«Büsingen ist einzigartig geblieben»
Seit 50 Jahren fixiert ein Staatsvertrag, was seit 1945 für Büsingen als deutsche Exklave De-facto-Zustand ist. Das wollte gefeiert sein.
«Würdig, aber auch Spass haben»
Dem OK-Präsidenten des Festaktes zum 50-jährigen Bestehen des Büsinger Staatsvertrages, Gerhard Weiss, fiel nach Ende des offiziellen Teils «ein Stein vom Herzen»: Geschafft!
Sie hatten sich mit diesem Anlass in der Exklavenhalle ein hohes Ziel gesteckt.
Gerhard Weiss: Wir wollten eine würdige Veranstaltung auf die Beine stellen, bei der aber ebenso der Spass nicht zu kurz kommt. Das ist wohl gelungen. Ausgerichtet war beides vor allem auf das Büsinger Publikum. Das Theaterspiel setzte manches lokale Wissen voraus.
Wissen die Büsinger jetzt mehr über den 50-jährigen Jubilar, also den Staatsvertrag?
Ich glaube, schon. Bereits im Vorfeld des Festaktes ist ja viel über den Vertrag, dessen Geschichte und die heutige Situation geschrieben und diskutiert worden, etwa mit dem Buch «Milch zweier Mütter, 50 Jahre Staatsvertrag». Am Festakt hat das Referat von Kreisarchivar Wolfgang Kramer auf humorige Weise viel Wissenswertes über das Vertragswerk vermittelt. Und unser Theaterspiel, ebenso im humorigen Kleid, brachte die harsche, an die deutschen Politikverantwortlichen gerichtete Kritik aufs Tapet, die aus Büsinger Sicht am Vertrag geübt wird, weil er die vorhandenen Probleme unserer Exklave nicht löst.
Und die Botschaft ist angekommen?
Ich hoffe es. Der Publikumsaufmarsch mit rund vierhundert Gästen – zwar nicht nur seitens der geladenen Prominenz, sondern gerade auch der Büsinger Bevölkerung – war jedenfalls riesig.
Es durfte gefrotzelt werden: «Wir würden Büsingen gerne im Kanton aufnehmen, du kannst heute Abend einen Preis nennen», versicherte der Schaffhauser Regierungsrat Christian Amsler dem Konstanzer Landrat Frank Hämmerle. Aber dieser gab zurück: «Büsingen bleibt bei uns, wir geben es nicht her. Wir sind stolz auf unsere Exklave.»
Dass es so bleibt, wie es ist, nämlich «die Einbeziehung der Gemeinde Büsingen am Hochrhein in das schweizerische Zollgebiet», also die «Perle am Rhein» als deutsche Exklave mit sehr engen Beziehungen zu Schaffhausen, ist nun seit genau fünfzig Jahren in einem Staatsvertrag verankert, den die Bundesrepublik Deutschland und die Eidgenossenschaft geschlossen haben.
Dieses Jubiläum wurde am Samstagabend in der Büsinger Exklavenhalle mit einem grossen Festakt begangen, zu dem nicht nur viel Politprominenz dies- und jenseits der Landesgrenze geladen war und von Bürgermeister Markus Möll begrüsst wurde, sondern vor allem auch die Bevölkerung des Dorfes mit seiner langen, wechselvollen Geschichte, auf die während Jahrhunderten sowohl die Stadtschaffhauser wie die deutsche Historie Licht und Schatten geworfen haben.
Schaffhausens «Scheitern»
Büsingen verdanke seine Existenz als «Kuriosum» einer Exklave mit vertraglicher Bindung an die Schweiz nicht nur seiner geografischen Lage, sondern ebenso seiner Geschichte, erinnerte denn auch Wolfgang Kramer als Konstanzer Kreisarchivar in einem launigen, anekdotisch reichen Referat. Seine historischen Pfeile schoss er schmunzelnd über die Grenze: «Büsingen ist eines der Beispiele für Schaffhausens Scheitern in seiner territorialen Expansionspolitik; denn es vergab leichtfertig, nicht nur Büsingen, sondern auch Hilzingen, Randegg, Gailingen oder gar Singen einzuverleiben.» Das gab Regierungsrat Amsler zu und erhielt Kramers Trost: Aber wohin würden sonst die Schaffhauser zum Einkaufen fahren …
Zurück zum fünfzigjährigen Bestehen des Staatsvertrages, der «Grundlage für den ständigen Dialog auf allen Ebenen» sei, wie er nun auch in der das Vertragswerk begleitenden «Gemischten Kommission» gepflegt werde. Das sagte Botschafterin Corinne Cicéron Bühler, Chefin der Abteilung für Völkerrecht, Staatsverträge und Nachbarrecht im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Allerdings: Die Verhandlungen über den Staatsvertrag hatten mehr als ein Jahrzehnt gedauert, und «damalige Fragen stehen auch heute noch auf der politischen Agenda».
Eine Breitseite mit Humor
In den Ansprachen am Jubiläumsakt nahmen diese Fragen kaum Raum ein. Wohl aber in einem Theaterstück, das – etwas gar lang und gedehnt – gespickt war mit Kritik an der deutschen Politik, die den Vertrag «ein kümmerliches Dasein» als «missratenes Geschöpf» fristen lässt. Der Sohn von Helvetia und Germanicus landete zu gutem beziehungsweise schlechtem Schluss gar in der «Breitenau». Das Publikum lachte ob der dick aufgetragenen und mit witzigen Videoanspielungen garnierten Breitseiten … ein Beweis dafür, dass man in Büsingen trotz oder dank des fünfzigjährigen Staatsvertrages weder den Humor noch die Lust am Feiern verloren hat: Der vom jungen Pianisten Yannik Hofmann musikalisch begleitete Jubiläums-Festakt nach Apéro und Abendessen mündete in einen fröhlichen Tanz- und Barbetrieb, zu dem die Band Surprise aufspielte.