Warum Fahndungsbilder zuerst verpixelt veröffentlicht werden

Ralph Denzel | 
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Zuerst werden Fahndungsfotos immer verpixelt veröffentlicht - warum? Bilder: SHPol - Montage:SHN

Wenn die Schaffhauser Polizei einen mutmasslichen Straftäter sucht, veröffentlicht sie zuerst verpixelte Fahndungsbilder. Wir haben bei der Staatsanwaltschaft nachgefragt, warum das so ist.

Die Reaktionen kochten sehr hoch, als wir auf der Facebook-Seite der «Schaffhauser Nachrichten» einen Fahndungsaufruf der Staatsanwaltschaft und der Polizei veröffentlichten. Darin ging es um die Suche nach einem Mann, der Anfang Januar eine 18-jährige Frau und einen 18-jährigen Mann im Tunnelgässchen in der Stadt Schaffhausen  mit einem Klappmesser und Pfefferspray bedrohte. Der Dieb erbeutete Bargeld und floh. Weil bisherige Fahndungen keinen Erfolg brachten, veröffentlichte die Polizei und die Staatsanwaltschaft Aufnahmen des Täters – allerdings zuerst verpixelt. Unverpixelt wollte man die Bilder zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlichen.

Das Posting des Anstosses: Bild: Screenshot Facebook

Das löste eine Welle der Entrüstung in unserem Facebook-Kanal aus. Viele konnten das Verhalten der Staatsanwaltschaft und der Polizei nicht verstehen. So schrieb eine Nutzerin: «Jawohl, gebt dem Kerl genügend Zeit noch weitere Straftaten zu begehen!» Ein anderer nannte das Verhalten der Behörden «Täterschutz auf höchster Stufe».

Das Gesicht des Gesuchten wurde auf den Fotos bewusst verpixelt. Bild: SHPol

Ein anderer Nutzer fragte: «Nach drei Monaten und dann verpixelt?»

Wieso werden Bilder erst verpixelt veröffentlicht?

Dabei ist das Verhalten der Staatsanwaltschaft begründet, wie der Erste Staatsanwaltschaft Peter Sticher uns versichert. So ist die Öffentlichkeitsfahndung «insbesondere im Internet» gestützt «auf den Verhältnismässigkeitsgrundsatz». Das bedeutet, dass es «nur bei schwerwiegenden Delikten» und nur sofern «alle möglichen Fahndungsmassnahmen ergebnislos verlaufen sind» zulässig ist, eine Öffentlichkeitsfahndung zu starten. «Mit der Einhaltung dieser Kriterien wird von der Staatsanwaltschaft dem Persönlichkeitsschutz der abgebildeten Person Rechnung getragen», so Peter Sticher.

Es geht aber auch anders: «Wenn es sich um ein Kapitaldelikt handelt, erfolgt eine sofortige Fahndung mit den Bildern, die wir haben.» Darunter fallen Tötungsdelikte oder besonderes schwerer Raub. Ein Beispiel ist dort auch die Fahndung nach dem Kettensägenangreifer von Schaffhausen im letzten Jahr.

Franz W., der 2017 mit einer Kettensäge mehrere Menschen verletzte, wurde anfangs mit unverpixeltem Bild gesucht. Bild: SHPol

Im Endeffekt liegt es im Ermessen eines Staatsanwaltes, ob eine Öffentlichkeitsfahndung gestartet wird oder nicht, so Peter Sticher. Wie dabei zu verfahren ist, ist jedoch klar geregelt. «Die Vorgehensweise wurde von der Geschäftsleitung der Staatsanwaltschaft in einer verbindlichen Weisung für alle Staatsanwältinnen und Staatsanwälte festgelegt.» Zudem ist Peter Sticher, als Erster Staatsanwalt, immer informiert über solch ein Vorgehen. Die rechtlichen Grundlagen für eine Öffentlichkeitsfahndung finden Sie im Infokasten links.

Muss bei jedem Verbrechen eine Öffentlichkeitsfahndung gestartet werden?

Wie ist also das Verhalten der Staatsanwaltschaft im Falle des Raubüberfalles zu beurteilen? Auch hier griff laut Peter Sticher wieder das Prinzip der Verhältnismässigkeit. Auch wenn es für Aussenstehende teils schwer zu verstehen sein mag, so liegt es doch im Ermessen der Staatsanwaltschaft, die täglich mit solchen Fällen zu tun hat, eine weitreichende Entscheidung zu treffen. «Die Schwere dieses Raubüberfall war im Vergleich zu anderen möglichen, insbesondere qualifizierten, Raubüberfällen nicht so hoch, dass sie eine sofortige Fahndung gerechtfertigt hätte.» Zudem sei eine Veröffentlichung von «Bildern in den Medien, insbesondere im Internet, zu Fahndungszwecken gestützt auf den Verhältnismässigkeitsgrundsatz nur zulässig, sofern alle möglichen Fahndungsmassnahmen ergebnislos verlaufen sind.» In diesem Fall gab es eben konkrekt keine Anhaltspunkte mehr für die Ermittler. «Als wir gemerkt haben, dass es keine Ansätze zu weiteren Ermittlungen mehr gibt, entschied man sich zur Öffentlichkeitsfahndung.»

Auch die Entscheidung, das Bild zuerst verfremdet zu veröffentlichen, ist hierbei im Sinne der Verhältnissmässigkeit geschehen und verfolgt einen Grund: So wollte «die Schaffhauser Polizei und die Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen der abgebildeten Person die Möglichkeit geben, sich zu stellen.» Dafür wird dem Täter auch etwas Zeit eingeräumt, in diesem Fall zwei bis drei Wochen. Dahinter steckt auch die ermittlungstaktische Idee, den Druck auf einen Täter langsam zu erhöhen. «Wenn ein Täter damit rechnen muss, erkannt zu werden, erhöht dies mit Sicherheit den Druck, insbesondere bei Tätern, die sich nach wie vor in der Region aufhalten.» Ein konkretes Beispiel ist dabei ein Einbruch in die Hallauer Badi im Jahr 2015. Damals verfuhr die Staatsanwaltschaft ähnlich und konnte, trotz Verzögerung, letztlich die Täter ermitteln.

So ist es eine Abwägungssache, wann welche Fotos veröffentlicht werden. Wo beginnt Täterschutz und wo Opferschutz? Die Fragen sind nicht einfach zu beantworten. Daher ist es gerade hier wichtig, Fingerspitzengefühl zu beweisen, damit sich in einem Rechtsstaat jeder, auch wenn er sich strafbar gemacht hat, letztlich auf seine Rechte und die Gesetze verlassen kann – auch wenn das manchmal schwer nachzuvollziehen sein mag.

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Kommentare (1)

Rolf Fehlmann Fr 04.05.2018 - 08:59

Dieser Artikel ist äusserst lesenswert und hoch informativ. Bitte auch in der Printausgabe bringen.

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