Der erste Fisch war eine Regenbogenforelle



Angeln ist seine Leidenschaft: Der zwölfjährige Simon Signer aus Schaffhausen kennt so gut wie jeden heimischen Fisch. Und auch mit dem Töten hat er kein Problem: «Schliesslich esse ich den Fisch ja auch», sagt er.
Kantonaler Fischereiverband Wer möchte, der kann sich einen Fischergötti zur Seite stellen lassen
Was das Fischen im Rhein angeht, beginnt jetzt erst die Hauptsaison: Ab dem morgigen Sonntag dürfen wieder Äschen gefischt werden. Dann werden auch viele Jungfischer, die den Sachkundenachweis (Sana) bereits besitzen, wieder unterwegs sein. Denn, wie der Vizepräsident des Kantonalen Fischereiverbands Schaffhausen, Stefan Schwarzkopf, sagt, das Fischen ist mittlerweile auch bei den Jüngeren recht beliebt.
Kurs ist immer ausgebucht
Jedes Jahr bietet der Verband im März einen Jungfischerkurs an. «Es sind immer um die 40 Kinder», sagt Schwarzkopf. Der Kurs sei sehr begehrt, Probleme, ihn voll zu bekommen, hätten sie nie. Die Mädchen und Buben sind zwischen 10 und 14 Jahre alt. Nach drei Kursnachmittagen können sie ein Jungfischerbrevet erstehen. «Damit dürfen sie an bestimmten Stellen am Rhein fischen», sagt Schwarzkopf. Um in der restlichen Schweiz für ein öffentliches Gewässer ein Tagespatent lösen zu können, müssen sie eben den Sana-Ausweis besitzen.
Schwarzkopf freut sich über das Interesse der jungen Generation. Auch die Fischereivereine würden schliesslich überaltern. «Da sind wir froh, dass Junge nachziehen», sagt er, «vor allem wollen wir der nachkommenden Generation aber auch vermitteln, dass es nicht nur ums Angeln, sondern auch um Hege und Pflege geht.» Vor ein paar Jahren hatte er die Idee, dass man Jungfischern auch die Möglichkeit bieten könnte, sich mit einem erfahrenen Fischer auszutauschen, also einem Götti. Die Idee stiess auf beiden Seiten auf Begeisterung.
Hobbys können schon auch eine Last sein, nämlich eine süsse. Zum Beispiel wenn einem etwas so unglaublich viel Spass macht, dass man einfach ständig daran denken muss. Und so kommt es vor, dass Simon Signer aus Schaffhausen, gerade erst zwölf Jahre jung, im Schulunterricht lieber den Blick aus dem Fenster schweifen lässt und an Blinker, Spinner, Wobbler und Popper denkt als etwa an Kreise, Dreiecke und Quadrate. Der Nichteingeweihte denkt jetzt vielleicht an Pokémon oder ähnliche bunte Wesen. Doch weit gefehlt! Vielmehr geht es hier um die diversen Angelköder. «Ich überlege dann immer, welchen ich noch brauche», sagt Simon, «und welche Taktik die richtige ist, um eine bestimmte Fischart zu fangen.» Simon ist Fischer durch und durch. Die Begeisterung dafür hat er von seinem Vater Sepp Signer. Mit fünf Jahren hat Simon seinen ersten Fisch gefangen.
Ein Geburtstagsgeschenk
In seiner Klasse ist er der Einzige, der fischen geht. Wenn andere ihr Taschengeld in Stollenschuhe, Videospiele oder die erste Briefmarkensammlung investieren, geht er Fischerruten kaufen. Seine freie Zeit verbringt er lieber an heimischen Bächen oder Seen als auf dem Fussballplatz. Und auch auf dem Rhein hat er natürlich schon gefischt. Heute ist er auf dem Gelände des Kundelfingerhofs unterwegs. Hier gibt es mehrere Teiche, in denen man fischen kann. Der Ausflug ist ein Geburtstagsgeschenk für seinen Freund, der ebenfalls Simon heisst. Der hat bisher noch nicht geangelt und ist entsprechend aufgeregt. Sepp Signer beaufsichtigt die beiden. «Du musst die Route etwas höher halten», erklärt Simon dem Freund, während sie – mit etwas Abstand – nebeneinander am Teich 2 stehen. Hier gibt es Hechte, Zander und Barsche. Es sei nicht ganz leicht, hier einen Fisch aus dem Wasser zu ziehen, meint der Jungangler. Aber er will für seinen Freund zunächst noch etwas Spannung aufbauen.
Simon macht mit der Fischerrute einen ausholenden Schlenker, der Köder fliegt lautlos über den See und landet mit einem leisen Platschen im Wasser. Eine blaue Libelle fliegt vorbei, die Sonne wärmt den Rücken. Simon betätigt die Kurbel, und die Rolle mit der Angelschnur dreht sich fast ohne Unterbrechung. «Wenn das Wasser flach ist wie hier, muss man den Köder relativ schnell einholen», sagt er, «weil es sonst sein kann, dass er am Boden festhängt.» Er überlegt noch, ob er vielleicht noch den Köder wechseln soll. «Das Wasser ist nämlich schon sehr trüb», sagt er, «vielleicht sollte ich etwas Schockfarbiges nehmen, damit die Fische ihn auch sehen.»
Tatsächlich hat er in seinem Koffer zahlreiche Köder in allen Formen und Farben. Darunter gibt es auch Exemplare in Neongrün, Neongelb und Neonorange. Für klares Gewässer ist ein Sortiment durchsichtiger Kunstfischkörper. Die verwendet Simon, wenn er zum Beispiel am Schluchsee im Schwarzwald unterwegs ist.
«Es gibt auch welche mit Geruch», sagt er und hält eine Plastiktüte hoch. Die Gummifische darin sind in Fischöl eingelegt. «Die sind für Raubfische», sagt er. Als Kind seiner Generation lässt sich Simon mitunter auch von YouTube-Kanälen inspirieren. Profiangler geben dort Tipps und stellen die neuesten Produkte vor.
Mit einem Köder in seinem Koffer verbindet er ein ganz besonderes Erlebnis: Damit hat er seinen ersten Hecht gefangen. «Das war auf Rügen, er war 65 Zentimeter gross», sagt er, und seine Stimme hebt sich beim Erzählen etwas. Seine Augen werden grösser. Seinen allerersten Fisch aber, den hat er auch auf dem Kundelfingerhof gefangen, da war er gerade fünf Jahre alt. Später beim Urlaub in der Bretagne ging es gleich weiter, da zog er einen Wolfsbarsch und zwei Schollen aus dem Meer. Mit zehn Jahren hat er schliesslich die Sana-Fischerprüfung (siehe Kasten) gemacht.
Bei den Forellen geht es leichter
So viele Fische Simon bisher gefangen hat, so wenig Erfolg stellt sich heute ein. Aber so ist das wohl beim Fischen. Am Teich 1 hingegen schnellen aus dem Wasser immer wieder Forellen in die Höhe, um gleich wieder im Wasser zu verschwinden. «Dort ist es leichter, etwas zu fangen», sagt Simon. Und damit sein Freund heute auch ein Erfolgserlebnis hat und seinen allerersten Fisch fängt, beschliessen sie, den Teich zu wechseln. «Jetzt fangen wir bestimmt etwas!», ruft Simon noch über die Schulter, als er mit langen Schritten losmarschiert. Für sich und seinen Freund bereitet er die Fischerruten vor. Und tatsächlich: Kaum hat Simon den Köder ein paar Mal ausgeworfen, beisst schon eine Regenbogenforelle an. Es ist ein kurzer Kampf. Simon holt die Schnur ein; als der Fisch im flachen Wasser liegt, hält er ihn fest.
Jetzt geht es um alles. Der Fisch muss schliesslich getötet werden. Simon nimmt einen Holzknüppel und schlägt zu. Die Forelle ist betäubt. Dann hebt der Jungfischer einen Kiemendeckel an und schneidet mit dem Schweizer Taschenmesser, ohne zu zögern, die Herz-Kiemen-Arterie durch. Blut tropft aufs Gras, der Fisch ist tot. Ob er es nicht schrecklich findet, die Tiere töten zu müssen? «Nein, solange ich sie ja auch esse, ist das okay», sagt er.
Etwas später fängt endlich auch sein Freund eine Regenbogenforelle. Die Buben sind überglücklich mit ihrem Fang. Natürlich heisst es jetzt auch, die Fische daheim schmackhaft zuzubereiten. Aber auch das macht Simon gerne.