Von britischem Humor, Brexit und Bonzen
Einen Einblick in die Seele Grossbritanniens gab SRF-Grossbritannienkorrespondentin Henriette Engbersen gestern im Hombergerhaus in Schaffhausen.
Dabei war die aus Romanshorn stammende Journalistin nicht wenig amüsant – ja schon ganz britisch. «Auch über ernste Themen wird gerne gelacht», sagte Engbersen. «Und die Briten zeigen sich auch bei Demonstrationen sehr einfallsreich.» So sind kürzlich Tausende Menschen mit ihren Hunden auf die Strasse gegangen, um Parolen gegen den Brexit zu skandieren. Dabei haben die Demonstranten Pinkelstellen für ihre Vierbeiner aufgestellt und diese mit Bildern von Nigel Farage, einem Brexitbefürworter, beklebt. «Mein Kameramann sagte mir, das sei der Tiefpunkt seiner Karriere: Er warte darauf, dass ein Hund pinkle», so Engbersen. «Aber wir haben das Bild immerhin bekommen.»
«Ich habe noch nirgends so viele Luxuskarossen in einer Strasse gesehen wie in London.»
Henriette Engbersen, SRF-TV-Korrespondentin , in London
So gab die SRF-Journalistin auch einen Einblick in ihren Arbeitsalltag. «SRF-London hat kein luxuriöses Büro mit Sicht auf die Themse», sagte sie. «Mein Büro ist zwei auf drei Meter gross, und die Aussicht aus dem Fenster endet an der nächsten Hauswand.» Doch sei sie glücklicherweise viel unterwegs und komme unter die Leute, im Büro organisiere sie jeweils nur alles.
Fragiler Friede in Nordirland
Vor nicht allzu langer Zeit ist Engbersen etwa nach Nordirland gereist, um einen Beitrag zu drehen. Der Teil des Königreichs ist in den Brexitverhandlungen zwischen der EU und den Briten einer der grössten Knackpunkte. Wie geht man mit der Grenze zwischen Irland und Nordirland um, lautet die ungelöste Frage. Bei einem Austritt Grossbritanniens aus der EU würde dort eine EU-Aussengrenze entstehen.
Mit einem kurzen Rückblick auf die Vergangenheit des Landes zeigte Engbersen den Ursprung dieses Problems auf. «Die Zerrissenheit dieses Landes spürt man noch heute, auch wenn es einen Friedensvertrag gibt», sagte sie. Zurück geht diese Stimmung auf den Bürgerkrieg zwischen den unionistischen Protestanten und den irisch-nationalistischen Katholiken. Im Kern des Konflikts ging es darum, ob der zu Grossbritannien gehörige Nordteil Irlands wieder mit der Republik im Süden vereinigt werden sollte. «Für den Frieden ist es wichtig, dass die Grenze im Alltag nicht gesehen wird, auch wenn sie auf dem Papier besteht», sagte Engbersen. «Auch nur ein ‹Zollhüüsli› würde ein Teil der Bevölkerung als britische Herrschaft interpretieren und diese bekämpfen.»
Die Leute in Nordirland geben gerne Auskunft, um die Bedeutung des aktuellen, grenzfreien Zustands für den Frieden und die gesamte Wirtschaft zu unterstreichen. Als Schweizer Fernsehen habe man in London grundsätzlich aber einen schweren Stand, musste Engbersen lernen. «In der Schweiz bekommt man als Journalist der ‹Tagesschau› zumindest eine Absage, in London werden zahlreiche Mails nicht einmal beantwortet», sagte sie. Unterkriegen liess sie sich dadurch nicht, sondern schloss sich mit anderen, europäischen Fernsehstationen zusammen.
Vielleicht eine Weltreise
Dass sie in die Arbeit an ihrem aktuellen Korrespondentenposten viel Leidenschaft steckt, zeigte sich auch in der Antwort auf die Frage, was nach diesem Posten komme. «Ich weiss gar nicht», sagte sie. «Vielleicht eine Weltreise oder ein anderer Korrespondentensitz wie Berlin oder Paris.» Ein Land würde sie als Korrespondentin aktuell ausschliessen: die Vereinigten Staaten. «Ich fände es schwierig, über Trump zu berichten, ohne als links oder rechts zu gelten», sagte Engbersen.
London sei aber eine Stadt, die ihr schon immer besonders gefallen habe. In der Metropole seien starke Gegensätze zu sehen. «Ich habe noch nirgends so viele Luxuskarossen in einer Strasse gesehen wie in London, wo die Leute einfach keine Garagen haben», sagte sie. In einem «Tagesschau»-Beitrag, den sie zeigte, griff sie das Thema «illegales Vermögen» auf. Darin wurde der Fall einer Frau gezeigt, die allein in einem Kaufhaus 16 Millionen Pfund ausgegeben hatte. Nicht nur zu diesem Umstand passt wohl Engbersens Einstieg, wozu sie eine Asterix-Szene zeigte. «Die spinnen, die Briten», heisst es dort. «Das ist die Frage, die mir aktuell am meisten gestellt wird.»