Bleifrei 95 in Neuhausen am billigsten, Diesel in Diessenhofen

Serena Schelling (ssc) | 
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Wo tankt man am günstigsten? Wo ist es eher teuer? Wir haben alle Tankstellen in der Region abgeklappert.

 

«Gibt es ein Leben nach dem Auto?», fragte sich einmal der deutsche Philosoph Manfred Hinrich (1925-2015). Fest steht, dass die Schweizer fleissige Autofahrer sind. Laut dem Bundesamt für Statistik besitzen 78 Prozent aller Haushalte mindestens einen Personenwagen (rund drei Millionen Haushalte). Anlass genug, um das Kerngeschäft des beliebtesten Fortbewegungsmittels der Schweizer auf unserer Gemeindeseite unter die Lupe zu nehmen: die Tankstellen.

Avia-Tankstellen sind führend

Am 1. Januar 2018 veröffentlichte die Erdölvereinigung Schweiz (EV) eine Übersicht über alle Tankstellen in der Schweiz. Insgesamt gibt es 3382 Tankstellen im Land. Davon sind 2049 unbedient – sogenannte Selbstbedienungstankstellen. Marktführend ist die Avia Vereinigung Schweiz mit 600 Tankstellen. Der zweite Platz geht an die Agrola-Tankstellen. Von ihnen gibt es rund 419 in der Schweiz. Bronze erhalten die britischen Tankstellen BP mit 341 Standorten.

Im Kanton Schaffhausen kommen die SN anhand eigener Recherchen auf 48 Tankstellen. Davon besitzen laut EV 37 Tankstellen einen Shop. Im SN-Verteilgebiet gibt es insgesamt rund 70 Tankstellen. Die meisten davon befinden sich an Hauptstrassen und Grenzübergängen (siehe Karte). 15 davon sind Avia-Tankstellen, und weitere elf sind von Agrola. Gleichauf mit Agrola sind die unabhängigen Tankstellen. Garagen und Firmen können die Tankstellen beispielsweise von Agrola pachten. Ein Beispiel dafür wäre die Landi Marthalen, die eine kleine Agrola-Tankstelle hat. Das aserbaidschanische Unternehmen Socar hat fünf Tankstellen in der Region.

Wettbewerb als oberste Priorität

Nebst den Standorten sind die Preise der Kraftstoffe interessant. Allerdings teilten die Tankstellen auf Anfrage mit, dass es ihnen untersagt sei, der Presse die aktuellen Treibstoffpreise telefonisch mitzuteilen. Einzig Migrol nannte auf Anfrage die Preise für Bleifrei 95 und Diesel. Sie ist auch das einzige Tankstellenunternehmen der Schweiz, welches eine Gratis-App entwickelt hat, auf der die aktuellen Benzinpreise eingesehen werden können. Als Grund für die Verweigerung einer Aussage nannten die Tankstellenbetreiber die Wettbewerbsfähigkeit. Einige erwähnten das Kartellrecht. Darin wird das Wettbewerbsdenken als marktwirtschaftlich fördernde Massnahme festgehalten. In Deutschland ist das anders. Gemäss cash.ch können die aktuellen Kraftstoffpreise per Mausklick bei der gewünschten Tankstelle aufgerufen werden. Sobald sich die Preise ändern, müssen es die Tankstellenbetreiber bekannt geben – so will es das Gesetz. Bei Missachtung drohen saftige Geldbussen.

In elf Stunden quer durch die Region

Da die Tankstellen eine telefonische Aussage verweigerten, klapperten die SN am 14. März die rund 70 regionalen Tankstellen ab. Knapp elf Stunden dauerte die Reise. Die meisten Tankstellen bestehen aus wenigen Zapfsäulen und verfügen weder über einen Shop noch eine bediente Kasse. Zudem fällt auf, dass die Preise im Zürcher Gebiet höher sind (siehe Tabelle rechts). So befindet sich auch die teuerste Tankstelle auf Zürcher Boden. An der Avia-Tankstelle in der Gemeinde Marthalen kommen auf einen Liter Bleifrei 95 1.55 Franken. Ein Liter Diesel kostet 1.63 Franken. Am günstigsten tankt es sich in Neuhausen: Die privat geführte Tankstelle Nasa verlangt pro Liter Bleifrei 95 1.44 Franken und pro Liter Diesel 1.56 Franken. Bei der privaten Tankstelle Independent Diessenhofen ist zwar Bleifrei 95 teuerer (1.45 Franken), aber dafür ist Diesel günstiger (1.54 Franken). Die Gemeinde Büsingen lag an unserem Stichtag im soliden Mittelfeld mit 1.48 (Bleifrei 95) und 1.60 Franken (Diesel).

Diese beiden Preise verlangten die Tankstellen auch an 23 weiteren Stand­orten in der Region. Im Schnitt kostet Bleifrei 95 1.50 Franken und Diesel 1.60 Franken pro Liter.

Je grösser und schneller der Neuwagen, desto mehr Sprit schluckt er. Ein Mercedes AMG Sportwagenmodell bietet etwa 60 Liter Fassungsvermögen für Benzin. Einmal Volltanken mit Bleifrei 98, das einige Rappen teurer ist als ­Bleifrei 95, kostet also schnell mal zwischen 90 und 100 Franken.

Kleinwagen wie der Fiat Punto haben laut Autoscout24 ein Tankvolumen von rund vierzig Litern. Meist genügt dabei der Kraftstoff Bleifrei 95. Mit 1.48 Franken pro Liter kommt man so auf rund 60 Franken für einmal volltanken.

Wer einen Geländewagen fährt (Jeep, Range Rover etc.), zahlt am meisten. Die Autos besitzen je nach Grösse ein Tankvolumen von 70 bis 80 Litern und benötigen meis- tens Diesel als Kraftstoff. Knapp 130 Franken kostet das Volltanken. Bei so vielen Auslagen nebst dem eigentlichen Erwerb eines Autos kommt schnell die Frage auf, wie der Benzinpreis überhaupt zustande kommt.

Die Hälfte geht an den Staat

Der Benzinpreis setzt sich laut der Erdöl-Vereinigung Schweiz (EV) vereinfacht aus drei Hauptfaktoren zusammen (siehe Kuchendiagramm rechts): den Beschaffungskosten am internationalen Erdölmarkt, inklusive Fracht bis zur Schweizer Grenze, staatlichen und öffentlich-rechtlichen Abgaben sowie aus den Vertriebskosten im Inland.

Alles beginnt an der Börse, an welcher der Ölpreis bestimmt wird. Die Organisation erdölexportierender Länder (Opec) spielt bei dieser Preisbestimmung eine Rolle. Ausschlaggebend ist allerdings das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage. Sobald ein Treibstoff stark nachgefragt wird, klettert der Preis in die Höhe. Als zweiter Faktor mischt der Wechselkurs mit: Der Ölpreis wird international gehandelt und immer in US-Dollar angegeben. Sobald der Franken gegenüber dem Dollar teurer wird, kann mehr Öl gekauft werden, was wiederum den Preis in der Schweiz senkt. Hinzu kommen Transport- und Frachtkosten. Je mehr Öl auf einmal transportiert werden kann, desto günstiger wird es. Rund ein Drittel des Endpreises machen Einkauf und Transport des Erdöls aus.

Rund 50 Prozent gehen zulasten der staatlichen Abgaben. Diese bestehen aus der Mineralölsteuer, dem Mineralölzuschlag, den Importabgaben und der Mehrwertsteuer. Laut der Erdöl-Vereinigung entsprechen sie etwa 73 Rappen pro Liter Benzin.

Hinzu kommen die Kosten für den Vertrieb im Inland. Dieser umfasst unter anderem die nationalen Transportkosten, die Lagerung und die Logistik, die Amortisation der Tankstellen und das Marketing. Diese Kosten machen ungefähr einen Fünftel des Benzinpreises aus. (ssc)

 

 

Erdöl-Vereinigung Roland Bilang Roland Bilang ist der Geschäfts­führer der Erdöl-­Vereinigung Schweiz

Allerlei Informationen und der Import von Erdölprodukten: Die Erdöl-Vereinigung Schweiz bereitet als unabhängiger Verband Informationen rund um die Themen Erdöl, Energie, und Mobilität für die Öffentlichkeit auf und ist für 95 Prozent des schweizerischen Erdölimports zuständig. Roland Bilang, Geschäftsführer der Erdöl-Vereinigung (EV), hat unsere Fragen beantwortet.

Herr Bilang, wie kann man als Tankstellenbetreiber die meisten Kunden anlocken?

Roland Bilang: Ein wichtiger Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg ist der Standort der Tankstelle an einer gut frequentierten Stelle. Viele Kunden achten auf den Preis an der Zapfsäule. Andere ziehen Tankstellen mit angegliedertem Shop vor. Ein Betreiber kann sich durch günstige Preise und guten Service von der Konkurrenz abheben.

Das Tankstellennetz wird laut EV stets kleiner. Wie lässt sich diese Entwicklung erklären?

Die Schweiz hat das dichteste Tankstellennetz in ganz Europa. Allerdings werden Autos immer effizienter, wodurch der Verbrauch pro Kilometer sinkt. Dem steht die Zunahme der zurückgelegten Kilometer auf der Strasse gegenüber. In der Summe ergibt dies einen leichten Absatzrückgang bei den Treibstoffen. Zudem konzentriert sich das Geschäft vermehrt auf die Tankstellen mit Shop. Hier sehen wir eher eine Konsolidierung bei der Anzahl.

Woraus setzt sich der Benzinpreis in der Schweiz zusammen?

Der Benzinpreis ergibt sich aus dem Weltmarktpreis, dem Stand des Dollars sowie aus den Frachtkosten, beispielsweise bei der Rheinschifffahrt.

Wie oft ändern die Benzinpreise an den Schweizer Tankstellen?

Laut Medienberichten werden die Preise alle ein bis zwei Wochen angepasst.

Stimmt es, dass unabhängige Anbieter oft billigeren Sprit anbieten?

Wir verfolgen die Preispolitik der verschiedenen Anbieter nicht systematisch. Grundsätzlich ist aber jeder Betreiber frei, eine aggressive Preisstrategie umzusetzen. Ob es sich lohnt, ist eine andere Frage – die Margen sind in diesem Geschäft ­äusserst klein.

In Deutschland besteht eine Meldepflicht für Benzinpreisänderungen.

Weshalb wird in der Schweiz nicht auch für mehr Transparenz ­gesorgt?

Das System in der Schweiz ist auch ohne Meldepflicht transparent. Die Kunden können sich jederzeit über Webseiten oder Apps – sofern vorhanden – über den Preis informieren. Den Rest erledigt der Markt.

Wie steht es um den Tanktourismus in der Schweiz?

Bilang: Das Problem ist nach wie vor vorhanden, aber weniger akut als vor zwei Jahren: Gewisse Tankstellenbetreiber konnten feststellen, dass die Benzintouristen wieder zurück sind. Solange der Franken allerdings stark bleibt, besteht weiterhin die Gefahr, dass Kunden ihren Treibstoff im grenznahen Ausland beziehen.

Interview: Serena Schelling

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