mark Liebenberg Bild: Selwyn Hoffmann
Einen grossen Aderlass muss die Hirslanden Klinik Belair in Schaffhausen verkraften: Ein Team von Belegärzten wechselt integral an das Kantonsspital und stärkt dort die Orthopädie, wie Ende März bekannt wurde (die SN berichteten). Die ZeniT-Ärzte waren bislang für rund 40 Prozent aller stationären Patienten in der kleinen Klinik aufgekommen. Klinikdirektor Peter Werder sagt nun, dass die Hirslanden-Gruppe weiterhin an den Standort Schaffhausen glaubt. Und er übt scharfe Kritik am Kanton.
Herr Werder, wie kalt hat Sie der Weggang der ZeniT-Ärzte ans Kantonsspital erwischt?
Werder: Wir wussten gar nichts davon und wurden fast gleichzeitig mit der Öffentlichkeit informiert. Ich hatte keinerlei Anzeichen, dass da zwischen den Spitälern Schaffhausen und dem ZeniT etwas ausgehandelt wird – im Unterschied zum Regierungsrat, der die Beteiligung des Kantonsspitals an der Gruppe ja bewilligen musste.
Sie mussten der Konzernleitung in Zürich dann vom drohenden Wegfall von bis zu 40 Prozent ihres Patientenvolumens berichten. Wie hat man dort reagiert?
Werder: Die Reaktion war die gleiche wie bei uns, sehr überrascht. Das ZeniT hat sich frei entschieden, den Partner zu wechseln. Das müssen wir hinnehmen. Ich rechne hingegen nicht damit, dass alle Zenit-Patienten uns den Rücken kehren werden. Ich habe deutliche Signale, dass die Patienten die Alternative, die das Belair darstellt, schätzen.
Hat man sich jetzt überlegt, am Standort Schaffhausen die Reissleine zu ziehen?
Ja, natürlich. Wir mussten uns in den vergangenen Wochen erst einmal organisieren. Aber ich darf nun sagen: Es geht weiter, wir spüren den Rückhalt bei den Patienten. Und auch eine Portion Ehrgeiz spielt mit, so schnell geben wir nicht auf. Unsere kleine, familiäre Fachklinik arbeitet rentabel und unser Praxiszentrum beim Bahnhof weist ein Wachstum auf. Wir haben also keinen Grund für Kurzschlusshandlungen.
Mit welchem Konzept und welchem Angebot wollen Sie die drohenden Verluste kompensieren?
Wir werden unsere fachliche Ausrichtung nicht einfach ändern, wir brauchen neue Belegärzte, das ist klar. Die Suche läuft derzeit auf Hochtouren. Es hat ja bisher funktioniert, das heisst, wir werden den Fachbereich Orthopädie auch weiterhin anbieten. Und einige Spezialgebiete, wie etwa die Augenchirurgie, die wir früher mal hatten, wieder aufbauen. Im Idealfall sieht das Belair in einem Jahr gleich aus, wie vor einem Monat.
Aber wie viele Arbeitnehmer sind am Belair betroffen, wenn die ZeniT-Ärzte im Herbst ans Kantonsspital wechseln?
Das können wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Ich bin dankbar für den vollen Support unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auch der Belegärzte. Wir arbeiten an Lösungen. Unser Vorteil ist, dass wir einen Hirslanden-Personalpool haben, also Arbeitskräfte nötigenfalls vorübergehend in anderen Spitälern der Gruppe beschäftigen können.
Welche Basis sehen Sie für die Zukunft am Standort Schaffhausen?
Das Belair ist innerhalb der Gruppe ein rentabler Betrieb und unter den Top Drei bei den Patientenzufriedenheitswerten. Ausserdem bin ich dezidiert der Ansicht, dass ein kompetitives Nebeneinander des Kantonsspital als Grundversorger und der kleinen Fachklinik Belair möglich wäre –etwas Markt im überregulierten Gesundheitswesen.
Bei ihrem Stellenantritt vor drei Jahren lobten Sie noch das Nebeneinander der beiden Spitäler im Kanton. Jetzt stehen sie in offener Konkurrenz um Patienten und Ärzte. Mit der Idylle ist’s endgültig vorbei?
Ich kritisiere nicht das Kantonsspital. Ich hätte an Spitaldirektor Lüschers Stelle im Falle der ZeniT-Ärzte gleich gehandelt. Aber ich muss es betonen: Das Belair arbeitet auf eigene Rechnung, ohne faktische Staatsgarantie im Rücken und ohne jegliche Subventionen. Unsere Patienten verfügen übrigens in 80 Prozent über keine Zusatzversicherung – sind also nur grundversichert. Pro Patient erhalten wir vom Kanton nicht mehr Geld als das Kantonsspital, dafür haben die Patienten die Wahl, in welchem Spital sie sich behandeln lassen möchten.
Was erwarten Sie denn vom Kanton?
Dass er uns machen lässt. Der zuständige Regierungsrat Walter Vogelsanger sagte mir im direkten Gespräch vor Zeugen, dass es im Kanton Schaffhausen nicht zwei Spitäler brauche. Für die Wahlfreiheit könnten die Patienten ja in den Kanton Zürich reisen. Dass das die Haltung des Gesamtregierungsrats ist, glaube ich nicht. Aber sie lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig!
Sie sagen, das Belair wird vom Kanton unfair behandelt?
Wir kennen die Situation auch aus anderen Kantonen. Diese sind meistens in einer Doppelrolle: Sie haben eigene Spitäler und treten gleichzeitig als Regulator auf. Als Schiedsrichter gewissermassen, der in der gegnerischen Mannschaft spielt. Nicht alle meistern diese Doppelrolle gleich gut. In Schaffhausen macht sich bei den politischen Verantwortlichen möglicherweise langsam auch eine gewisse Nervosität wegen des 270-Millionen-Spitalneubaus bemerkbar...
Sie haben im letzten Jahr gegen den Kanton geklagt, weil er eine Leistungsgruppe in der Wirbelsäulenchirurgie, die bislang nur das Belair anbot, neu auch dem Kantonsspital öffnete. Das entspräche doch aber auch dem Wettbewerbsprinzip, oder?
Es kann kein Wettbewerb sein, wenn der Kanton als Regulator und Spitalbetreiber gleichzeitig so stark agiert. Unsere Kritik war, dass diese Änderung ausserhalb des regulären Prozesses in einem Bereich mit kleinen Fallzahlen ohne jegliche Bedarfsabklärung und Wirtschaftlichkeitsprüfung passierte. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich dann als nicht zuständig erklärt. Damit lassen wir die Sache jetzt auch auf sich beruhen.
Aber noch einmal: Was erwarten Sie konkret vom Kanton?
Dass er das Belair nicht absichtlich zu schwächen trachtet. Im letzten Jahr haben wir mit den Kanton und dem Kantonsspital das Gespräch gesucht, ein Gedankentausch, wie wir nebeneinander in die Zukunft gehen, allenfalls auch, welche Arbeitsteilung oder Kooperationen möglich wären. Diese Gespräche hat der Kanton rundum abgelehnt. Das finde ich eine bemerkenswerte strategische Entscheidung, zumal es in Schaffhausen keine Eigentümerstrategie für das Kantonsspital gibt.
Als einer der Gründe für den Wechsel nannten die ZeniT-Ärzte die Mindestfallzahlen, die in Zukunft eine wichtige Rolle spielen würden. Werden da kleine Spitäler nicht stets den Kürzeren ziehen?
Nein, die Mindestfallzahlen können wir am Belair auch heute schon erfüllen. Das hat uns das Gesundheitsamt auch bescheinigt. Es gibt zu viele Spitäler in der Schweiz, das hat eine Studie kürzlich richtig dargelegt. Das Problem sind aber nicht kleine, privat geführte Fachkliniken, sondern die vielen Regionalspitäler, die alles anbieten, etwa im Kanton Zürich.
Sie sagen, Ihnen wehe zurzeit ein rauer Wind entgegen. Wie blicken Sie in die Zukunft?
Seit 2012 haben wir die freie Spitalwahl. Die Patienten entscheiden auch in Zukunft selber, in welches Spital sie gehen, nicht der Regierungsrat. Und die Gesundheitspolitik im Kanton bestimmen ja letztlich auch die Patienten und die Wähler an der Urne.
Gerüchteweise hört man, dass das Belair ohnehin in zwei Jahren zugemacht hätte, wenn im Kanton eine neue Spitalliste ausgehandelt wird. Was sagen Sie dazu?
Das ist Unsinn. Ich weiss nicht, wer solche Gerüchte in die Welt setzt. Klar, wir werden für unser Leistungsangebot kämpfen müssen. Dafür sind wir bereit – im Interesse der Wahlfreiheit der Schaffhauser Patientinnen und Patienten. Wir haben in den letzten beiden Jahren für über zwei Millionen Franken unsere Infrastruktur erneuert.
Herr Werder, danke für das Gespräch.