Schulzahnklinik-Untersuchung: Es gab Patientenwechsel an Privatpraxen

Isabel Heusser | 
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Trotz der belastenden Situation habe es in der Schulzahnklinik keine Kündigungen wegen der Untersuchung gegeben, so Erziehungsdirektor Christian Amsler. Bild: Zeno Geisseler

Vereinzelt wechselten Patienten der Schaffhauser Schulzahnklinik zu einer Privatpraxis - das hat die Untersuchung gegen einen Kieferorthopäden ergeben, der Patienten abgeworben haben soll.

Hat ein Kieferorthopäde der Schaffhauser Schulzahnklinik Patienten in seine Privatpraxis geholt und damit gegen das Personal­reglement des Kantons verstossen? Dieser Frage geht das Erziehungsdepartement (ED) seit Monaten in einer Untersuchung nach. Nun vermeldet das ED, die erste Phase sei abgeschlossen. Man habe auf breiter Basis Informationen gesammelt, um eine erste Einschätzung der Lage vornehmen zu können. Die vorläufigen Erkenntnisse: Vereinzelt hätten in den letzten Jahren Patienten aus der Schulzahn­klinik in Privatpraxen gewechselt. «Das hat es aber schon immer gegeben und ist völlig normal», sagt Erziehungsdirektor Christian Amsler. Den Patienten der Schulzahnklinik stehe es schliesslich frei, Behandlungen in einer Privatpraxis weiterführen zu lassen. «Da kann es sein, dass die Kunden zu einer Praxis gehen, in welcher zufällig Personal aus der Schulzahnklinik tätig ist.» Laut Amsler sind neben dem Kieferorthopäden drei weitere Zahnärzte in Privatpraxen tätig. «Sie sind nicht von den Vorwürfen der Abwerbung betroffen und sind privat auch nicht im Kanton Schaffhausen tätig.»

Möglicherweise seien die Patienten auch mangels Kapazitäten der Schulzahnklinik an Privatpraxen verwiesen worden. Nun gelte es abzuklären, ob diese Patientenwechsel rechtens waren oder ob sich der Kieferorthopäde bereichern wollte. Als Sofortmassnahme hat das Erziehungsdepartement beschlossen, dass Mitarbeitende der Schulzahnklinik vorläufig keine Patienten aus der Klinik mehr in Privatpraxen aufnehmen dürfen.

Zu den Fällen Stellung nehmen

Rund ein Dutzend Fälle sind den SN bekannt. Wie viele dem Erziehungsdepartement gemeldet wurden, sagt Amsler weiterhin nicht. «Es waren vereinzelte, sehr wenige.» Dennoch gestalte sich die Untersuchung sehr aufwendig. Den zweiten Teil der Untersuchung nennt Amsler «Konfrontationsphase»: «Der Kiefer­orthopäde wird konkret Stellung nehmen können zu den einzelnen Fällen.» Zwar sei man seit Beginn der Untersuchung in Kontakt mit ihm gewesen, zu allfälligen Beschuldigungen sei er aber noch nicht befragt worden.

Die Situation sei für die Klinikangestellten sehr belastend. Kündigungen habe es wegen der Untersuchung aber keine gegeben. Und: «Es gibt keine Anzeichen, dass Patienten aufgrund der Untersuchung nicht mehr in der Schulzahnklinik weiterbehandelt werden wollten», sagt Amsler.

Durchgeführt wird die Untersuchung von Thomas Schwarb Méroz, Leiter der Dienststelle Primar- und Sekundarstufe I, unter ­Mitwirkung des kantonalen Personalamts. Ursprünglich sollte auch Klinikleiter Peter Kerschot involviert sein, er trat dann aber in den Ausstand. Anfang April wurde bekannt, dass er die Klinik per Ende September verlässt, weil er sich beruflich weiterentwickeln will. Mit der Untersuchung habe seine Kündigung nichts zu tun. Die Klinikleitung ist mittlerweile ausgeschrieben.

 «Es gibt keinen Anlass für eine strafrechtliche Untersuchung.» Christian Amsler, Erziehungsdirektor

Kein finanzieller Schaden

Im Laufe der Untersuchung engagierte das ED einen externen Berater: Der Basler Rechtsanwalt Carlo Conti ist spezialisiert auf Gesundheitsrecht und hat zur aktuellen Situation eine rechtliche Beurteilung vorgenommen. «Es hat sich gezeigt, dass eine unabhängige Stimme in dieser ersten Phase der Untersuchung wichtig ist», sagt Amsler. Der Anwalt habe bereits ähnlich gelagerte Fälle in anderen Kantonen übernommen, «er war uns eine grosse Hilfe». Bei der Untersuchung stünden aber nach wie vor personalrechtliche Fragen im Vordergrund. «Es gibt keinen Anlass für eine strafrechtliche Untersuchung.» Mittlerweile sei auch klar, dass der Schulzahnklinik durch die Patientenwechsel kein finanzieller Schaden entstanden sei.

Conti hat das Erziehungsdepartement auch hinsichtlich der Überarbeitung des Personal­reglements beraten. Die Bedingungen, unter welchen die Angestellten des Kantons einer Nebenbeschäftigung nachgehen dürfen, seien eigentlich klar, sagt Amsler. «Aber wir wollen eine möglichst genaue Formulierung, damit jegliche Unklarheiten ausgeschlossen werden können.»

Während der Sommerferien laufe die Untersuchung weiter, aber mit reduziertem Betrieb, weil nicht alle involvierten Personen anwesend seien. Amsler rechnet damit, dass die Untersuchung nach dem Sommerferien abgeschlossen sein wird. Dann orientiert das ED über allfällige Massnahmen oder personalrechtliche Konsequenzen.

Erziehungsdepartement geht beim Myobrace-System über die Bücher

In die Kritik geraten ist die Schulzahnklinik auch, weil sie die Verwendung von Myo­brace propagiert: eine Art weiche Spange für präventive kieferorthopädische Behandlungen. Schaffhauser Zahnärzte monierten, Myobrace führe zu unnötigen Kieferröntgen­aufnahmen bei Kleinkindern, und der Nutzen von Myobrace sei nicht erwiesen. Gemäss einem Facharzt für Kieferorthopädie des universitären Zen­trums für Zahnmedizin (ZZM) in Zürich ist die wissenschaftliche Datenlage dazu dünn, Myobrace wird im ZZM nicht angewendet (SN vom 7. März). Nun geht das Schaffhauser Erziehungsdepartement über die Bücher. Spezialisten der Schulzahnklinik sollen die Anwendung von Myobrace zusammen mit Vertretern der Schweizerischen Zahnärzte-Gesellschaft überprüfen. «Es ist sinnvoll, dass sich Fachleute untereinander austauschen und erweiterte Abklärungen treffen», sagt Christian Amsler. «Wir wollen die verschiedenen Meinungen dazu hören.» Es gebe keinen Anlass, die Myobrace-Therapie sofort zu unterbinden. Man sei nach wie vor davon überzeugt. Je nach Ergebnis würden aber «gewisse ­Konsequenzen» getroffen.

Die Vorwürfe, dass in der Schulzahnklinik bei einzelnen Patienten fälschlicherweise Karies diagnostiziert worden sei, hätten sich in der Untersuchung bislang nicht bestätigt, so das Erziehungsdepartement. (heu)

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